Warum sie überhaupt auf das Telefonat eingestiegen ist, weiß Bärbel Schlüter (Name von der Redaktion geändert) heute auch nicht mehr. Gut eine halbe Stunde hat sie mit einem vermeintlichen Microsoft-Mitarbeiter gesprochen. Der redete auf sie ein, sprach von einem gehackten Mail-Konto und einem russischen Waffenhändler. Sogar einen Steckbrief des mutmaßlichen Hackers schickte er.
Erst als er Schlüter mit Nachdruck drängte, ihm zwei Gutscheinkarten für den Google Play Store im Wert von 200 Euro als Gegenleistung für die Reparatur zu kaufen, ging ihr ein Licht auf. Sie lehnte ab und legte auf. Betrüger nutzen diese Masche seit Jahren in verschiedenen Abwandlungen. Allein im Dezember weiß die Karlsruher Polizei von 15 Fällen im Zuständigkeitsbereich. Fünf Menschen bezahlten, einer rund 5.000 Euro.
Anrufe kommen aus Callcentern irgendwo in der Welt
An die Täter kommen die Ermittler so gut wie nie heran. Die angezeigten Nummern führen meist in Callcenter irgendwo in der Welt – nach Spanien, in die Türkei, nach China. Die Polizei rät, sich überhaupt nicht auf solche Gespräche einzulassen. „Microsoft ruft niemanden einfach an“, betont Polizei-Pressesprecher Dieter Werner.
Trotzdem fallen immer wieder Menschen auf den Betrug herein, und es sind keineswegs nur Ältere. „Unter den Geschädigten sind alle Gruppen vertreten. Vom Mann Ende 20 mit akademischem Hintergrund bis zum Rentner“, erklärt Werner.
Bärbel Schlüter hält sich eigentlich nicht für ein leichtes Opfer. Normalerweise lege sie bei solchen Anrufen direkt wieder auf, erzählt sie den BNN. Dieses eine Mal aber nicht, denn seit einigen Tagen hatte sie tatsächlich Probleme mit ihrem Mail-Konto. Der anfänglichen Skepsis begegnet der englischsprachige Anrufer mit Informationen. Er nennt einen Namen, gibt an, aus Kalifornien anzurufen. Dann beginnt er, Schlüter Angst einzujagen. Ein russischer Betrüger habe ihr Konto gehackt und verkaufe Waffen in ihrem Namen, behauptet er. Die Geschichte untermalt er mit einem vermeintlichen Steckbrief des Betrügers. „Darauf sah er wahrlich bedrohlich aus“, sagt Schlüter.
Betrüger drängt sein Opfer zum Kauf von Gutscheinkarten
Sie lässt sich auf das Gespräch weiter ein, fragt den angeblichen Microsoft-Mitarbeiter, ob er helfen könne. Weil der denkt, dass sein Opfer angebissen hat, geht er zum Angriff über. Er wolle das Konto wiederherstellen und dauerhaft schützen – dafür müsse Schlüter aber zum nächsten Supermarkt laufen, zwei Gutscheinkarten für den Google Play Store kaufen und ihm die Codes dafür durchgeben. „In diesem Moment machte alles Vorhergegangene für mich keinen Sinn mehr“, sagt Schlüter. Sie sagte Nein, kassiert eine Beschimpfung und legt auf.
Bei anderen kamen der oder die Täter mit ihrer Masche im Dezember durch. Fünf Opfer haben sich bei der Karlsruher Polizei gemeldet, der Schaden liegt zwischen 135 und 5.000 Euro. Die Vorgehensweise passen die Betrüger dabei je nach Gesprächsverlauf an, erklärt Pressesprecher Werner. Hat jemand angebissen, versuchen sie meist direkten Zugriff auf den Computer des Opfers zu bekommen. Sie behaupten beispielsweise, Probleme mit einer Software zur Fernwartung beheben zu können und fordern die Angerufenen zum Download eines Programms auf. „Sind sie erst einmal drin, können sie alles mitlesen“, erklärt Werner. „Unter anderem die TAN-Nummern für das Online-Banking.“
Polizei rät zu besonderer Vorsicht bei unbekannten Anrufern
Gelingt der Zugriff auf den Computer des Opfers nicht, versuchen die Betrüger sie in den Kauf von Gutscheinkarten für verschiedene Online-Shops zu drängen. „Ich wurde wirklich massiv unter Druck gesetzt“, berichtet Bärbel Schlüter. „Das ist eine fürchterliche Sache. Danach war ich wirklich erschüttert.“ Die Polizei rät grundsätzlich dazu, am Telefon bei Anrufen von unbekannten Nummern besonders skeptisch zu sein und vor allem keinem Unbekannten Geld zu überweisen, Gutscheine zu kaufen oder ihnen Zugriff auf den Computer zu gewähren.
Viele Behauptungen der Betrüger machten logisch betrachtet auch gar keinen Sinn. „Wir können immer nur warnen“, sagt Werner. „Die Masche der falschen Microsoft-Mitarbeiter gibt es seit Jahren. In Wellen kommt sie immer wieder auf und noch immer fallen Menschen darauf rein.“