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Kolloquium

Vergleich der Fahrradstädte: Freiburg hat Karlsruhe einiges voraus

Freiburg und Karlsruhe sehen sich beide als absolute Fahrradstädte. Doch die Unterschiede liegen im Detail – und an den Nutzerzahlen.

Brücke
Wichtige Route: Die Stühlingerbrücke in Freiburg ist deutlich als Fahrradstraße gekennzeichnet. Foto: Repro Stefan Jehle

Die beiden Großstädte Freiburg und Karlsruhe halten viel auf ihr Image als „Fahrradstädte“ – nennen sich gar, seit es den Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) gibt, zuweilen „Fahrrad-Hauptstädte“.

In den vergangenen Jahren drehte sich vieles bei dem Ranking auch um die Einhaltung neuer klimapolitischer Ziele. Doch was steckt wirklich dahinter?

Diese Zeitung versucht mit den Fachbeiträgen von zwei Radexperten aus Freiburg und Karlsruhe nachzuzeichnen, was angegangen wurde, was dabei gut ist und was noch besser sein könnte.

Vortrag mit Experten

Nach coronabedingter Pause fand nun an der Fakultät der Bauingenieure am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ein Fach-Kolloquium „Radverkehr“ statt. Der Engesser-Hörsaal war voll besetzt bis auf den letzten Platz.

Wenn man dabei genau hinschaut, scheint der besagte ADFC-Wettbewerb, mit den wechselweise weit vorne liegenden Städten Freiburg und Karlsruhe – in einem regelmäßigen „Wimpernschlag-Finale“ – in einigen Punkten recht subjektiv zu sein.

Männer
Experten: Georg Herffs (links) und Ulrich Wagner referieren beim Kolloquium Radverkehr am KIT. Foto: Stefan Jehle

Für Georg Herffs, Radexperte beim Garten- und Tiefbauamt der Stadt Freiburg, ist sein Wirkungsort „Wiege der Umweltbewegung“ – Freiburg wurde früher auch häufig „Umwelthauptstadt“ genannt.

Freiburg als „Stadt der kurzen Wege“

Der Stadt- und Verkehrsplaner nennt Freiburg „die Stadt der kurzen Wege“, die wichtigsten Siedlungsgebiete lägen in einem Radius von fünf Kilometern. Eine Befragung 2018 ergab, dass das Rad das dominierende Verkehrsmittel in der Stadt ist.

79 Prozent der Wege würden inzwischen im Umweltverbund (Fuß, Fahrrad, ÖPNV) zurückgelegt. Es gibt ein öffentliches Fahrradverleihsystem „Frelo“, wo 615 Räder bereitstehen.

Die wichtigen Radrouten sind deutlich gekennzeichnet – etwa die Route „FR 1“, die in Ost-West-Richtung dem Verlauf der Dreisam folgt. Auf den großen Routen haben Radler fast durchgängig Vorfahrt, beschreibt Herffs die Ausgangslage.

Viele Maßnahmen wurden umgesetzt

Vergangenes Jahr hatte die Stadt nochmals eine Art „Investitions-Turbo“ eingelegt, in den Bemühungen, das Radnetz noch attraktiver zu machen. Als Initialzündung galt ein Bürgerbegehren „Fuß-und-Rad-Entscheid 2021“, das – ohne dass am Ende ein Bürgerentscheid zustande kam – Druck ausübte auf die Entscheidungsträger.

Der Gemeinderat beschloss eine Fuß- und Radoffensive. „16 Millionen in 16 Monaten, in 30 Maßnahmen“, benennt Herffs das Programm zugespitzt.

In den Jahren 2021 und 2022 standen jeweils acht Millionen Euro für Einzel-Maßnahmen zur Verfügung – etwa viermal so viel wie jeweils in Vorjahren zuvor. 24 Maßnahmen sind umgesetzt: Die Hauptrouten „FR 1“ und „FR 2“ wurden teils neu beleuchtet, für „Wurzelhebungen“ – mit tückischen holperigen Wege als Folge – wurde eine Meldesystem eingerichtet, und diese beseitigt.

Das sind nur zwei Beispiele, was getan wurde. An mehreren Rad-Dauerzählstellen wurde 2012 bis 2022 kontinuierlich ein Zuwachs verzeichnet.

Karlsruhe mit 20-Punkte-Programm

Auch die Stadt Karlsruhe bemüht sich seit knapp 20 Jahren verstärkt um eine Verbesserung des Radwegeangebots. Erstmals 2005 beschloss der Gemeinderat im Oktober ein „20-Punkte-Programm“ als Leitbild, der Baubürgermeister wurde seitdem gewissermaßen „zum Vorradler“ erkoren, sagt Ulrich Wagner, Bereichsleiter Verkehr beim Stadtplanungsamt.

Man habe sich das Ziel gesetzt, bis zum Stadtgeburtstag 2015 „zur Fahrradstadt Nummer EIns in Süddeutschland“ zu werden – und auch tatsächlich die Anteile des Radverkehrs von 16 auf 25 Prozent, zu Lasten des Kfz-Anteiles, steigern können, so Wagner. Das „20-Punkte-Programm“ wurde 2017 überarbeitet, und ging 2021 über in ein „Programm für Aktive Mobilität“.

Mit dem Anteil im Umweltverbund (Fuß, Fahrrad, ÖPNV) liegt Karlsruhe aber deutlich hinter Freiburg zurück – da sieht Wagner einen Teil der Ursachen in der Baustelle „Kombilösung“, wo ÖPNV-Anteile über einige Jahre deutlich schrumpften.

Derzeit hat Karlsruhe im Umweltverbund etwa 55 Prozent der Verkehrswege abgedeckt – im Vergleich zu 70 Prozent in Freiburg.

Ein klar, und vor allem einfach gekennzeichnetes Radwegenetz wie in Freiburg ist in Karlsruhe aktuell nicht erkennbar. Wagner listet im Vortrag vor den Radverkehrs-Experten im KIT-Hörsaal viele Einzelmaßnahmen über die Jahre hinweg auf: und räumt auch ein, man habe – wie seit den 2010er Jahren angestrebt – „Planung und Bau von jährlich zwei Radrouten nicht ganz geschafft“.

Große Ziele

Aber Ulrich Wagner betont auch, wo 2012 noch jeder Vierte mit dem Rad (also 25 Prozent der Verkehrsteilnehmer) unterwegs gewesen war, sei das Ziel für 2020 mit 31 Prozent schon im Jahr 2018 erreicht worden.

Was den Anteil des Umweltverbunds (Fuß, Fahrrad, ÖPNV) insgesamt angeht, wolle man bis 2030 die Marke 65 Prozent erreichen.

Die wenigen Zahlen zeigen: der ADFC-Fahrradklima-Test ist kein objektives Kriterium, wo eine Stadt mit der Qualität ihres Radverkehrsangebots derzeit steht. Bei der letzten Auswertung für 2020 lag Freiburg – hinter Karlsruhe, mit Platz eins, und Münster mit Platz zwei, bei den Städten über 200.000 Einwohnern nur auf dem dritten Rang.

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