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Teilweise Umbenennung gefordert

Adenauer, Stauffenberg und Co: Karlsruher Jusos kritisieren Straßennamen

Mohrengasse, Treitschkestraße, Am Zigeunerschlag: Die Debatte um die Umbenennung von Straßen ist nicht neu. Die Karlsruher Jusos drehen das Rad bei einer Kunstaktion nun weiter und setzen auch vermeintlich untadelige Menschen auf ihre rote Liste der Straßennamenspaten.

Adenauerring
Dunkle Vergangenheit? Die Karlsruher Jusos wollen am Sonntag mit einer Kunstaktion zur Umbenennung von Straßennamen unter anderem ein Hinweisschild am Adenauerring anbringen. Foto: Jörg Donecker

Die Treitschkestraße in der Südstadt ist den Karlsruher Jusos ein Dorn im Auge. Und ebenso die Lüderitzstraße, der Adenauerring, die Jahnstraße und der Indianerbrunnen. Dabei stören sich die Vertreter von der SPD-Jugendorganisation nicht an den Straßen. Sondern an den Namen. Oder genauer gesagt: an den Namenspaten.

„Straßen dürfen nicht den Namen von Antisemiten oder Kolonialisten tragen“, sagt der Karlsruher Juso-Sprecher Keno Bültena. Hermann von Treitschke etwa habe mit seinen Publikationen den Antisemitismus in der Kaiserzeit gesellschaftsfähig gemacht, Adolf Lüderitz den Kolonialismus in Afrika vorangetrieben.

Am Sonntag wollen die Jusos deshalb ein Zeichen setzen und bei einer Kunstaktion im Rahmen des Projekts „Kein Denkmal für …“ zwölf Straßenschilder verhüllen. Hinter der Aktion steckt eine politische Forderung: Die Stadt Karlsruhe solle fünf Straßen und den Indianerbrunnen umbenennen und an sechs weiteren Straßen Schilder mit Erläuterungen zur Einordnung der Namenspaten anbringen lassen.

Karlsruhe diskutiert schon lange über Umbenennung bestimmter Straßen

Die Forderung nach der Umbenennung von Straßennamen ist nicht neu. Seit Jahren wird in Karlsruhe über mögliche neue Namen für die Treitschkestraße oder die Kriegsstraße diskutiert.

Auch in anderen Städten gibt es regelmäßige Debatten über Straßen, die nach Menschen mit einer zweifelhaften politischen Vergangenheit oder nicht mehr zeitgemäßen Begriffen benannt sind. Nicht immer sind solche Vorstöße von Erfolg gekrönt. In Berlin wurde die Lüderitzstraße bereits umbenannt, in anderen Städten trägt sie trotz entsprechender Anträge noch ihren Namen.

Dann müsste man an jeder Straße in Karlsruhe ein Hinweisschild anbringen.
Parsa Marvi, SPD-Vorsitzender Karlsruhe

Und in der Region schlagen die Debatten um die Ettlinger Mohrenstraße und die Eggensteiner Straße Am Zigeunerschlag, die umbenannt werden soll, wegen der rassistischen Worte in den Straßennahmen hohe Wellen.

Auf diesen Zug möchten die Jusos mit ihrer Forderung nach einen neuen Namen für den Indianerbrunnen, nämlich Brunnen am Werderplatz, auch aufspringen. Indianer gehört für Bültena nämlich ebenso wie Mohr, Zigeuner oder das N-Wort auf dem Index.

Jusos schlagen neue Namen für Karlsruher Straßen und Brunnen vor

„Uns ist klar, dass die Umbenennung einer Straße vor allem wegen der Adressänderung für die Anwohner ein gewaltiger bürokratischer Akt ist“, sagt Bültena. Trotzdem wollen sich die Jusos nicht alleine mit möglichen Hinweisschildern zur Einordnung der Namenspaten in den heutigen Kontext zufriedengeben, sondern ein sichtbares Zeichen setzen.

Konkret fordern die Jusos die Umbenennung von Lüderitzstraße in Hanna-Nagel-Straße, Wißmannstraße in Lucy-Lameck-Straße, Treitschkestraße in Elisabeth-Selbert-Straße, Fritz-Haber-Straße in Clara-Immerwahr-Straße und des Indianerbrunnens in den Brunnen am Werderplatz.

Außerdem sollen an Adenauerring, Theodor-Rehbock-Straße, Graf-Stauffenberg-Straße, Wilhelm-Schwabe-Straße, Jahnstraße und Virchowstraße Hinweisschilder mit Erläuterungen zu den Namenspaten angebracht werden.

Solche Hinweisschilder mit kritischen Anmerkungen zu den Namenspaten sind auch für den Karlsruher SPD-Vorsitzenden Parsa Marvi der richtige Weg zur Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit. Neue Straßennamen zu vergeben sieht Marvi aber kritisch.

Nennung von Wilmar Schwabe stößt auf Verwunderung

Doch was haben eigentlich der ehemalige Bundeskanzler Konrad Adenauer, der Unternehmer Wilmar Schwabe und Turnvater Jahn verbrochen? Adenauer war von 1931 bis 1933 Vizepräsident der Deutschen Kolonialgesellschaft und habe als Bundeskanzler ehemaligen NS-Funktionären einflussreiche Regierungsämter verschafft, argumentieren die Jusos.

Friedrich Ludwig Jahn habe als bekennender Nationalist rassistische und antijüdische Ansichten verbreitet und Wilmar Schwabe war einer der Mitbegründer der Homöopathie. Homöopathische Arzneimittel wirkten nicht über den Placebo-Effekt hinaus und auch darüber wollen die Jusos die Öffentlichkeit informieren.

Nach Marvis Einschätzung schießt der parteieigene Nachwuchs damit aber übers Ziel hinaus. „Das mag vielleicht kreativ sein“, so der SPD-Chef. „Aber dann müsste man an jeder Straße in Karlsruhe ein Hinweisschild anbringen.“

Auch bei der Schwabe-Gruppe stößt die Nennung des Firmengründers in diesem Kontext auf Verwunderung. „Aber wir befürworten politisches Engagement und laden die Jusos gerne ein, um diese Thematik mit uns persönlich zu besprechen“, teilt Pressesprecherin Uta Wanner auf Anfrage der BNN mit.

Der Stadtname steht für die Jusos übrigens nicht zur Debatte. „Wir haben aber auch koloniale Vergangenheit vom Stadtgründer Markgraf Karl Wilhelm untersucht“, so Bültena. Anstößiges wurde dabei nichts gefunden. Und dass der Markgraf im Barockschloss ein Serail mit zahlreichen Tulpenmädchen betrieb, sei für den sozialistischen Nachwuchs kein Grund für einen öffentlichen Aufschrei.

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