
Immer schön aufrecht: Bei einer Segway-Tour durch den Zoo halten es die Teilnehmer am besten wie das Erdmännchen. Das hält mitten im Gehege für die Sippe Wache. Die acht Frauen und Männer haben den Dreh mit Balance und Steuerung raus, als der Zoo-Scout Robert Girvan mit ihnen bei den kleinen Raubtieren vorm Giraffenhaus stoppt.
Auf dem Segway erkunden regelmäßig Frühaufsteher im Karlsruher Zoo, wie Alpakas erwachen und Flamingos frühstücken. Das ungewöhnliche Angebot zieht. Und obwohl die auffallenden Vehikel nicht mehr produziert werden: In Karlsruhe sind sie kein Auslaufmodell.

Ein Elektromotor und zwei dicke Räder an einer Achse: Das ist der Segway, den Beate Huck zum ersten Mal in ihrem Leben erklimmt. Ausgestattet mit Tipps von Jürgen Reiss, dem Chef des Karlsruher Unternehmens Cityseg, wird die silberhaarige Dame schnell warm mit dem Mobil. Von der Erstbegegnung in aller Herrgottsfrühe um 6.30 Uhr am Nordeingang bei der Nancyhalle bis zum Ausrollen um 8.30 Uhr wird ihr Lächeln immer breiter. „Ich hatte wenig Schlaf heute Nacht”, gesteht die unternehmungslustige Frau aus Baden-Baden. Am Ende ist aber alles gut: „Jetzt bin ich ganz entspannt und froh. Ich habe es richtig genossen.”
Gemütlich und mit Abstand unterwegs
Gemütlich geht die erste Runde los, mit Helm und Abstand zum Vordermann. Zwei PS stecken in jedem 14-Zoll-Rad, 100 Mal pro Sekunde melden Sensoren die Position der Füße. Allein der Druck der Sohle lenkt die Fahrt. Ein Drittel der Teilnehmer sind Neulinge, die anderen „Wiederholungstäter”. Das kennt Reiss so, auch die typische anfängliche Skepsis. „Einfach lächeln”, rät er Anfängern, „tun Sie so, als würde es Spaß machen.” Dies ist der einzige Tipp, der rasch und für immer überflüssig wird. Auf Dauer gilt: Beide Hände bleiben am Lenker, beide Füße auf dem Bord. Fotos machen die Begleiter, bei den Robben ebenso wie vor der Elefantenwaage.

Über eine halbhohe Stalltür strecken die Alpakas ihre Plüschköpfe. Ihre Kulleraugen folgen den surrenden Elektromobilen. Naturgemäß hört Reiss nur ungern Kritik am Segway, vor allem, wenn sie spöttisch ausfällt. Dass der letzte Firmenbesitzer 2010 mit einem Segway-Prototypen über eine Klippe in den Tod stürzte, dass die Produktion der Fahrzeuge seit Juni 2020 für beendet erklärt ist: Das schmälere nicht die Freude seiner Kunden an den geführten Touren in Karlsruhe, Baden-Baden und dem weiteren Umland, sagt der Karlsruher.
Mit der Early-Bird-Tour per Segway durch den Zoo und den Stadtgarten ist Karlsruhe bundesweit konkurrenzlos. An sommerheißen Tagen ist sie ein spritziges kleines Abenteuer. Denn die städtischen Gärtner lassen künstliche Wasserfontänen aufs Grün rauschen. Dazwischen kurvt die Gruppe in Begleitung von Annika Klöpfer vom Cityseg-Team vor das Exotenhaus.

Locker erzählt der Scout Girvan dort und andernorts mit mild schottischem Akzent viel Wissenswertes über die Anlage und ihre tierischen Bewohner. Zu den Schimpansen hält die rollende Truppe größtmöglichen Abstand. Imponierend baut sich der ranghöchste Menschenaffe im Zoo dennoch auf. „Benny fühlt sich herausgefordert”, erklärt Girvan.
Tierische Begegnungen überall
Mehrere Runden drehen die Segway-Fahrer durch die Anlage, während Tierpfleger vor den Ställen die Besen schwingen und den Kaninchen Salat und Karotten servieren. Brav trotten zwei Esel an der Hand ihrer Führungskraft der elektromobilen Schar entgegen. Die Tiere sind auf dem Weg von ihrem Nachtquartier auf einem Wiesenstück in den Streichelzoo. Die Giraffen recken die Hälse. Wäre Platz da, würden sie angaloppieren. Die Emus mögen die Segways nicht, ein Eisbär kommt aber gucken.

Die Steigung bei der Kunst-Arktis ist kein Problem. „Segways kippen nicht. Wir fahren darauf auch durch Weinberge”, erklärt Reiss. Seine 31 Exemplare halte er trotz Produktionsstopp fit: „Notfalls kann ich ein Poolfahrzeug als Ersatzteillager ausschlachten.” Vorerst kümmert sich der Karlsruher Tourenspezialist darum, dass sein touristisches Angebot nach der Zwangspause wieder in Schwung kommt. Die Corona-Vorsichtsmaßnahmen sind erfüllt, Griffe und Helme wurden schon immer desinfiziert.
Schon Zwölfjährige dürfen aufsteigen
Bei der Zoo-Tour kommen besonders Familien gut zum Zug. Weil es nicht über öffentliche Straßen geht, dürfen da schon Zwölfjährige aufsteigen und losrollen. Sonst liegt die Altersgrenze bei 14 Jahren. Für Freddy Huck passt alles. „Dieses Licht”, schwärmt er in den ersten wärmenden Strahlen der Sonne. Der Mann fährt gern Ski und Motorrad und genießt den Segway einfach: „Ich musste mich nur in den ersten 30 Minuten konzentrieren.”
Cordula Schieser aus Kuppenheim freut sich auf die nächste Tour. Sie bedauert nur, dass sie das Tagesticket für den Zoo nicht nutzen kann, das jeder Teilnehmer der Morgentau-Runde bekommt: „Schade, aber ich muss jetzt zur Arbeit.”