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Solidarität geht weiter

Wie viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Karlsruhe sind – und wo sie leben

Auf der Flucht vor dem Krieg steuern viele Ukrainer Großstädte an. Karlsruhe stellt das vor neue Herausforderungen. Gemeistert werden die auch Dank der Solidarität der Bürger.

Drehscheibe: Im Rathaus West werden Neuankömmlinge aus der Ukraine untergebracht. Ab September ändert sich das.
Drehscheibe: Im Rathaus West werden Neuankömmlinge aus der Ukraine untergebracht. Ab September ändert sich das. Foto: Jörg Donecker

Es war eine Art Stadtwette, die Sozialbürgermeister Martin Lenz (SPD) im März eingegangen ist: Anders als es bundesweit viele andere Kommunen taten, wollte er in Karlsruhe keine Flüchtlinge aus der Ukraine in Turnhallen unterbringen. Das ist gelungen, lautet nach fünf Monaten Krieg die Zwischenbilanz. Und das, obwohl für Karlsruhe die Herausforderung neu war.

Als Standort einer Landeserstaufnahmestelle war die Stadt bisher zwar erste Station für Asylsuchende, von einer längerfristigen oder gar dauerhaften Aufnahme der Menschen aber befreit. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine wurde alles anders. „Wir wurden plötzlich Aufnahmestadt“, so Lenz. Also galt es, schnell viele Unterkünfte zu finden.

„Wir erlebten eine unglaubliche Solidarität in der Bevölkerung“, so Koordinator Faris Abbas. Die Menschen öffneten ihre Gästezimmer, einige Hoteliers stellten kostenfrei Zimmer zur Verfügung. Die städtische Wohnraumakquise konnte kurzfristig mit privaten Vermietern Verträge für 150 neue Wohnungen abschließen, die jeweils zehn Jahre gelten – eine Zeitspanne, die sich keiner als Kriegsdauer wünscht.

Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ist aber in jedem Fall in den nächsten Jahren groß. Und Lenz ist froh, dass es nicht zu Verteilungskämpfen zwischen Kriegsflüchtlingen und anderen Gruppen kommt.

Die Lage ist dynamisch.
Torsten Klein, Sozialamtschef

Zeitweise war von über 4.000 ukrainischen Schutzsuchenden in der Stadt die Rede. „Die Lage ist dynamisch“, sagt Sozialamtschef Torsten Klein. Der aktuellen Statistik zufolge sind jetzt 3.310 seit Kriegsbeginn angekommene Ukrainer in Karlsruhe. „Die meisten sind privat untergekommen“, so Abbas.

Etwas über 800 Menschen bringe die Stadt unter: in angemieteten Hotels oder Wohnungen sowie im Rathaus West. Letzteres ist konzipiert als eine Art Drehscheibe: Kommen Menschen neu an, ist die Immobilie in der Regel die erste Station. Das war auch so, als das Regierungspräsidium noch Ukrainer in der Messe unterbrachte. Von dort ging die Reise für einige weiter Richtung Weststadt.

Karlsruhe: Zehn Neuzugänge pro Woche

50 Neuankömmlinge pro Tag, fünf Tage die Woche: Darauf sollte sich einer Ansage des Landes zufolge Karlsruhe im März vorbereiten. „Zwei Busse kamen insgesamt an“, erinnert sich Abbas.

Weil es viele Ukrainer in Großstädte zog, lag Karlsruhe stets über dem Verteilschlüssel. „Derzeit liegen wir bei etwa zehn Neuzugängen pro Woche“, erklärt Abbas. Noch ist meist das Rathaus West die erste Anlaufstelle, dort warten aktuell rund 100 Menschen auf eine Folgeunterkunft. Ab September wird das vor einer Sanierung stehende Gebäude in der Kaiserallee geräumt und ein früheres Schwesternwohnheim in der Steinhäuserstraße bereitgestellt.

„Dort finden die Menschen eigene Wohneinheiten“, so Abbas. Es gebe eine Kochgelegenheit. Das sei auch bei vielen Hotels so: „Wir reden in der Regel nicht von Hotelzimmern, wie man sie von Urlaubsreisen kennt.“

Stille Reserve an Unterkünften in Karlsruhe

Viele Immobilien sichteten die Scouts der Stadt. Das Hotel Residenz beispielsweise wurde früh belegt, das Hotel Greif dagegen schied aus Brandschutzgründen aus. Über die ganze Stadt verteilt gibt es Unterkünfte – und im Moment einen Überhang an freien Plätzen.

Die als stille Reserve vorgehaltene alte Feuerwache und das Markgräfliche Palais am Rondellplatz mussten nicht belegt werden. Ob sich das noch ändert, weiß niemand. Alles hängt vom Verlauf des Krieges ab. „Wir gehen aber davon aus, dass viele Ukrainer hier bleiben“, so Klein.

Es ging nie eine Tür zu.
Faris Abbas, Koordinator Ukraine-Hilfe

Er beobachtet, dass Kinder vom aus der Ukraine gesteuerten Homeschooling in Karlsruher Klassenzimmer wechseln, dass die Erwachsenen Arbeit suchen. „Das ist nicht immer so einfach, Deutschkenntnisse sind meist der Schlüssel“, erklärt Abbas. Sprachkurse seien gefragt, der Internationale Bund etwa baue sein Sommerangebot aus. Möglich sei dies nicht zuletzt durch Spenden. „Bei ,Karlsruhe hilft´haben wir ebenfalls eine große Solidarität gesehen“, sagt Abbas.

Das sei ein Fundament, auf das Karlsruhe aufbaue. Gleiches gelte für das ehrenamtliche Engagement, angefangen bei der Flüchtlingshilfe, die im Rathaus an der Alb den Menschen das Ankommen erleichterte, bis hin zu Organisationen, die Lebensmittelspenden organisieren.

Letztere Akteure vernetzen sich unterstützt von der Stadt inzwischen stärker, mit Spenden wurde manche Verbesserung möglich. „Insgesamt ging in den vergangenen Monaten nie eine Tür zu“, so Koordinator Abbas: „Alle waren immer bereit zu helfen.“

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