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Erwartungen an die Regierung

EnBW-Chef Mastiaux: „Eine rein erneuerbare Energieversorgung trägt das System auf Sicht nicht“

Damit die Energiewende funktionieren kann, müssen bürokratische Hürden sinken – das hat EnBW-Chef Mastiaux lange gefordert. Die neue Bundesregierung verspricht genau das. Aus Sicht des Managers müssen nun auch klare Ansagen und Taten folgen.

Frank Mastiaux, Vorstandsvorsitzender beim Energiekonzern EnBW, spricht bei einer Hauptversammlung.
Frank Mastiaux erwartet von der deutschen Politik deutliche Signale zur Umsetzung der Energiewende. Foto: Uwe Anspach/dpa

Im September hört Frank Mastiaux als Chef des Energieversorgers EnBW auf. Er hat den Karlsruher Konzern von Atomstrom auf erneuerbare Energien umgemodelt und dabei nicht mit Kritik an bürokratischen Prozessen in Deutschland gespart.

Was er nun von den neuen Regierungen in Bund und Land erwartet, verrät der Vorstandsvorsitzende im Interview.

So sagt Mastiaux: „Eine rein erneuerbare Energieversorgung trägt das System auf Sicht nicht.“

Herr Mastiaux, zum Start eine typische Frage aus einem Mitarbeitergespräch: Wo sehen Sie sich heute in einem Jahr?
Mastiaux

Ich habe für die Zeit nach EnBW noch keine konkreten Pläne gemacht. Ich möchte damit warten, bis ich meine Verantwortung ordentlich übergeben habe. Bis dahin möchte ich meine Aufgabe uneingeschränkt und ohne Ablenkung ausfüllen.

Wann ist denn klar, an wen Sie übergeben?
Mastiaux

Dazu kann ich nichts sagen, denn der Nachfolgeprozess wird ausschließlich vom Aufsichtsrat und dessen Personalausschuss geführt. Wenn es gut läuft, wird man ausreichend Zeit für eine gute Übergabe an die Nachfolgerin oder den Nachfolger haben.

Und welche größeren Projekte stehen bis dahin auf der Agenda?
Mastiaux

Als Unternehmen befinden wir uns in einer Wachstumsphase, inzwischen im fünften Jahr in Folge. Das wollen wir fortsetzen. Es gibt zum einen große Projekte, die uns im neuen Jahr beschäftigen, zum Beispiel im Bereich der Erneuerbaren, des Netzausbaus und bei der E-Mobilität. Der zweite Punkt ist die Pandemie. Wir wollen uns weiterhin so aufstellen, dass maximaler Gesundheitsschutz für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem guten Service für unsere Kundinnen und Kunden einhergehen.

Der dritte Punkt ist die Umfeld-Dynamik. Für uns seit Jahren strategisch wichtige Schwerpunkte wie erneuerbare Energien, Netzausbau, E-Mobilität und Nachhaltigkeit haben durch die jüngsten Entwicklungen auf den Märkten und vor allem in der Politik zusätzlichen Schwung bekommen: in Deutschland durch eine neue Regierung, in der EU durch die Green Agenda, nicht zuletzt durch das COP-Meeting in Glasgow. Wir werden uns anschauen, was das an neuen Möglichkeiten für uns bedeutet.

Sie haben immer kritisiert, dass die Prozesse etwa zum Bau von Windkraftanlagen zu lange dauern. Die neuen Regierungen in Land und im Bund kündigen nun mehr Tempo an. Glauben Sie, dass das klappt?
Mastiaux

Ich freue mich natürlich, dass dieses wichtige Thema aufgenommen wurde. Ich habe den Punkt immer aus der Perspektive eines Unternehmens gemacht, das etwas umsetzen möchte. Wir können Windparks, Solaranlagen und Ähnliches bauen und in Betrieb nehmen, aber wir brauchen dafür auch die praktischen Möglichkeiten. Im neuen Koalitionsvertrag steht explizit, dass diese Agenda in Deutschland beschleunigt und in der Geschwindigkeit mindestens verdoppelt werden soll. Das ist ein sehr klares Commitment und in gewisser Weise auch eine Selbstverpflichtung der Politik.

Wie schnell müsste das denn umgesetzt werden?
Mastiaux

Eine solche Agenda ist anspruchsvoll und ein komplexer Prozess, mit dem man am besten sofort beginnen sollte: Einbindung von verschiedenen Verfahrensbeteiligten, Methodik, Digitalisierung, die Frage der Rechtsprechung, des juristischen Rahmens, die Beteiligung der Bürger. Das ist eine Vielzahl von Faktoren, die man gleichzeitig und koordiniert anpacken muss. Ich halte das für technisch sehr wohl machbar, aber im Prozessmanagement eben sehr anspruchsvoll. Aber wenn man sich in der Politik so deutlich positioniert hat, sollte man ein klares Signal an alle geben und sagen: Es wird erwartet, dass alle aktiv und konsequent mitziehen.

Bei der Energiewende spielt ja auch das Wetter eine Rolle. 2021 gab es viele Meldungen über schlechte Windverhältnisse und Sonnenmangel. Wir waren auf Kohle und Atomstrom angewiesen. Wie ehrlich müssen wir uns in Sachen Energiewende machen?
Mastiaux

Bei den meteorologischen Verhältnissen wird man ein bisschen wie ein Landwirt arbeiten müssen. Die „Ehrlichmachung“, um es mal so zu nennen, ist dann schlichtweg das Eingeständnis, dass man eben nicht 24/7 mit erneuerbaren Energien einen Versorgungsstandard liefern kann, den man heute mit konventionellen Anlagen garantieren kann. Eine rein erneuerbare Energieversorgung trägt das System auf Sicht nicht. Zumindest technisch gesehen ist es nicht so verlässlich, dass es ohne Unterstützung auskommt: nämlich ein sehr gut ausgebautes Stromnetz und leistungsfähige Reserven, die bei fehlendem Wind und fehlender Sonne einspringen. Wir werden auch in den nächsten Jahren solche Back-up-Kapazitäten in Form von Gaskraftwerken brauchen, die man später problemlos zum Beispiel auf klimaneutralen Wasserstoff umrüsten kann.

Glauben Sie, dass da auch die Bürger mitziehen? Im Landkreis Ludwigsburg gibt es Streit um eine Klärschlammverwertungsanlage. Wenn man mit den Folgen der Energiewende unmittelbar vor der Haustür konfrontiert wird, finden das viele nicht mehr so richtig cool.
Mastiaux

Bei Umfragen in der Bevölkerung zum Thema Energiewende bekommt man ein mehr oder minder einheitliches Echo: Ja, wir verstehen das. Wir tragen das mit. Und wenn dann der Lkw anrückt mit der Windturbine, realisieren die Leute, dass es nicht weit weg, sondern vor ihrer Haustür passiert. Ich glaube, dann ist Widerstand bei manchen zunächst einmal ein natürlicher Reflex. Inwieweit man dies einfangen kann, weiß ich nicht, man muss es aber versuchen. Dazu gehört vor allem stete und gute Kommunikation, was die Notwendigkeiten der Energiewende sind. Es ist bei der Energiewende eben nicht damit getan, irgendwo in der entfernten Ostsee oder Nordsee Windanlagen zu bauen, sondern Windkraft werden wir onshore an vielen Stellen brauchen.

Das von Ihnen genannte Klärschlammheizkraftwerk ist da ein interessantes Thema. Es ist nämlich eine kommunale Aufgabe, Klärschlamm zu entsorgen. Und es ist unausweichlich, den Klärschlamm in der Region zu entsorgen. Wir stehen mit unseren Experten zur Verfügung. Aber wenn die EnBW eine solche Anlage nicht baut, dann wird es jemand anderes tun müssen.

Wie viel Zeit kann man sich denn beim Thema Bürgerbeteiligung lassen, gerade mit Blick auf den Klimawandel? Wann müsste die Politik sagen, jetzt ist Schluss mit reden, jetzt wird umgesetzt?
Mastiaux

Wir gehen bei EnBW bei Projekten immer von einem fixen Ziel aus, was bis wann erreicht werden soll. Dann muss man rückwärts rechnen, wie weit man wann mit welchem Verfahrensschritt sein muss. Ich glaube, diesen Rahmen muss man in Deutschland ebenfalls nochmal festmachen. Es gibt ein Gesamtkonzept, wir bauen für das Land gerade die Energieversorgung um. Und wir leben in einer Demokratie und wollen, dass die Bürger mitmachen. Aber das muss in einem bestimmten Zeitraum passieren. Ich wüsste keinen anderen Weg. Ansonsten wird man das Ziel verfehlen. Wenn die Politik selbst sagt, diese Ziele sind verbindlich, dann braucht es auch Mechanismen, dass sie eingehalten werden.

Was die Verbraucher im Moment spüren, sind hohe Energiepreise. Wagen Sie Prognosen, was im neuen Jahr auf die Menschen zukommt?
Mastiaux

Das Energiegeschäft - und wir machen das ja nun alle schon ein paar Jahre - ist nicht 100 Prozent vorhersagbar. Da gibt es immer Entwicklungen, die man so nicht von Anfang an auf dem Schirm hat. Vergangenes Jahr kamen zum Beispiel mehrere Effekte zusammen, die zu einem deutlich höheren Energiepreisniveau geführt haben. Der wesentliche Grund war, dass die Nachfrage nach dem Lockdown höher war als gedacht, auch durch den Nachholeffekt. Marktteilnehmer sind ein bisschen auf Sicht gefahren und auf einmal ist der Bedarf, übrigens ja nicht nur allein im Energiesektor, enorm nach oben gegangen.

Ob sich das in diesem Jahr so fortsetzt, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich sehe, dass jetzt als Gegenreaktion im Markt sehr viel getan wird, um Energie bereitzustellen. Und jetzt wird man abwarten müssen, wie sich die Nachfrage und in der Folge die Preise weiterentwickeln.

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