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Neuinszenierung für Festspiele

Karlsruher Händel-Festspiele: Der „Hercules“ soll spannend wie ein „Tatort“ werden

Wie man Barockopern gewitzt in die Gegenwart verlegt, hat Floris Visser 2017 in Karlsruhe mit „Semele“ gezeigt. Nun inszeniert er für die Händel-Festspiele die Neuproduktion „Hercules“.

Szene aus „Hercules“ bei den Händel-Festspielen Karlsruhe 2022 mit Brandon Cedel (Hercules), Moritz Kallenberg (Hyllus), Annika Stefanie Netthorn (Nurse), Lauren Lodge-Campbell (Iole), James Hall (Lichas), Ann Hallenberg (Dejanira)
Als Krimi aus einem Königshaus will der Regisseur Floris Visser das barocke Werk „Hercules“ bei den Händel-Festspielen Karlsruhe auf die Bühne bringen. Foto: Falk von Traubenberg

Nicht einmal vor dem Bett des US-Präsidenten machen die Paparazzi halt. Alles wird gefilmt und fotografiert und als Breaking News an die Öffentlichkeit gezerrt.

Der mächtigste Mann der Welt hat sich in ein einfaches Mädchen verliebt – eben so wie es in Händels Oper „Semele“ Göttervater Jupiter mit Semele geschieht.

Dieses Werk hatte der Regisseur Floris Visser für die Karlsruher Händel-Festspiele 2017 in die Schaltstelle der Macht verlegt und im perfekt nachgebauten Washingtoner Regierungssitz eine der kurzweiligsten und gewitztesten Inszenierungen der Festspiele realisiert.

Bewährtes Team kehrt für die Händel-Festspiele nach Karlsruhe zurück

Erneut am Badischen Staatstheater tätig wird Visser nun mit dem „Hercules“, im Händel-Werke-Verzeichnis zwei Nummern nach der „Semele“ aufgelistet, ebenfalls auf einem weltlichen Thema basierend und als „New Musical Drama“ angekündigt.

Wieder mit dabei ist sein Ausstatter Gideon Davey, der in „Semele“ den Schlüssellochblick auf den Liebhaber-Präsidenten erlaubte und 2019 in Vissers in jeder Hinsicht fantastischen „Hoffmanns Erzählungen“ Imagination und erlebte Wirklichkeit des Dichters Hoffmann in einem sich wandelnden Einheitsraum zusammenfließen ließ.

Floris Visser hat ein Händchen für theatralisch packende Produktionen

Ästhetisch und souverän, handwerklich brillant und unterhaltsam gehören die Aufführungen mit Vissers punktgenauer Personenregie zu den theatralisch packendsten Karlsruher Produktionen der letzten Jahre.

Mit Sinn für komödiantische Zwischentöne versammelte der 38-jährige Niederländer, ebenfalls 2019, bei „Don Giovanni“ Menschen im Hotel, für das ihm damals Dieuweke van Reij einen Irrgarten aus Zimmern, Gängen und Vorräumen konstruiert hatte.

Nun also „Hercules“, der ebenso wie „Semele“ einst kein Erfolg war. Nachdem er sich mehr als 30 Jahre im Londoner Opernbetrieb aufgerieben hatte, stellte Händel 1741 das Komponieren von Opern ein. Stattdessen erfand er das englischsprachige Oratorium. Große musikalische Dramen im Opernhaus, doch ohne den aufwendigen szenischen Apparat, vor allem ohne teure italienische Gesangsstars.

Jede einzelne Note bei Händel hatte eine dramatische Bedeutung.
Lars Ulrik Mortensen, Dirigent bei „Hercules“

Für den Dirigenten des Karlsruher „Hercules“ Lars Ulrik Mortensen stellt sich die Frage nach einer Unterscheidung von Oper oder Oratorium nicht, „jede einzelne Note bei Händel hatte eine dramatische Bedeutung“. Und jede einzelne Note der insgesamt 71 Nummern wird in der Aufführung gespielt, die „genau so lang sein wird, wie es ein muss“.

„Hercules“, dessen Text auf Sophokles und Ovid basiert, ist ein Seelendrama. Die treibende Kraft ist die sich wahnhaft zuspitzende Eifersucht der Hercules-Gattin Dejanira. In dieser Paradepartie kehrt Ann Hallenberg, eine der prominentesten Protagonistinnen der Barock-Szene, nach Karlsruhe zurück, wo sie im Jahr 2000 in der Titelrolle des „Flavio“ reüssierte.

Ebenfalls sechs Arien hat die erstmals in Deutschland auftretende britisch-australische Sopranistin Lauren Lodge Campbell. Sie ist als die von Hercules aus dem Krieg als Beute oder Geliebte nach Trachis gebrachte Iole die Gegenspielerin von Dejanira.

Den Titelhelden findet der Regisseur „schrecklich“

Der nur mit zwei Arien bedachte „große Abwesende“ Hercules wird von dem amerikanischen Bassbariton Brandon Cedel gesungen. Die Titelfigur findet bei Visser nicht viel Sympathie: „Er ist ein Narzisst, und diese sind zwar großartig für die Zeitungen, doch privat sind sie schrecklich“, so Visser. „Man will nicht wissen, was wirklich hinter geschlossenen Türen passiert“.

Genau das wird wohl die Inszenierung auf der Bühne von Gideon Davey im filmischen Übergang von öffentlichen zu privaten Räumen, vom Gerichtssaal zu den Schlaf- und Wohngemächern bloßlegen.

Ab der Ouvertüre „wird die Geschichte von ihrem Ende her erzählt. Wie verurteilt man eine Königin, die ihren Mann ermordete? Mich interessiert: Wie ist alles passiert?“ Visser verspricht schon mal, dieser „Hercules“ werde spannend wie ein „Tatort“.

Service

Die fünf Vorstellungen am 18., 20., 23., 26. Februar und 1. März sind bereits ausverkauft.

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