Von Katja Stieb
Mit Trends ist es ja so eine Sache: Es gibt Leute, die lieben es, ihnen zu folgen, Neues auszuprobieren und finden es auch gar nicht tragisch, wenn sie kurze Zeit später schon wieder Schnee von gestern sind. Und dann gibt es Zeitgenossen, die stemmen sich grundlos gegen Trends, tun sie als lächerlich ab und geben ihnen nur ganz selten und erst nach Ewigkeiten nach.
Ich gehöre zugegebenermaßen zur zweiten Gruppe. Alles, was im Bereich Lifestyle boomt, erregt entweder mein Misstrauen oder ich finde es hochnotpeinlich. Instagram ist so ein Beispiel, oder Standup Paddling und seit einiger Zeit eben auch E-Roller. Diese lautlosen, schnittigen Gefährte, die gleichermaßen umweltfreundlich und kostspielig sind, und die irgendwie sogar Business-Typen im Designer-Anzug ein kindliches Image verleihen.
Doch ganz offensichtlich setzen sie sich langsam durch, diese Scooter, die man auch in Karlsruhe inzwischen einfach über eine App buchen kann. „Voi“ und „Tier“ sind Anbieter in der Fächerstadt, in der inzwischen Hunderte E-Scooter verfügbar sind.
E-Scooter sind schnell fahrbereit - Warnhinweise inklusive
Bei all meinen Vorurteilen gegenüber den modernen Gefährten, muss ich keine Sekunde überlegen, als ich gefragt werde, ob ich einen Selbstversuch unternehmen und darüber schreiben möchte. Letztlich kann man eine Sache schließlich erst beurteilen, wenn man sie ausprobiert hat.
Ich entscheide mich spontan für die App von „Tier“ und installiere sie auf meinem Handy – was in Sekundenschnelle und ohne Schwierigkeiten klappt. Auch die Hinterlegung eines Zahlungsmittels ist unkompliziert: Die Kreditkarte wird gescannt und dann kann es losgehen.
Der Fotograf und ich haben uns – zentraler geht es kaum - am Ludwigsplatz verabredet. Denn so ein „Tier“ steht ja nicht an jeder Ecke. Per GPS können wir auf dem interaktiven Stadtplan genau sehen, wo sich der nächste freie E-Scooter befindet. Und wir haben Glück: Um die Ecke, in der Erbprinzenstraße, lediglich 80 Meter von unserem Standort entfernt, steht Tier No. 254874 auf dem Gehweg und scheint nur auf uns zu warten.
12 Kilometer Reichweite hat der Scooter noch laut App, was für unsere Proberunde locker reichen sollte. Innerhalb einer Minute ist Tier No. 254874 gebucht und angezahlt. Doch bevor man losbrausen kann, gibt die App noch Hinweise zur korrekten Nutzung: Man möge sein „Tier“ bitte verantwortungsbewusst parken, keine öffentlichen Wege blockieren und vor allem auf Fußgänger achten.
Außerdem solle man unbedingt einen Helm tragen. Kurz frage ich mich, was wohl passiert, wenn jemand seinen Helm vergessen hat. Ist das eine Ordnungswidrigkeit? Egal, ich habe meinen dabei und bin zudem stocknüchtern, was die Einhaltung der nächsten Regel, die mir die App ans Herz legt, einfach macht.
„Bitte beende deine Fahrt nicht im gesperrten Bereich, es könnten Gebühren anfallen“ lautet der letzte Hinweis, der mich dazu veranlasst, die interaktive Karte nochmals zu benutzen: Das Abstellen der Scooter im Schlossgarten sowie in der nördlichen Innenstadt sei verboten, erfahre ich. Davon betroffen sind auch die Gebiete rund um die Hochschule für Technik und Wirtschaft und große Teile des KIT.
Alles eine Frage des Straßenbelags: Kopfsteinpflaster entspannt
Jetzt aber kann es endlich losgehen: Mit Schwung stoße ich mich vom Boden ab und die vorsichtige Betätigung des „Gaspedals“ am Lenker zeigt Wirkung. Mein „Tier“ hat ganz schön Power, stelle ich fest, darüber hinaus lässt es sich sehr leicht lenken. Auch das Standbrett des Rollers ist von den Ausmaßen her komfortabel und die Übersicht gut - rund 10 Zentimeter zusätzliche Körpergröße machen doch einiges aus.
Als ich in die Bürgerstraße einbiege, ändert sich der Straßenbelag: Kopfsteinpflaster hat auf einem E-Scooter definitiv eine entspannende Wirkung.
Gut durchgeschüttelt fahre ich die Waldstraße entlang und stelle einen ersten Nachteil fest: Zwischen Fußgängern, Radfahrern, Autos und Lieferwägen auf dem Scooter den Überblick zu behalten, ist nicht ganz einfach und zwingt mich, langsamer zu fahren, als ich gerne möchte. Womit mir nun allerdings klar ist, warum es regelmäßig zu Unfällen in den Innenstädten kommt: Die Tatsache, dass die Roller lautlos sind, birgt ein Risiko, und die Gefährte verleiten eindeutig zum Gas geben.
„Darf man hier überhaupt fahren?“, reißt mich die Stimme des Fotografen aus meinen Gedanken. Gute Frage: Wo ich nicht parken darf, habe ich vorhin gezeigt bekommen, aber wie verhält es sich mit Fahrverbotszonen? Hier hätte man vielleicht vorher gründlicher recherchieren sollen.
An der Kreuzung zur Kaiserstraße steige ich sicherheitshalber mal ab: Hier ist einfach zu viel Betrieb, die Fußgänger laufen kreuz und quer.
Testfahrt mit dem E-Scooter ist ein (teurer) Spaß
Nach einer weiteren Runde, die von einigen Passanten interessiert beobachtet wird, verfestigt sich mein erster Eindruck: Ohne Frage macht das Fahren auf einem „Tier“ Spaß, aber im Trubel der Innenstadt finde ich es eher stressig.
Vielleicht aber braucht es einfach nur Routine, um den Überblick zu behalten. Und ganz sicher sollte man sich vorher gründlich darüber informieren, wo man mit E-Scootern fahren darf und wo nicht.
Ein Knöllchen jedenfalls habe ich für die 22 Minuten auf Tier No. 254874 nicht bekommen. Allerdings eine Rechnung über 4,30 € für meine kleine Tour rund um den Ludwigsplatz. Was mir zugegebenermaßen ein bisschen teuer erscheint: Die Minute auf dem Scooter kostet 15 Cent, die Aktivierungsgebühr beträgt einen Euro. Trotzdem hat mir der kleine Ausflug Spaß gemacht. Und ich gelobe, nicht mehr über die Business-Typen auf E-Scootern schmunzeln.