
Markus Lüpertz steht ein wenig abseits. Er blickt auf die leere Konstruktion in der Wand auf der Südseite der Karlsruher U-Haltestelle Europaplatz.
Es ist die Nacht auf Freitag, kurz vor Mitternacht. In den nächsten Stunden befestigt das Team von Fliesen-Experte Kai Büge das 14. und letzte Werk des Lüpertz-Zyklus „Genesis“, bestehend aus zehn schweren Keramik-Platten. Dann ist die Schöpfung knapp ein Jahr nach ihrer Vollendung komplett im Karlsruher Untergrund angekommen.
„Mich stört dieses ganze Firlefanz, dieses Brimborium außen rum“, kommentiert Lüpertz kopfschüttelnd. Bunte Lichter, die rote Aufschrift „Europaplatz“, vor allem aber die direkt neben dem Kunstwerk angebrachten Infotafeln zu den Stadt- und Straßenbahnlinien sind dem Künstler ein Dorn im Auge.
Acht Jahre von der ersten Idee bis zur fertigen „Schöpfung“
Daraus macht er auch im Gespräch mit Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) keinen Hehl. „Klar, die Tafeln müssen da weg“, stimmt der Rathauschef zu. Die gute Laune soll in dieser Nacht nichts wirklich trüben. Es wird gelacht, gescherzt. Erleichterung liegt in der Luft. Gut acht Jahre sind seit der ersten Idee vergangen.
Vom „Höhepunkt einer langen Odyssee“ spricht Anton Goll, Initiator des Projekts „Kunst erfahren“. Der Stolz ist ihm anzusehen – auch darüber, dass die gut eine Million Euro teure Vision weder am durchaus vorhandenen Widerstand aus der Bevölkerung, noch an der Finanzierung gescheitert ist. Selbst ein Streit mit der Majolika und die daraus resultierende Verlagerung der Arbeit nach Zell am Harmersbach im Schwarzwald hat das Projekt nur verzögert, aber nicht beendet.
20 Tonnen Ton hat Lüpertz für den Zyklus verarbeitet – kriechend und liegend, erklärt der Künstler. „Vorher war mir nicht bewusst, was für ein Kraftakt das wird.“
Vorher war mir nicht bewusst, was für ein Kraftakt das wird.Markus Lüpertz
Für ihn ist er mittlerweile vorbei, für Kai Büge und seine Mitarbeiter aber noch nicht. Mit der Routine von 13 vorherigen Nachtschichten hieven sie eine Platte nach der nächsten an die Wand. Jeder Handgriff sitzt, Überraschungen gibt es keine. „Es läuft wie geplant“, zieht der Chef kurz vor halb Eins eine Zwischenbilanz. Die Hälfte ist zu diesem Zeitpunkt schon geschafft, die fünf unteren Platten sitzen.
Einen großen Teil der Arbeit haben die Fliesen-Profis allerdings schon vorher gemacht. Sie haben die Platten vorbereitet, Kanten begradigt, Risse ausgebessert, teilweise sogar mit Eisen verstärkt. „Sie haben die Werke gerettet“, lobt Lüpertz. Es ist eine Wertschätzung, die auch in die andere Richtung geht.





Mit einem Lächeln im Gesicht zeigt Kai Büge in der Nacht auf seinem Handy Fotos. Es sind einige der anderen „Genesis“-Werke, die sein Team in den vergangenen Monaten aufgehängt hat. Büge schwärmt von den Farben, erklärt die Symbolik. Er gehört zu den wenigen, die alle 14 Schöpfungsteile gesehen haben. Und das wird auch noch einige Tage so bleiben. Die „Genesis“ ist durch weiße Planen verdeckt.
Kunst in der Karlsruher U-Bahn: Hüllen fallen erst Ende April
Am späten 27. April werden die Hüllen voraussichtlich fallen. Einen Tag danach ist ein Festakt in der evangelischen Stadtkirche geplant. Ein „bisschen Herzklopfen“ habe er schon, sagt Markus Lüpertz. Nun müsse sich sein Zyklus schließlich in den U-Haltestellen „behaupten“. Zwei mal vier Meter sind die Werke jeweils groß. Wäre es nur nach dem Künstler gegangen, wären sie noch deutlich größer geworden.
Für mindestens sechs Jahre wird Lüpertz’ 14-teiliger Zyklus im Karlsruher Untergrund bleiben – als Leihgabe von „Kunst erfahren“. Was danach damit passiert, ist offen. Die Werke sind so angebracht, dass sie ohne Schäden wieder entfernt werden können. Aber schaut Lüpertz denn regelmäßig vorbei, ist er Stadtbahn-Nutzer? „Jetzt werde ich es“, sagt er und lacht.