Skip to main content

Besondere Atmosphäre

„Erkennen Sie Karlsruhe?“: Gesamtkunstwerk und Ruhe-Oase in der Innenstadt

„Erkennen Sie Karlsruhe?“ entführt diesmal in die Baischstraße. Das Sträßchen ist bundesweit bekannt und bei vielen Karlsruhern wegen der Jugendstilhäuser sehr beliebt. Es war aber auch schon Ort eines heftigen Nachbarschaftsstreits.

Baischstraße in Karlsruhe
Wir wollen wie immer wissen, wo das Bild aufgenommen wurde. Motto: „Erkennen Sie Karlsruhe?“. Foto: Stadtarchiv Karlsruhe

Die Begeisterung über diese Straße im Herzen der Stadt ist bei den Teilnehmern an unserer Rätselserie „Erkennen Sie Karlsruhe?“ riesengroß: „Für mich ist das die schönste Straße der Stadt“, schwärmt etwa Claudia Werling-Berenz in ihrer E-Mail an die Redaktion.

Hier fühle sie sich in eine andere Welt, in eine andere Zeit versetzt. „Hier“ – das ist die Baischstraße, ein verstecktes Kleinod. Nah dran an der Innenstadt und doch durch den besonderen Zugang ruhig und abgeschieden.

Die Zufahrt in die Sackgasse erfolgt durch ein imposantes Torgebäude am Kaiserplatz. Das gesamte Ensemble ist das Werk des Karlsruher Architekten Hermann Billing, wie viele Leserinnen und Leser richtigerweise anmerken.

Bernd Strobel aus Rheinstetten-Mörsch erinnert daran, dass der „Vertreter des badischen Jugendstils“ mit dem „Gesamtkunstwerk Baischstraße“ deutschlandweit bekannt wurde. Strobel wuchs in unmittelbarer Nähe auf und lernte die dritte und letzte Ehefrau Billings in den 1950er- und 1960er Jahren persönlich kennen.

Die Baischstraße zeigt er noch heute sämtlichen Besuchern. „Karlsruhe ist eine beneidenswert schöne Stadt“, findet er.

Protest gegen Reithallen erfolgreich

Die Häuser wurden zwischen 1900 und 1903 gebaut. Zuvor war dort ein Lagerplatz für Bauholz und der „Zimmerplatz“ der Schreiner- und Zimmermannsfamilie Helmle.

Wie der Bürgerverein Stadtmitte schreibt, sollten dort für die großherzogliche Verwaltung Reithallen, Ställe und Remisen gebaut werden. Anwohner hatten aber etwas dagegen, weil sie Geruchsbelästigungen befürchteten und legten Protest ein – erfolgreich.

Thomas Denk erinnert sich, dass ihn seine Mutter regelmäßig auf dem Weg nach Hause von der Innenstadt auf die schönen Häuser aufmerksam machte. Eine Freundin seiner Frau wohnte im Haus 4–6, erzählt Heiner Lichti. Prächtige große Wohnungen mit Stuckdecken seien dort.

Die Karlsruher Baischstrasse
So sieht es heute aus in der Baischstraße: Viel hat sich offensichtlich nicht geändert. Erst auf den zweiten Blick erkennt man Unterschiede. Foto: Peter Sandbiller

„Idyllen dieser Art dürften eine Rarität in Karlsruhe sein“, vermutet der Durlacher. Inge Süverkrüp hatte einen Arbeitskollegen, der in der Baischstraße wohnte. Allerdings sei ihm und seiner Frau wiederholt nahegelegt worden, sich wegen ihrer Kinder eine andere Bleibe zu suchen.

Das waren schöne, unvergessliche Zeiten.
Heinz Kühn, Karlsruher

Sein Freund Jürgen, einst wie er Lehrling bei Siemens, wohnte 1954 in einer Bleibe für Jugendliche ohne Familie in der Baischstraße. Daran erinnert sich der Karlsruher Heinz Kühn. Um 21 Uhr sei Zapfenstreich gewesen. „Wer später kam, hatte schlechte Karten!“

Vor Begeisterung konnte es damals aber schon etwas später werden: Jürgen und Heinz besuchten nämlich gerne Veranstaltungen in Tanzschulen. Und danach kam es vor, dass man Damen nach Hause begleitete. „Aber nur bis zur Haustür!“, wie Heinz Kühn versichert. „Das waren schöne, unvergessliche Zeiten!“

Für Erika Morvay war die Straße „der Inbegriff der Ruhe in der Innenstadt“. Als junge Frau war sie oft Gast in der benachbarten „Stephanie“, „einem In-Restaurant zu dieser Zeit“. Dort verkehrten namhafte Künstler, bekannte Architekten und viele nette, und vor allem lustige Leute, erinnert sie sich.

Auch Werner Scholz schwärmt, dass man in der verborgenen Jugendstilstraße den Stadtlärm hinter sich lassen kann. In Helga Kaufmanns Erinnerung hatte die Baischstraße ein Tor zum Abschließen. „Für mich war das daher die Märchenstraße.“

Benannt ist die Straße übrigens nach dem Landschaftsmaler Hermann Baisch, der zwölf Jahre lang bis zu seinem Tod 1894 sehr erfolgreich in Karlsruhe wirkte.

Mit dem Rollator „dorthin gedackelt“

Schon längst wollte sich Renate Böhme mal die Baischstraße ansehen. An einem verregneten Wochenende im September machte sie sich auf den Weg. Samt Rollator sei sie von der Haltestelle Mühlburger Tor „dorthin gedackelt“.

Auch aufgrund der gepflasterten Straße und des Nieselregens sei die Strecke herausfordernd gewesen. Doch die schönen Häuser haben Renate Böhme dann erfreut: „teils goldverbrämt, teils blau gekachelt, mit meist sehr kleinen Vorgärten, aber honorigen Nutzern“.

Wann unser Schwarz-Weiß-Rätselbild aus dem Stadtarchiv aufgenommen wurde, ist nicht bekannt. Die Teilnehmer Stefan Erb und Gerhard Deutsch verweisen auf das Landesdenkmalamt, das die Aufnahme vor 1914 datiere.

Auf jeden Fall zeige es den Zustand vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges. Zielgruppe für die Häuser in der Baischstraße seien „die ersten Familien in der Stadt“ gewesen, schreibt Deutsch.

Streit um Parkplätze

Einige Rätsel-Fans erinnern sich noch konkret an Bewohner, Geschäfte oder Praxen, die in oder in der Nähe des Ensembles ihr Domizil hatten.

Waltraud Noack war beispielsweise öfters in der Augenarztpraxis Kohm links des Tores, Gert Dieter Hohenöcker besuchte in der Straße Mitte der 1970er Jahre nach einem Vortrag in der Christuskirche einen hochrangigen Vertreter der evangelischen Landeskirche, Wolfram Engler den Gymnasialprofessor Müller, seinen Englischlehrer am Abendgymnasium, und Jürgen Stengel Rechtsanwalt Kienzle, der in den 1990er Jahren sein Büro am Ende der Straße hatte.

Georg Jung und Horst Utzni fällt noch der Brennstoffhändler Winschermann am Eingang der Straße ein. Für Utzni war die Baischstraße später ein „Geheimtipp, weil man dort immer einen Parkplatz finden konnte“.

Stichwort Parken: Vor ein paar Jahren erlebte die Straße einen klassischen Nachbarschaftsstreit. Daran erinnern Inge Süverkrüp, Michael Koch und Norbert Mai in ihren Zuschriften an die Redaktion. Ein Anwohner mit mehreren Autos blockierte damit einen Großteil der Parkplätze. Der Streit wurde vor Gericht beigelegt.

Das sind die Gewinner

Gewonnen haben diesmal Claudia Werling-Berenz (DVD „Zurückgespult), Ursula Wells (Buch „75 Schlagzeilen“) und Franz Mittnacht (Buch „Zwischen Geschichte und Natur“).

nach oben Zurück zum Seitenanfang