Neun Wochen Praktikum gehören zum Masterstudium Materialwissenschaft und Werkstofftechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Eine Stelle zu finden, ist schon ohne Corona schwer, berichtet Studentin Michéle Scholl.
Während der Pandemie hat sich die Situation weiter verschärft. Viele Unternehmen bieten seit Monaten keine Praktikumsplätze mehr an. Wer im Studium die vorgeschriebene Praxiserfahrung sammeln will, muss derzeit in manchen Studiengängen mit zahlreichen Absagen rechnen.
Gleiche Bewerberzahl, weniger Stellen
Von einem Rückgang der angebotenen Stellen um 30 bis 35 Prozent spricht eine Vertreterin des Vermittlungsportals praktikumsstellen.de auf Nachfrage der BNN.
Nach einem großen Einbruch im März 2020 gab es dort ab Juli wieder etwas mehr Auswahl, trotzdem liegt man weit unter den Zahlen durchschnittlicher Jahre. Ähnliche Erfahrungen machen Praktikumswillige auf so gut wie allen Kanälen, auf denen sie suchen. Von „der gleichen Anzahl Bewerber, aber deutlich weniger Stellen“ spricht Studentin Scholl.
„Ich habe einige Absagen bekommen, die mit der Corona-Pandemie begründet wurden“, bestätigt auch ein junger KIT-Student aus dem Bereich Wirtschaftswissenschaft, der seinen Namen nicht nennen möchte, den Eindruck. Die Realität ist dabei oft sogar schwieriger, als es Stellenangebote im Internet oder auf Pinnwänden vermuten lassen.
Die Anzeigen seien teils zu finden, obwohl Firmen aktuell gar keine Praktikanten einstellen, berichtet er. Nach einigen Absagen fand er schließlich eine Stelle, die er persönlich und nicht im Homeoffice antreten konnte, und absolvierte von Oktober bis Dezember 2020 sein Pflichtpraktikum. Doch auch auf den Ablauf eines Praktikums hat die Pandemie derzeit oft großen Einfluss.
Praktikum im Homeoffice gestaltet sich teils schwierig
Nach zwei Wochen schickte das Unternehmen im Fall des KIT-Studenten die Belegschaft ins Homeoffice, dort ging das Praktikum auch zu Ende. Kontakt gab es nur per Telefon oder Videokonferenz. „Man ist sehr auf sich allein gestellt, kann viele Erfahrungen nicht machen und auch indirekt nichts von den Kollegen lernen“, erzählt er.
Schnelle Nachfragen sind kaum möglich, deshalb ist für viele Studierende gerade die Einlern-Phase kompliziert. Andersrum dürfte es Studierenden auf diesem Weg deutlich schwerer fallen, einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen und sich gleich für einen Job nach dem Abschluss zu empfehlen.
Vor dem Rechner wird man schneller vergessen.Agnes Honka, Leiterin „Career Services“ am KIT
In der schwierigen Lage erkennt Agnes Honka aber durchaus auch Chancen für Studierende. Die Leiterin der Abteilung „Career Services“ am KIT glaubt, dass Praktikanten gerade jetzt mit ihren Fähigkeiten im Digitalen punkten können. „Bei einem Praktikum, das im Homeoffice stattfindet, sehen wir aber auch die Unternehmen in der Pflicht“, sagt sie. „Der Betreuungsbedarf ist höher, vor dem Rechner wird man schneller vergessen.“
Honka und ihre Mitarbeiter beraten zahlreiche Studierende auf der Suche nach Praktikumsplätzen und Jobs. Die Stimmung sei größtenteils positiv, berichtet sie. Meist könne man helfen, wenn sich jemand rechtzeitig meldet. Das insgesamt gesunkene Angebot an Praktikumsplätzen wirkt sich am KIT je nach Studiengang unterschiedlich aus. Nutzen Unternehmen wie im Bereich der Informatik Praktika, um sich frühzeitig Talente zu sichern, gibt es wenig Probleme. In Studiengängen mit weniger rosigen Berufsaussichten ist der Rückgang spürbar, berichten Studierende.
Hochschulen geben den Studierenden mehr Zeit
Michéle Scholl hat nach längerer Suche auch eine Stelle gefunden. Sie arbeitet in ihrem Praktikum nun eigentlich viel im Labor. Seit die Lockdown-Regeln verschärft wurden und ihr Praktikumsbetrieb weniger Mitarbeiter gleichzeitig im Gebäude duldet, verbringt sie zunehmend Zeit zuhause.
Der Austausch mit Kollegen und anderen Praktikanten fehlt sehr.Michéle Scholl, KIT-Studentin
Praxis-Erfahrung lässt sich so allerdings „nur stark eingeschränkt“ sammeln. „Auch der Austausch mit Kollegen und anderen Praktikanten fehlt sehr.“
An den Hochschulen hat man auf die Situation reagiert – man gibt den Studierenden mehr Zeit. „Die Fristen zur Erbringung von Studien- und Prüfungsleistungen wurden landesweit um ein Semester verlängert“, sagt Angelika Altmann-Dieses, Prorektorin für Studium, Lehre und Internationales an der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft. Man rechne mit einer Entspannung im Sommer 2021, wolle aber weiterhin flexibel über die Anpassung von Regeln reagieren.