Der Mensch ist die Krone der Schöpfung heißt es häufig. Doch ist er nicht nur hier und da dabei, diese Schöpfung zu zerstören, in der biologischen Forschung stellt sich auch mehr und mehr heraus, dass diese Arroganz gar nicht immer zutrifft.
Denn viele Tierarten haben Fähigkeiten, die denen des Menschen überlegen sind: So kann ein Mensch die Sprachen der Tiere nicht verstehen, kann einzelne Krähen nicht voneinander unterscheiden – sie uns dagegen schon. Ein Mensch kann die Frequenzen nicht hören oder fühlen, mit denen ein Elefant sich mit einem anderen verständigen kann.
Die Natur kennt mehr als die fünf menschlichen Sinne.Susanne Schulenburg, kaufmännische Direktorin
Grubenottern sehen etwa Infrarotstrahlung und ein räumliches Wärmebild anderer Tiere und können dabei Temperaturunterschiede von 0,003 Grad wahrnehmen.
Lachse wiederum riechen die feinsten Unterschiede im Wasser von Flüssen und können sich noch nach Jahren an sie erinnern. „Die Natur kennt mehr als die fünf menschlichen Sinne“, sagte die kaufmännische Direktorin des Museums, Susanne Schulenburg
Die neue Sonderausstellung im Staatlichen Naturkundemuseum in Karlsruhe stellt viele solcher Fähigkeiten vor, mit denen sich Tiere von Menschen unterscheiden und bleibt dabei an der fassbaren Oberfläche, die allerdings schon genug zum Staunen und Nachforschen bietet.
„Natürlich hätte man bei jedem Beispiel sehr in die Tiefe gehen können“, sagte Petra Guder von der Kommunikationsabteilung. „Aber es gibt so viel Material, so viele Einzelheiten, dass wir uns auf einen Überblick beschränkt haben.“
Schautafeln, Filme, interaktive Stationen im Karlsruher Naturkundemuseum
Schon allein dieser Überblick bietet mit Schautafeln, Filmen, Präparaten und interaktiven Stationen so viele Anregungen und Impulse, dass man gut ein paar Stunden in der Ausstellung verbringen kann.
Man erfährt etwa, dass Ohren nicht immer am Kopf sitzen oder sichtbar sein müssen: Manche Tiere hören mit Beinen, Flügeln, dem Bauch oder Hinterleib. Heuschrecken etwa haben eine Hörmembran am Vorderbein, Frösche ein außen sitzendes Trommelfell, Fledermäuse bewegliche Ohrmuscheln mit einem Ohrdeckel.
Oder der Tastsinn: Ratten fühlen Objekte mit ihren beweglichen Tasthaaren an der Schnauze und orientieren sich damit auch im Dunklen, Waschbären haben tastempfindliche Vorderpfoten, mit denen sie die Nahrung auch in trübem Wasser oder bei Dunkelheit finden, der Sternmull, ein nordamerikanischer Maulwurf, hat 22 fingerförmige Hautanhänge an der Nase.
Und auch Pflanzen können tasten: Die Venusfliegenfalle schnappt zu, wenn ein Insekt die Fühlborsten an ihren Fangblättern zweimal berührt. Hunde haben zehnmal so viele Riechrezeptoren als der Mensch, weil ihre Riechschleimhaut im hinteren Bereich der Nasenhöhle vielfach gefaltet ist und so eine größere Oberfläche hat.
Das Ergebnis sind 250 Millionen Sinneszellen statt der 25 Millionen des Menschen. So führt die Ausstellung mit frappanten Beispielen und immer leicht verständlich durch die Welt der Sinne, zeigt den Wärmesinn und den Magnetsinn von Vögeln, den Elektrosinn von Haien, den Sinn für die räumliche Lage von Pflanzen, deren Wurzeln stets nach unten und deren Sprossen stets nach oben wachsen.
Neben den vielen Experimentierstationen, an denen man ausprobieren, hören, testen und spielerisch die Sinne der Pflanzen und Tiere erfahren kann, hat die Präsentation noch eine weitere Besonderheit: dass sie in allen Einzelheiten auf Menschen mit Behinderungen ausgerichtet ist, wie es die Kuratorin Constanze Hampp ausdrückt.
Es gibt Filme mit Gebärdensprache, ertastbare Modelle von Tierköpfen wie den Java-Affe mit seiner ausdrucksstarken Mimik. Es gibt ein Leitsystem für Sehschwache und im Begleitprogramm viele Veranstaltungen, die auf diese Personengruppen spezialisiert sind.
„Wir haben viele solcher Besucher“, sagte Hampp, „und wir wollen und müssen mehr auf sie eingehen.“ Wobei viele dieser Modelle auch für andere Besucher die Informationen sehr anschaulich machen.
Und eines wird in der Ausstellung klar: dass Fähigkeiten einfach unterschiedlich sind. Und ob von den Ausstellungsmachern mitbedacht oder nicht – diese Erkenntnis schwingt immer mit.