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Karlsruher Ostachse im Fahrradklima-Test

Fortschritte für Radfahrer an der Durlacher Allee in Karlsruhe

Noch eine Woche lang lotet der ADFC-Fahrradklimatest aus, was sich für Radfahrer in Karlsruhe tut. Klar ist: Neben alten Mängeln bestimmen auch gute neue Elemente das Bild - teils angetrieben von Corona, teils von Neubauten.

9.11.2020 Ampel für Radfahrer am Durlacher Tor Richtung Innenstadt und Fahrradstraße vor dem KIT-Campus Süd (rechts)
Platz für Radfahrer: Eine eigene Ampel erleichtert Radfahrern am Durlacher Tor die Fahrt Richtung Innenstadt durch die Fahrradstraße vor dem KIT-Campus Süd (rechts). Foto: Jörg Donecker

Mit dem Fahrrad aus Durlach nach Karlsruhe zu pendeln, das war vor 30 Jahren an kritischen Punkten durchaus gefährlich und insgesamt weit weniger komfortabel als heute. Zuletzt hat es Qualitätssprünge gegeben beim Um- und Ausbau der Radwege an beiden Seiten der großen Verkehrsachse im Osten. Manche Abschnitte sind aber weiter unbefriedigend.

Dieses Mosaik aus Abschnitten mit höchstem Standard hier, alten Mängeln da, ist Ende 2020 typisch für Deutschlands fahrradfreundlichste Großstadt. Auf den viereinhalb Kilometern zwischen Durlach und der Fußgängerzone am Kronenplatz lässt sich das lebhaft erfahren.

Unbequemes Pflaster in Durlach

Das Katzenkopfpflaster im Durlacher Altstadtring gehört zur historischen Kulisse. Unbequem wie eh und je umradelt man die Fußgängerzone zwischen Marktplatz und Friedrichschule. Doch die Einbahnstraßenregelung gilt heute nur noch für Motorisierte. Seit gut einem Jahr schickt die Radroute Durlach Unschlüssige sogar bewusst gegen den Strom. So sollen sich Verkehrsteilnehmer am Steuer und am Fahrradlenker besser im Blick haben.

Westlich der Durlacher Fußgängerzone sind Radfahrer in der Klemme zwischen Straßenbahnschienen und geparkten Autos. Der Abschnitt steht in krassem Widerspruch zum nahen Bahnhof Durlach. Eine handtuchbreite „Extraspur“ für Radler vor der Ampel an der „Stachus“-Kreuzung hellt das Bild wenig auf.

Rücken Bagger an der Durlacher Allee an, bringt das Radfahrer in jüngster Zeit fast immer voran. Jenseits der Eisenbahngleise bei Durlach hat sogar Ummarkierung gereicht. Bei der Einmündung der alten B 10 geht es nicht mehr unfallträchtig, schlecht einzusehen und unkomfortabel in eine Unterführung, sondern ebenerdig auf die Autobahn zu. Der Bau der neuen dm-Zentrale hat zur kompletten Neugestaltung rund um die Haltestelle Untermühlstraße geführt. Radfahrer profitieren davon besonders auf der Südseite.

Ein Unfallschwerpunkt war der Autobahnanschluss, als er noch spitze Winkel hatte und weder rote Markierungen noch große Signets auf der Fahrbahn, die auf Radfahrer aufmerksam machen. Das ist Geschichte. Alt und ärgerlich eng ist aber noch das Fuß- und Radwegangebot beim Durlach Center.

Gleiten und gut abstellen

Ab dem Weinweg profitieren Radfahrer davon, dass der Möbelhändler Ikea und der Energieversorger EnBW sich an der Durlacher Allee niedergelassen haben. Da lässt es sich nach Top-Standards gleiten oder flitzen. Auf glattem Asphalt und Spuren, die Radfahrer für sich haben, oder überbreiter Fläche, die sie sich mit wenigen Fußgängern teilen. Am Rand stabile Fahrradständer, die gut im Blick sind, Diebstahl schwer machen und genug Platz bieten. Dazu radlergerechte Ampelschaltungen und gute Lösungen bei abbiegenden Autofahrern wie am Ostring.

Beim Sitz des Karlsruher Verkehrsverbunds (KVV) an der Tullastraße kommen an der Baustelle Rad- und Autofahrer gut vorbei. Doch auf fast jeder Fahrt stadteinwärts ist auf Höhe des Schlachthofareals und bis zur Lutherkirche der Fahrradstreifen auf der Fahrbahn als Lieferzone oder Kurzzeitparkplatz missbraucht. Radler müssen Haken schlagen.

U-Strab bringt auch Radlern viel

Am Fuß der Kirche St. Bernhard hat der Bau der U-Strab Radfahrern viel gebracht. Noch bevor die Platzfläche Durlacher Tor fertig ist, kommen Radler abseits roter Ampeln gradlinig Richtung Universität und City. Eigene Ampel, eigene Aufstellfläche: Ein Paar wartet entspannt mit seinem Einkauf. Aus dem Rucksack des Radlers ragt ein Pfannenstiel, aus offenen Packtaschen der Partnerin winken Topfpflanzen.

Von der Fahrradstraße, die jenseits der Kreuzung beginnt und am KIT-Campus-Süd entlangführt, konnten Generationen radelnder Studenten nur träumen. Selbst in der Enge am Berliner Platz, die noch dem Bau der Kombilösung geschuldet ist, gibt es für sie genug Platz, um bis an die Fußgängerzone und den Kronenplatz zu kommen. Nur wenige Pedaltritte sind es noch bis zu den City-Radrouten Nord und Süd.

Test richtet sich auch an Nichtradler

Erreichbarkeit aller Ziele – das ist eines der Kriterien, die der ADFC-Fahrradklimatest zum Maßstab macht. Das Fragenspektrum ist breit: Taugen die Radwege in Karlsruhe auch für Kinder und Unsichere jeden Alters? Werden die Rechte von Radfahrern respektiert und ihnen sowohl Falschparker als auch Scherben, Laub oder Schnee aus dem Weg geräumt? Im Internet mitmachen kann jeder noch bis Montag, 30. November 2020. Auch die Sicht von Fußgängern und Autofahrern ist gefragt in der weltweit größten Bürgerbefragung dieser Art, die das Bundesverkehrsministerium fördert und die alle zwei Jahre stattfindet.

Anfang November stand Karlsruhe zumindest bei der Beteiligung erneut vorn auf der Liste der Zwischenergebnisse. 1.677 Wertungen bisher sind einsame Spitze. Vor zwei Jahren gaben für Karlsruhe 1.899 Menschen eine Bewertung ab. Die Zahl könnte in der jetzt beginnenden letzten Umfragewoche noch übertroffen werden. Stuttgart knackt ebenfalls schon die Tausendermarke mit 1.338 Wertungen.

Verfolgerin Freiburg hat keine hohe Beteiligung

Auch im Vergleich zur Einwohnerzahl sticht Karlsruhe positiv heraus. 54 Fahrradklimatest-Bewerter pro 10.000 Einwohner, darüber liegt nur Offenburg (55 pro 10.000 Einwohner). Nur drei weitere Städte schaffen die 50-er Marke, darunter die Universitätsstädte Heidelberg und Ulm. Eine so hohe Beteiligung bewirkt, dass Ergebnisse als repräsentativ gelten und politisch auch so diskutiert werden.

Freiburg, Karlsruhes schärfste Konkurrentin um den Titel der fahrradfreundlichsten Großstadt Deutschlands, wurde bis Anfang November 614 Mal bewertet. Das ergibt eine Quote von 27 pro 10.000 Einwohnern, also die Hälfte des Beteiligungsgrades in Karlsruhe.

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