Für einen Eintrittspreis von 50 Pfennig Filme mit Heinz Rühmann, Hildegard Knef oder die Fußball-Weltmeisterschaft in der Schweiz im Grötzinger Kino gebannt auf Leinwand verfolgen? An einem Freitagabend in der Spätvorstellung?
Was heute, unabhängig davon, dass Filmpaläste aufgrund der Corona-Pandemie noch geschlossen sind, so surreal wirkt, war in den 1950er Jahren im Kino in der ehemaligen Halle des „Ochsen“ möglich.
Vermutlich dürften viele der Kinobesucher damals auf Karl und Luise gehört haben. Zur damaligen Zeit jedenfalls waren dies die häufigsten Vornamen.
170 Seiten zu Grötzingens Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Dies sind nur einige interessante und vergnügliche Anekdoten, die im neuesten Buch der Heimatfreunde Grötzingen nachzulesen sind. „Leben und Arbeiten in Grötzingen in den 50erund 60erJahren“ enthält auf 170 Seiten die Wirtschafts- und Sozialgeschichte Grötzingens von 1945 bis 1973, ehe das Dorf 1974 nach Karlsruhe eingemeindet wurde.
Eine Arbeitsgruppe der Heimatfreunde unter der Leitung von Klaus Horn, der für den Historischen Verein Durlach bereits ein ähnliches Werk koordiniert hat, schaffte es, aus Zeitzeugenberichten, Statistiken von Archiven und aus Fotomaterial verschiedener Quellen ein vielfältiges Buch zu erstellen.
Als Heimatvertriebene und Flüchtlinge kamen
Die Zeitzeugenberichte, unter anderem von Oskar Kumm, Harro Leverkus und Rainer Wedler, schildern die Veränderung in der Industrie, der Landwirtschaft, dem Handel und in den anderen Berufsgruppen. Wer hatte in der Lammgasse, heute im Oberviertel, sein Geschäft? Wer war früher in der Bismarckstraße, der heutigen Niddastraße, ansässig? Wie viele Milchhändler gab es? Und wo waren die Arztpraxen?
Alte Ortspläne werden mit aktuellen verglichen, zudem wird aufgezeigt, welche neuen Baugebiete in den vergangenen Jahrzehnten erschlossen wurden. In den Jahren nach dem Krieg kamen viele Heimatvertriebene und Flüchtlinge nach Grötzingen – auch ihnen und ihrem Wirken ist ein Abschnitt gewidmet.
Zweite Auflage ist schon zu einem Viertel wieder verkauft
Die erste Auflage des Buches, berichtet Klaus Feige, Vorsitzender der Heimatfreunde, sei relativ schnell vergriffen gewesen. Viele hätten das Buch zu Weihnachten verschenkt. Nun wurde noch einmal nachgedruckt, auch von der zweiten Auflage sei bereits ein Viertel verkauft.
Nach Erscheinen des aktuellen Buches haben sich weitere Zeitzeugen gemeldet.Klaus Feige, Vorsitzender der Heimatfreunde Grötzingen
Und die Heimatfreunde planen bereits einen Nachfolgeband mit weiteren Fotos und Erzählungen – zum Teil in Dialekt von Harald Schwer, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins. Ein Thema im neuen Buch wird auch die Umgestaltung der Pfinz sein, die bis 1950 noch durch den Ort floss.
„Nach Erscheinen des aktuellen Buches haben sich weitere Personen gemeldet, die noch zahlreiche Erinnerungen niederschreiben wollen, damit sie der Nachwelt erhalten bleiben“, sagt Feige. Da zurzeit noch andere Pläne Vorrang hätten, werde der Nachfolgeband erst im nächsten Jahr erstellt, wieder unter Federführung von Klaus Horn.
Service
Wer das Buch „Leben und Arbeiten in Grötzingen“ erwerben möchte, kann sich bei Klaus Feige unter Telefon (0721) 481097 oder Harald Schwer, Telefon (0721) 468647, melden.