Ein Jahr lang hat ein Schreiber an der Rolle gesessen und sie Buchstabe für Buchstabe kopiert, mit Feder und Tinte. 304.805 Buchstaben hat die Thora, jeder einzelne ist wichtig, und wenn ein Buchstabe beim Abschreiben fehlt, ist sie nicht koscher und unbrauchbar.
Die Thora, deren Inhalt sich in den fünf ersten Bücher der Bibel wiederfindet, nimmt im Judentum einen wichtigen Platz ein, an jedem Wochenende wird ein Abschnitt daraus vorgelesen. Ein heiliges Buch mit den 613 religiösen Pflichten im Judentum.
Entsprechend groß wurde die Fertigstellung der Thora-Rolle für die jüdische Chabad-Gemeinde Karlsruhe gefeiert, mit Essen und Trinken und viel Gesang und natürlich vielen Reden. Rabbiner und Gäste aus New York, Israel und ganz Deutschland waren gekommen.
Die Kinder, die natürlich dabei sein mussten, bekamen Süßigkeiten, manche trugen eine golden glitzernde kleine Krone – es war ein großes Ereignis und ein Fest, laut und lebendig. Dazu sang der chassidische, israelische Pop-Sänger Yishai Lapidot, und einige sangen mit.
Viele Männer warteten in der Reihe
Viele Männer standen in der Reihe, um mit der Hilfe des Schreibers die letzten Buchstaben auf die Rolle zu schreiben, bevor der Festakt begann.
Die letzten waren Generalbundesanwalt Peter Frank, Oberbürgermeister Frank Mentrup und der Straßburger Oberrabbiner Shmuel Akiva Schlesinger, der den allerletzten Buchstaben eintragen durfte. Gewidmet war die Rolle dem Andenken an den 2021 in Tel Aviv verstorbenen Rabbiner Yechezkel Hakohen Reichman, den Schwiegervater des Rabbiners der Chabad-Gemeinde Mordechai Mendelson. Und gleichzeitig feiert die Chabad-Gemeinde ihr zwanzigjähriges Bestehen.
Die Festreden bezogen sich schön aufeinander: Rabbi Mendelson erzählte die Geschichte eines Öltankers, dessen Kapitän vor sich ein Licht sah. Nun muss auf See das kleinere Schiff dem größeren ausweichen, das Licht aber blieb fest, der Tanker steuerte direkt darauf zu. Bis man merkte, dass es ein Leuchtturm war.
So ein Leuchtturm sei die Thora, das Gesetzbuch der Juden: „Egal, ob du ein riesiger Öltanker bist, du musst zur Seite.“ Es liegt aber an den Menschen, wie sie sich verhalten: „Gott zwingt niemanden, ihm zu folgen.“ Der Generalbundesanwalt zog interpretativ Parallelen zu seinen juristischen Aufgaben: So wie die Torah den Gläubigen einen Rahmen und damit Halt gibt, geben die weltlichen Gesetze ein Fundament und ein Dach für ein Haus mit vielen Zimmern.
Dank für Beteiligung an der Stadtgemeinschaft
Und OB Mentrup lobte an der Chabad-Gemeinde, dass sie den Mut hat, Chanukka und Sukkot, Lichterfest und Laubhüttenfest, öffentlich zu feiern. Er freute sich, dass die jüdischen Gemeinden sich an der Stadtgesellschaft beteiligen, das gegenseitige Vertrauen eine schöne Vielfalt hervorbringt und manchmal Lösungen, die zwar nicht vom Leuchtturm kommen, aber dennoch vielleicht in dem Moment richtig sind.
Mit weiteren Reden, Essen, Musik und einem feierlichen Zug vom Schloss zum Zentrum der Chabad-Gemeinde ging der Festtag zu Ende.