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Gottesdienst mit Abendmahl

Fünf Erwachsenentaufen bei Osternachtfeier in St. Stephan in Karlsruhe

Zwei Jahre in Folge mussten die Kirchen pandemiebedingt an den wichtigsten Feiertagen des Jahres Abstriche machen. Nun können auch Gläubige wieder fast ohne Einschränkungen zusammen kommen. Nur die Maske ist noch da.

Gut gefüllt: Die Kirche St. Stephan wird zu Beginn des Ostergottesdienstes am Karsamstag durch Kerzenlicht erhellt.
Gut gefüllt: Die Kirche St. Stephan wird zu Beginn des Ostergottesdienstes am Karsamstag durch Kerzenlicht erhellt. Foto: Jörg Donecker

Mit einem bunten Osterei in der Hand verabschiedet Dekan Hubert Streckert die meisten Besucher des Gottesdienstes am späten Karsamstag hinaus in die Nacht. Awan Tofik posiert zur selben Zeit strahlend vor dem Altar der Kirche St. Stephan in der Karlsruher Innenstadt für Fotos – in einer Hand eine Kerze, in der anderen eine Urkunde.

Die Spannung ist längst abgefallen, die Freude groß. Tofik ist einer von fünf Erwachsenen, die während der Osternachtfeier getauft wurden. Zum ersten Mal seit drei Jahren zelebrierten die Kirchen in Karlsruhe die Ostertage fast ohne Pandemie-Einschränkungen. Lediglich die Masken bleiben allgegenwärtig.

Gottesdienst folgt einer klaren Struktur

Kurz vor 21 Uhr ist St. Stephan gut gefüllt. Awan Tofik sitzt neben seiner Frau in der vierten Reihe. Es ist dunkel, kein Licht brennt. Draußen ergreift Streckert das Wort, übertragen nach drinnen via Lautsprecher. Der Dekan blickt zurück auf den Auftakt des österlichen Triduums am Gründonnerstag, die Fortsetzung am Karfreitag. Den anstehenden Höhepunkt bezeichnet er als „Nacht der Nächte“. Dann entzündet er die mannshohe Osterkerze am Osterfeuer und schreitet voran in die Kirche.

Der verheerende Krieg in der Ukraine, die Pandemie-Jahre, private Probleme – all das bleibt für die nächsten gut zwei Stunden vor den schweren Türen von St. Stephan. Streckert nimmt die Besucher mit in einen Gottesdienst, dessen Ablauf klar strukturiert und vorgegeben ist.

Warmes Kerzenlicht erhellt die Kirche

Mit einer Portion Humor leitet der Dekan in der von warmem Kerzenlicht erleuchteten Kirche zunächst einen wortgewaltigen Teil ein. Fünf Bibeltexte liegen bereit. Den Auftakt macht die Schöpfungsgeschichte, die Genesis. „Physik, Biologie und Chemie können wir jetzt vergessen“, moderiert Streckert an. Fast eine Stunde später signalisiert anschwellende Orgelmusik den Übergang zum nächsten Abschnitt. Die Glocken läuten, das Licht geht an.

In schwierigen Zeiten der Kirche seid ihr die Predigt, die überzeugt.
Hubert Streckert, Dekan über die Taufwilligen

„Was predigt man in einem Gottesdienst, der so voller Text ist, so voller Zeichen?“, fragt Streckert wenig später. Und er gibt sich die Antwort selbst: „Die beste Predigt kommt immer auf zwei Beinen daher.“ Gemeint sind die vier Frauen und ein Mann, die in der Osternacht offiziell zu Christen werden. Ein weiterer lässt sich im Rahmen der Feier firmen. „In schwierigen Zeiten der Kirche seid ihr die Predigt, die überzeugt.“

Die Gründe für den Taufwunsch sind meist ähnlich

Die Gründe für den Taufwunsch sind bei allen fünf ähnlich. Sie berichten von „wichtigen Personen“ oder „Freunden“ in ihrem Leben, durch die ihr Glaubensweg begann. Auch Awan Tofik erzählt: „Ich tue das für die Liebe.“ Der christliche Glaube habe immer zu seinem Leben gehört. Mitglied der Kirche war er aber bisher nicht. Drei Monate lang haben sich die Taufwilligen in digitalen Kursen und durch regelmäßige Gottesdienstbesuche vorbereitet – nun wird es ernst.

Streckert vollzieht die Taufe. Die Gemeinde begrüßt ihre neuen Mitglieder mit Applaus. Zu Ende ist die Osternacht damit aber noch nicht. Es folgen Fürbitten und die klassische Eucharistiefeier. Das Abendmahl gehört dazu – anders als zu Hochzeiten der Corona-Pandemie. Musik liegt in der Luft. Der Geruch von Weihrauch ebenso. „Ich wünsche frohe und gesegnete Ostern“, schließt Dekan Streckert um 23.16 Uhr und ergänzt schnell: „Draußen gibt es pandemiekonform ein Glas Wein.“

Trotz fortgeschrittener Uhrzeit nehmen viele die Einladung an. Awan Tofik verbringt derweil noch einige Zeit drinnen. Er trägt stolz sein Taufkleid, das er während der Feier bekommen hat. In Gedanken steht er allerdings vermutlich längst in einer anderen Kirche – nämlich in einer auf Sizilien. Dort will Tofik seiner Frau im kommenden Jahr auch kirchlich das Ja-Wort geben.

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