Von Matthias Grünewald und Hieronymus Bosch über Max Ernst und Salvator Dalí bis zu John Sanborn: Bis in die Gegenwart gibt es Künstler, die die „Versuchung des Heiligen Antonius“ thematisierten, seine Qualen und Peinigungen darstellten.
Auch in Literatur und Musik war das Motiv immer wieder aktuell – bis zu Sanborn, der mit seiner 35-minütigen Medienoper ein psychedelisches Nebeneinander aus Formen, Farben und Menschen kreiert, angesichts dessen man mit einem der Protagonisten fragen will, woher er seine Ideen bekommt.
Medienkunst im allgemeinen Bewusstsein
Die 2016 zusammen mit Dorian Wallace geschriebene dreiteilige Videoarbeit wird passend zur Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen im Rathausfoyer gezeigt. Sie ist eines von insgesamt fünf Kunstwerken, die in Karlsruhe parallel zu den Schlosslichtspielen die Medienkunst erneut in den öffentlichen Raum und damit ins Bewusstsein seiner Bewohner bringen.
Auch den „Handshake“ könnte man in Zusammenhang mit der Vollversammlung als Länder, Nationen und Religionen übergreifende Geste verstehen. Die Gruppe AATB (Andrea Anner und Thibault Brevet) verwandelt damit den Triangel Open Space am Kronenplatz zum interaktiven Schauplatz der Medienkunst. Denn über eine App können (virtuelle) Besucher überall dem ebenfalls virtuellen Nachbarn mit zwei überdimensionierten Roboterhänden real die Hand schütteln.
Deutlich wird insbesondere bei dieser Arbeit, dass Medienkunst nichts Abgehobenes, der Realität Entrücktes ist, sondern (in diesem Fall) alltägliche Gesten, deren Selbstverständlichkeit uns in Fleisch und Blut übergegangen sind, zum weltumspannenden Ereignis gemacht werden.
Schüttelnde Hände
Im dem Triangel Open Space zugehörigen Café zieht die ukrainische Künstlerin Alina Bukina mit „One Line Series“ eine sich windende, schlängelnde Linie durch den Raum und setzt damit ein Zeichen für menschliche Verbindungen, respektive für solche mit demokratischen Vorzeichen.
Füße an der Fassade
Der „Footprint“ von Jonas Denzel, der ab Ende August im Regierungspräsidium am Rondellplatz zu erleben ist, bezieht sich insbesondere auf den ökologischen Fußabdruck. Denzel verfremdet durch Computeraufnahmen das live aufgenommene Bild der Besucherfüße, die an der Glasfassade vorübergehen oder vor seinem Werk stehen bleiben und abstrahiert auf einem Monitor gezeigt werden. Ästhetisch weist der „Footprint“ ebenfalls auf die Bedrohtheit der Artenvielfalt durch den Menschen hin.
Benoît Maubrey, der mit seiner großen Soundskulptur „Temple“ vor einigen Jahren den Vorplatz des ZKM bespielte, nimmt sich anlässlich der Corona-Pandemie die Wiener Pestsäule von 1639 zum Vorbild.
Allerdings ist die Karlsruher Version aus Lautsprechern und IT-Schrott nachgebildet – der dennoch funktioniert: Mit „Streamers“ realisierte der US-amerikanische Künstler eine interaktive Sound-Installation, bei der der Betrachter per Telefon Nachrichten auf den Platz kommunizieren und damit zum Klang der Stadt beitragen kann. Im besten Fall natürlich mit einem Statement zum aktuellen Pandemie-Geschehen.
Farbenspiel auch per App
Seitdem Karlsruhe 2019 zur Unesco City of Media Arts ernannt wurde, gehört es zu den Zielen der Stadt, Medienkunst auch im Stadtraum erfahr- und erlebbar zu machen. So versteht sich diese die Schlosslichtspiele begleitende Ausstellung „Medienkunst ist hier“, innerhalb derer auch Markt- und Rondellplatz und die Volkswohnung im Wortsinn in anderem Licht erscheinen.
Auch das städtische Reallabor „Platz für Mehr“ kann mit seiner aktuellen Aktion „Color the World“ darunter subsummiert werden. Denn ab 1. September wird zwei Monate lang die Karlstraße mit einem Farbenspiel beleuchtet werden, dessen Farbigkeit alle jene, die die zugehörige App installiert haben, steuern können. Und seit August schon wird jenseits des Adenauerrings im Hardtwald eine Fläche durch Studierende der HfG bespielt, die wiederum über eine eigene Webseite an die Stadt angekoppelt ist.
Stadt und Land, Urbanität und Natur werden spielerisch miteinander verbunden und verdeutlichen eindrücklich, dass das eine ohne das andere nicht existieren kann. Medienkunst, das wird bei allen diesjährigen Objekten und Installationen deutlich, ist oft spielerisch und bunt, in jedem Fall greifbar und hat – zumindest in Karlsruhe – einen dezidierten Gegenwartsbezug, nicht nur über die verwendeten Materialien zur Umsetzung der Idee, sondern auch über den Inhalt, der so aufbereitet ist, dass der Betrachter oft zum aktiven Bestandteil des Kunstwerks wird.
Service
Am Samstag, 3. September, beginnen die Schlosslichtspiele um 20:45 Uhr mit einem Auftritt des Karlsruher Kinder- und Jugendchores Cantus Juvenum live vor dem Schloss. Die Kinder spielen und singen auch im Werk „Ode. Im Lauf der Zeit“ von Detlef Heusinger und dem SWR Experimentalstudio.