Der „Flaschenstecher“ vom Hauptbahnhof muss für vier Jahre ins Gefängnis. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Constantin Hofmann sah es am dritten und letzten Verhandlungstag als erwiesen an, dass der 36-Jährige in der Nacht auf den 7. Oktober vergangenen Jahres bei einem Streit auf dem Vorplatz des Karlsruher Hauptbahnhofs mindestens zwei Mal mit einer Bierflasche zugeschlagen hat.
Der junge Widersacher des Täters erlitt dabei eine empfindliche Wunde am Hals, ging zu Boden und trug dadurch eine Kopfplatzwunde und eine Gehirnerschütterung davon. Hätte der Täter nur wenige Millimeter tiefer gestochen, wäre die Halsschlagader des Opfers nicht nur freigelegt, sondern verletzt worden, machte Hofmann in der Urteilsbegründung deutlich.
Ein Tod durch Verbluten wäre möglicherweise die Folge gewesen. Nicht das Schöffengericht, sondern das Schwurgericht hätte dann über den Fall befinden müssen. Mit seinem Urteil schöpfte das Schöffengericht die ihm zu Gebote stehende Strafgewalt voll aus.
Keine Reue gezeigt
Der Richter konstatierte „keine Reue oder Einsicht“ sowie „hohe Aggressivität und Gefährlichkeit“ bei dem kleingewachsenen Mann in der Tatnacht.
Eine Notwehr- oder Nothilfe-Situation habe nicht vorgelegen. Ebenso wenig seien voran gegangene Beleidigungen gegen den Mann nachweisbar. „Wer als Asylbewerber kommt, ist Gast und hat die Gesetze zu respektieren“, betonte der Richter in seiner Urteilsbegründung.
Rempelei eskalierte
Zwei Kleingruppen hatten in dieser vorgerückten Herbstnacht am Hauptbahnhof miteinander zu tun: Das spätere Opfer und ein den Mann begleitendes Paar auf der einen sowie der spätere Täter und ein ebenfalls aus Afrika stammender Mann auf der anderen Seite.
Es kam zu einer Rempelei, bei der ein Obdachloser zu Boden ging, anschließend zu der Flaschen-Attacke. Man könne das Geschehen zwar nicht glasklar und im Detail nachzeichnen. Die Erkenntnisse reichten aber allemal für die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung, betonte Constantin Hofmann.
Spuck-Attacke
Nach dem blutigen Geschehen auf dem Bahnhofsvorplatz zeigte sich der festgesetzte Täter in den Räumen des Polizeireviers Südweststadt äußerst renitent. Er verweigerte sich erkennungsdienstlichen Maßnahmen, spuckte einer Oberkommissarin ins Gesicht und biss einen ihrer Kollegen in die behandschuhte Hand. Vier Beamte waren nötig, um den Mann unter Kontrolle zu bringen. Man habe während der Hauptverhandlung nicht Vieles gefunden, was zugunsten des 36-Jährigen spreche, sagte der Richter.
Mit seinem Urteil ging das Schöffengericht um drei Monate über den Strafantrag von Staatsanwältin Jennifer Marberg hinaus. Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit gebe es nicht, unterstrich diese und betonte den „erheblichen Schaden“, den der Mann verursacht habe. Die spätere Spuck-Attacke gegen die Polizeibeamtin sei für die Frau emotional extrem belastend gewesen: Tagelang habe sie bis zu einem erlösenden Test-Ergebnis befürchten müssen, mit Hepatitis oder anderen Krankheiten angesteckt worden zu sein.
„Abstrakte Lebensgefahr“
Der Rechtsanwalt des als Nebenkläger aufgetretenen Opfers, Hans-Peter Schimanek, sprach von einer „abstrakten Lebensgefahr“, in die der 36-Jährige seinen Mandanten gebracht habe. Allein diese Tat mit der Bierflasche müsse mit drei Jahren Haft geahndet werden. Dass der Täter mit seinem Angriff den Obdachlosen habe schützen wollen, sei eine Schutzbehauptung und unglaubhaft.
Der Rechtsanwalt des Täters, Winfried Rehm, plädierte für eine „deutlich niedrigere Freiheitsstrafe“. Sein Mandant habe die Körperverletzung nicht vorsätzlich, sondern lediglich fahrlässig herbeigeführt, da er überzeugt gewesen sei, er leiste dem Obdachlosen Nothilfe.