Ihren Lehrern stellt Jenny Oberst in diesem Schuljahr ein gutes Zeugnis aus. „Sie haben uns toll unterstützt und super auf die Prüfungen vorbereitet“, schwärmt die Zehntklässlerin der Realschule Rüppurr. Natürlich habe die landesweite Schulschließung zunächst einmal sehr viel Verunsicherung erzeugt.
Am Ende habe die Fokussierung auf die Hauptfächer sogar positive Effekte gehabt, und mit ihrer Abschlussnote von 1,7 ist die 16-Jährige zufrieden. Die Zusage für eine Ausbildung zur Erzieherin hatte sie bereits im Januar erhalten.
Auch die meisten ihrer Klassenkameraden hätten Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz oder ein berufliches Gymnasium schon vor dem Beginn der Corona-Pandemie verschickt.
Zwei von drei Realschülern machen eine Ausbildung
„Ein Großteil der Zehntklässler weiß schon vor den Halbjahreszeugnissen, was sie nach dem Abschluss machen wollen“, sagt auch der geschäftsführende Karlsruher Realschulrektor Michael Wochner. Seiner Erfahrung nach suchen sich etwa zwei Drittel der Realschüler einen Ausbildungsplatz, und ein Drittel macht noch das Abitur. „
Natürlich gibt es auch Jugendliche, die sich noch nicht so früh entscheiden können und erst in den Sommerferien für einen Ausbildungsplatz bewerben“, weiß der Rektor der Sophie-Scholl-Realschule.
Seiner Ansicht nach waren die Einschränkungen durch die Corona-Krise für die Neuntklässler weitaus größer. So sollte am Tag der landesweiten Schulschließung an der Realschule in Oberreut eine Veranstaltung zur Berufsorientierung über die Bühne gehen. Diese musste aber ebenso abgesagt werden wie zahlreiche betriebliche Praktika.
In kleineren Klassen wurde effizienter gelernt
Auch an der Gutenberg-Werkrealschule in der Weststadt ging der Unterricht für die älteren Jahrgänge in den vergangenen Wochen einigermaßen strukturiert über die Bühne. „Die Hygiene-Vorgaben waren kein Nachteil. In Kleingruppen arbeiten die Jugendlichen konzentrierter, und Inhalte können effizienter vermittelt werden“, sagt Schulleiter Gunter Vogel.
Dass die Abschlussklassen von 2020 Corona-Verlierer werden, glaubt der geschäftsführende Karlsruher Werkrealschulrektor deshalb nicht. „Nur wenige Ausbildungsverträge wurden zu Beginn der Krise gekündigt. Aber das sind Einzelfälle, und mittlerweile hat sich die Situation wieder entspannt“, betont Vogel. Dass nur etwa 15 Prozent der Werkrealschüler nach dem Hauptschulabschluss eine Ausbildung beginnen, hat für den Pädagogen andere Gründe.
„Viele Hauptschüler wissen schlichtweg noch nicht, was sie später einmal machen wollen“, beschreibt der Gutenberg-Rektor das Problem. Deshalb würde ein Großteil seiner Schüler die Entscheidung über den künftigen Werdegang verschieben oder nach dem Abschluss noch ein Berufskolleg besuchen. „Wer wirklich eine Ausbildung machen will, wird aber auch in diesem Jahr eine Lehrstelle finden“; sagt Vogel.
Bei der IHK Karlsruhe gibt es noch 600 unbesetzte Lehrstellen
Denn freie Ausbildungsplätze gibt in Karlsruhe noch zur Genüge. Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) sind derzeit rund 600 unbesetzte Lehrstellen gemeldet, bei der Handwerkskammer liegen ebenfalls noch viele offene Ausschreibungen auf dem Tisch. „Wahrscheinlich werden wir Ende des Jahres etwas weniger Ausbildungsverträge haben als in den Vorjahren“, prognostiziert Wencke Kirchner, Leiterin der Aus- und Weiterbildung bei der IHK.
Allerdings hat es wegen der Corona-Pandemie zahlreiche Verschiebungen gegeben. In der Gastronomie und der Hotelbranche werden weitaus weniger Ausbildungsplätze angeboten als in den Vorjahren. Dafür meldet der Lebensmittelhandel einen höheren Bedarf an. Die begehrten Lehrstellen bei großen Firmen wie Daimler oder Siemens wurden ohnehin schon lange vor dem Beginn der Corona-Krise vergeben. „Da sind die Leute schon längst mit der Organisation von 2021 beschäftigt“, sagt Kirchner.
Ausgefallene Azubi-Börsen bereiten Kammern Sorgen
Was der IHK Sorgen bereitet, sind die zahlreichen abgesagten Messen und Börsen für die Berufsorientierung. Auf diesen Marktplätzen werden Kontakte zwischen Ausbildungsberatern und den künftigen Azubis geknüpft. Zwar versuchte die IHK, die entstandene Lücke mit Online-Angebote zu schließen. Aber zum einen sei der Aufwand für ein virtuelles Orientierungsgespräch für viele Jugendliche zu hoch, so Kirchner. Und zum anderen könne das persönliche Gespräch nicht durch einen digitalen Informationsaustausch ersetzt werden.
Die ausgefallenen Vermittlungsbörsen treiben auch den Verantwortlichen in der Handwerkskammer die Sorgenfalten auf die Stirn. „Es war schon in den vergangenen Jahren schwer, genügend Nachwuchs zu finden“, sagt Kammer-Geschäftsführer Gerd Lutz. Unbesetzte Ausbildungsplätze seien derzeit noch genügend vorhanden, wenn auch nicht in allen Branchen.
Die Leidtragenden der Corona-Krise waren Friseure und Kosmetikbetriebe. Ansonsten kamen die meisten Handwerker einigermaßen unbeschadet durch die ersten vier Monate der Pandemie. „Die Ausbildungsbereitschaft ist vorhanden und deshalb müssen wir in den kommenden Wochen die Werbetrommel schlagen“, sagt Lutz. Der Fachkräftemangel sei schließlich bereits vor dem Beginn der Corona-Krise das drängendste Problem des Handwerks gewesen. Nun dürfe sich die Situation nicht durch Untätigkeit verschärfen.