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Umstrittene Kunst

Karlsruhe entdeckt verschollene Bilder eines NS-Kulturpolitikers

Er war glühender Nationalsozialist, entließ 1933 alle avantgardistischen Professoren von der Kunstakademie und organisierte eine der frühen „Schandausstellungen“ moderner Kunst. Jetzt hat die Stadt Karlsruhe Werke von Hans Adolf Bühler im Keller von Haus Solms entdeckt.

Stefanie Patruno, Leiterin der Städtischen Galerie, Oberbürgermeister Frank Mentrup und Kulturbürgermeister Albert Käuflein (von rechts) vor einer Tafel von Hans Adolf Bühler im Keller von Haus Solms.
Stefanie Patruno, Leiterin der Städtischen Galerie, Oberbürgermeister Frank Mentrup und Kulturbürgermeister Albert Käuflein (von rechts) vor einer Tafel von Hans Adolf Bühler im Keller von Haus Solms. Foto: Joerg Donecker

Von heller Freude kann keine Rede sein bei diesem Fund: Acht verschollen geglaubte Wandtafeln, die jetzt im Zuge geplanter Umbauten im Keller von Haus Solms in Karlsruhe nach rund 80 Jahren wieder entdeckt wurden, sind eigentlich ein Fall für den Giftschrank.

Gemalt hat sie vor fast 100 Jahren Hans Adolf Bühler (1877 bis 1951), ein glühender Nationalsozialist und als Direktor der Kunstakademie verantwortlich für die Entlassung aller avantgardistischen Professoren im Jahr 1933. Doch gerade wegen ihrer Geschichte und vor allem jener ihres Urhebers verlangen die Werke, die nun in der Städtischen Galerie restauriert und der weiteren wissenschaftlichen Untersuchung übergeben werden, besondere Aufmerksamkeit.

Für Karlsruhe ist der Fund daher auch Anlass, sich mit Fragen zur städtischen Kulturpolitik in Zeiten des Nationalsozialismus kritisch auseinanderzusetzen – mit dem Ziel einer Ausstellung im Stadtmuseum.

Wo Hans Adolf Bühler die Fäden zog, verschwand die Moderne

Wo Hans Adolf Bühler die Fäden zog, verschwand die Moderne. Adolf Hitler zählte zu den Käufern seiner Kunst. Die Avantgarde und ihre Vertreter hatten keine Chance bei dem früheren Meisterschüler von Hans Thoma: Seit 1932 lenkte Bühler als Direktor der Karlsruher Akademie und seit 1933 auch als Leiter der Kunsthalle die Geschicke der beiden wichtigsten Kunstinstitutionen der Stadt im Sinne der neuen Machthaber.

Als er 1931 in die NSDAP eintrat, war er schon Mitglied der völkisch-radikalen „Deutschen Kunstgesellschaft Dresden und Gründungsmitglied der Karlsruher Ortsgruppe des 1928 von dem NS-Ideologen Alfred Rosenberg gegründeten, antisemitisch ausgerichteten „Kampfbundes der deutschen Kultur“.

An der Kunsthalle organisierte Bühler die Propagandaausstellung „Regierungskunst 1918-1933“, eine der frühesten „Schandausstellungen“ in Deutschland, die 1937 in der bekannten Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ gipfelten.

20 Wandtafeln kleideten den Bürgersaal im Karlsruher Rathaus

Mit einer retrospektiven und deutschtümelnden Kunstanschauung nahm Bühler selbst schon früh eine führende Position unter den Karlsruher Traditionalisten ein. Blondes Haar und blaue Augen stehen pars pro toto für seine Kunstauffassung. Germanisches Ideengut, heroische Figuren und das Vorbild der altdeutschen Malerei prägen seine Werke.

Wandtafel „Deutscher Morgen“ von Hans Adolf Bühler
Deutschtümelnd und heroisch: „Deutscher Morgen“ heißt der Titel einer von zwei großen Rundtafeln der insgesamt 20 Werke von Hans Adolf Bühler aus dem Jahr 1928 und es verweist mit dem im Zentrum stehenden jungen, blondhaarigen und blauäugigen Paar auf die „anbrechende Zeit des deutschen Aufstiegs“, wie ein zeitgenössischer Autor schrieb. Foto: Städtische Galerie Karlsruhe

„Deutscher Morgen“ heißt etwa eines der beiden wiederentdeckten großen Rundbilder, die noch im Keller von Haus Solms stehen, weil sie nicht durch die Türe passen. Es symbolisiert „die anbrechende Zeit des deutschen Aufstiegs“, wie ein zeitgenössischer Autor schrieb.

Ein zweites zeigt „Des Markgrafen Traum“, die Legende von der Stadtgründung Karlsruhes. Diese und 18 weitere Wandtafeln mit 54 bedeutenden regionalen Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kunst kleideten ab 1928 den Bürgersaal des Karlsruher Rathauses. Bühler erhielt den Auftrag, als sich 1925 die Einweihung des nach Plänen Friedrich Weinbrenners erbauten Rathauses zum 100. Mal jährte.

Im Zuge drohender Luftangriffe wurden die 20 Tafeln zwischen 1942 und 1944 demontiert und an einem bislang unbekannten Ort eingelagert. Zwölf der Tafeln werden seit Kriegsende im Bestand der Städtischen Kunstsammlungen geführt. Die restlichen acht galten bis vor kurzem als Kriegsverlust. Sechs von ihnen befinden sich nun in der Restaurierungswerkstatt der Städtischen Galerie.

Wiedergefundene Kunstwerke stoßen Aufarbeitung an

Das Museum und die Stadt wollen sich nun gemeinsam mit dem Institut für Kunstgeschichte am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) der kunstwissenschaftlichen und stadtgeschichtlichen Aufarbeitung widmen. Denn rings um die Werke und die Person Hans Adolf Bühlers stellen sich einige Fragen, wie Stefanie Petruno, die Leiterin der Städtischen Galerie, bei einem Pressetermin im Haus Solms betont. Ebenso bemerkenswert wie die Besetzung wichtiger Posten durch Bühler ist nämlich auch die Tatsache, dass der Maler und Kulturpolitiker die Leitung der Kunsthalle bereits im Jahr 1934 wieder abgeben musste.

„Wir wollen diese Tafeln mit einer Mischung aus Begeisterung, Faszination und Neugier präsentieren“, sagt Oberbürgermeister Frank Mentrup und weist auf die entscheidende Rolle der Kultur in politischen Entwicklungen hin. Neben den Fragen zur Person, den Werken und dem Umgang mit ihnen sei auch der Blick auf den Kontext der Institutionengeschichte im Vorfeld des Nationalsozialismus wichtig. „

Wie hätte man Anfang der 1930er Jahre mit einer solchen Persönlichkeit umgehen müssen, wenn einem der Erhalt der Demokratie wichtig gewesen wäre?“, fragt Mentrup. Zum Vorfeld einer Diktatur gehöre meistens auch eine kulturelle Ausrichtung, die den Boden bereitet. Hier sei die Auseinandersetzung mit diesen Jahren und Personen und der Entwicklung von Institutionen und Diskussionen einer Stadt wichtig. Und er betont: „Deshalb sehe ich in dem Fund eine Chance, dass wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen können.“

Ziel ist eine interdisziplinär angelegte Ausstellung der Wandtafeln im Stadtmuseum zu einem noch nicht festgelegten Zeitpunkt. Doch wolle man die Öffentlichkeit auch einbeziehen in „das, was wir entdecken und wie wir damit umgehen“, so Mentrup. „Es gibt viel zu tun für uns.“

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