
Am frühen Morgen und spät in der Nacht sind viele Straßenbahnen nur spärlich besetzt. Um die Lücken zu füllen, will die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) deshalb neue Wege beschreiten und die Personen-Waggons auch für den Warentransport nutzen.
„In jedem Wagen kann man problemlos die Ladungen von zwei Lastenrädern transportieren“, beschreibt Christoph Rentschler von der AVG die Idee. Dann könnten in den Randzeiten bestimmte Warenlieferungen von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Weil die Gleise schon liegen und es die Wagen schon gibt, kann die Vision mit relativ geringem Aufwand verwirklicht werden.
Finanziell gefördert wird das Forschungsprojekt mit dem Namen „RegioKArgoTramTrain“ mit 2,6 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung und 1,3 Millionen Euro vom Land.
Bis 2027 läuft die Förderung, dann soll die erste Bahn Waren aus dem Umland nach Karlsruhe bringen. Am Projekt beteiligt sind außer der AVG noch zahlreiche Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft.
Straßenbahnen transportieren Waren: Wie viel Zeit wird für die Stopps veranschlagt?
Noch gibt es aber viele unbekannte Faktoren. Einer davon ist die Haltezeit an den einzelnen Stationen. Für den Aus- und Zustieg der Fahrgäste werden von den Verkehrsplanern zwischen 20 und 40 Sekunden veranschlagt. „Das funktioniert bei Ladungen nur, wenn das Zu- und Ausladen automatisiert funktioniert“, sagt Rentschler.
Im Rahmen des Projekts sollen deshalb voll automatisierte Lastenradanhänger entwickelt werden. Damit die Roboter reibungslos ein- und ausfahren können, müssen die Bahnen exakt an den vorgegebenen Ladepunkten halten. An den Bahnen selbst sollen nur kleinere Umbauarbeiten, etwa zur Sicherung der Ladungen, erfolgen. „Der Charme des Projekts besteht schließlich darin, dass wir die bestehende Infrastruktur anderweitig nutzen“, betont Projektleiter Rentschler.
Mögliche Nutzer könnten Paketdienstleister sein. „So können größere Paketmengen über längere Strecken transportiert und vor Ort mit Lastenrädern verteilt werden“, sagt Rentschler. Er könne sich auch sehr gut vorstellen, dass Bäcker oder Apotheken die Gütertrams zum Transport von Backwaren oder Arznei nutzen könnten.
Karlsruhe ist für Oberbürgermeister Mentrup idealer Standort für Forschungsprojekt
„Wir haben in der Region einen starken Lieferverkehr. Dem wollen wir mit einem klimafreundlichen Projekt entgegenwirken“, betont der technische AVG-Geschäftsführer Christian Höglmeier. Für Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) ist Karlsruhe mit seinem dichten Liniennetz der ideale Standort für ein derartiges Forschungsprojekt.
Komplett neu ist die Idee allerdings nicht. In London ist ein ähnliches Projekt bereits gescheitert. „Aber es ist wichtig, dass man versucht, neue Entwicklungen auf die Wege zu bringen“, betont Staatssekretär Patrick Rapp (CDU) vom Wirtschaftsministerium bei der Übergabe des Förderschecks.
Innovationen durch Investitionen anzustoßen, sei dabei ein probates Mittel. „Es geht darum, die regionale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und zu verbessern“, so Rapp. Nur dann könne Baden-Württemberg auch künftig seine Vorreiterrolle bei der Entwicklung von neuen Technologien behaupten.
Das Projekt „RegioKArgoTramTrain“ wurde 2021 im Rahmen des Landeswettbewerbs „RegioWIN 2030 – Regionale Wettbewerbsfähigkeit durch Innovation und Nachhaltigkeit“ als eines von landesweit 24 Leuchtturmprojekten prämiert.
Der Wettbewerb ist ein zentraler Baustein der Förderung aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung in Baden-Württemberg in der Förderperiode 2021 bis 2027. Drei der 24 prämierten Leuchtturmprojekte sind Wettbewerbsbeiträge der Technologieregion Karlsruhe.