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Doktorfische ziehen ein

Neues Korallenriff für den Nachwuchs im Karlsruher Naturkundemuseum

Auch Fische werden im Alter knurrig. Um die schillernde Belegschaft der Unterwasserwelten im Naturkundemuseum Karlsruhe zu verjüngen, nutzt das Haus jetzt die Gunst der Stunde.

22.12.2020 Staatliches Naturkundemuseum Karlsruhe: Neues Sechseckbecken mit Korallen. Der Leiter des Vivariums, Hannes Kirchhauser, setzt eine Hirschgeweihkoralle ein.
Neuanfang: Ein Korallenriff für junge Schwarmfische entsteht im Sechseckbecken in der Eingangshalle des Westflügels im Naturkundemuseum Karlsruhe. Der Leiter des Vivariums, Hannes Kirchhauser, setzt unter anderem diese Hirschgeweihkoralle ein. Foto: Jörg Donecker

Prächtige Farben, skurrile Formen, faszinierende Tricks der Natur: Die tropischen Unterwasserwelten im Naturkundemuseum Karlsruhe zeigen, was die Evolution so alles kann.

Allerdings gehört dazu ein ewiges Hauen und Stechen. Es geht zur Sache, im XXL-Aquarium im Herzen der Dauerausstellung „Form und Funktion“, in dem die Schwarzspitzen-Riffhaie Kalli und Karla leben, und an den kleineren Riffs in der Schau.

Von Natur aus vergiften Korallen ihre Konkurrenten und walzen über ihre Vorgänger hinweg. Zieht ein neuer Fisch ein und gibt sich unsicher in der Schwarmgemeinschaft, heißt es: beißen oder gebissen werden.

Das wird zum Problem, erklärt Hannes Kirchhauser, der Chef der lebendigen Museumswelt. Einzelne Fischgesellschaften sind nun schon bald 15 Jahre alt. Lauter Methusalems schwimmen da, in schrumpfender Kopfzahl.

Platzhirsche triezen Jungspunde

Je älter, desto unduldsamer sind diese Platzhirsche, berichtet Kirchhauser. Sie triezen Jungspunde dermaßen, dass die Aquarienspezialisten es nicht mit ansehen können. Was aber tun, bevor in alten Riffbecken nur noch machthungrige Viererbanden umherziehen?

Ein Sechseckbecken im Eingangsbereich zur Schau wird jetzt zum Kinder- und Jugendhaus für tropische Schwarmfische. Das Bassin neben dem markanten Riesenglobus war undicht geworden. Den Neuaufbau nutzt Kirchhauser zur Verjüngung des Fischbestands.

2.500 Liter frisches Meerwasser strömen bereits um den Felsturm, der den Ausström-Schacht verbirgt. Den schönsten Korallen aus dem Haifischbecken zwackt der Experte Ableger ab. Alle paar Tage setzt Kirchhauser neue Korallenäste ein. Blaue, rosafarbene und rostrote Exemplare sind schon angewachsen, neu im Spiel ist eine leuchtend grüne Hirschgeweih-Koralle.

Algenfresser kommen zuerst

Algenfresser dürfen zuerst einziehen. Drei Doktorfische und 65 kegelförmige Schnecken aus Indonesien knabbern schon Kieselalgen vom Riff. Ein Schneckentyp sieht aus wie ein sternförmiger Weihnachtskeks.

Rund 60 Fische werden letztlich in dem Bassin leben, auch ein Pärchen Blauwangen-Drückerfische. Die kommen als letzte, betont Kirchhauser: „Die vermöbeln alle Fische, die nach ihnen kommen.“

Die Drückerfische vermöbeln alle Fische, die nach ihnen kommen.
Hannes Kirchhauser, Naturkundemuseum Karlsruhe

Die Karlsruher Abiturienten Nicola Schick und Frederick Weber putzen die großen Glaswände des Sechsecks. Beide absolvieren im Naturkundemuseum ein Bundesfreiwilligenjahr. Die Pandemie hat ihre Pläne durchkreuzt. Schick war in einem Schutzprojekt für Tukane in Costa Rica eingeplant, Weber wollte auf den Seychellen Daten für Meeresforscher sammeln. „Sie sind Aquarianer. Die wissen, wo man anpacken muss“, lobt der Chef des Vivariums, der auch Baden-Württembergs angehende Tierpfleger ausbildet.

Silikon machte vorzeitig schlapp

Dass im Raum vor dem Westflügel 14 Jahre alte Schaubecken undicht werden, ließ Kirchhauser keine Ruhe. Auch zwei Bassins, in denen handgroße Segler, Kuh-Kofferfische, Kaiserfische und Bambushaie sowie die Muräne Maurice leben, hat das Team schon verstärkt. Seinerzeit seien EU-Vorgaben für Zusatzstoffe geändert worden, hat der Experte recherchiert. Der Effekt: Zeitweise wurde mit weniger haltbarem Silikon gearbeitet. Pech für das Museum, aber wenigstens sei nicht mit Lecks an jüngeren Silikonnähten zu rechnen.

Freunde der Unterwasserwelten am Friedrichsplatz müssen sich noch gedulden, zurzeit ist das Haus coronabedingt geschlossen. Per Video kann man aber den Riffhaien zuschauen, wie sie an Deutschlands größtem natürlichen Korallenriff zwischen tropischen Fischen kreisen.

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