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Frauen fordern Veränderung

Demonstration und Diskussion bei Bundeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten in Karlsruhe

Es ist ein Treffen der starken Frauen: Gemeinsam ziehen sie lautstark vom Karlsruher Marktplatz in Richtung Norden. Plakate und Transparente verkünden Forderungen wie „Frauenarmut bekämpfen“ und „Weg mit der Rentenlücke“.

Eine Gruppe Frauen demonstrieren mit Schildern auf dem Platz der Grundrechte
Mit Megafon und Schildern marschierten die rund 400 Gleichstellungsbeauftragten aus ganz Deutschland vom Karlsruher Marktplatz über den Platz der Grundrechte hin zum Bundesverfassungsgericht. Foto: Donecker

„Wir brauchen mehr Frauen in den Parlamenten“, ruft die Karlsruher Gleichstellungsbeauftragte Annette Niesyto in ein großes Megafon. Ihre rund 400 Begleiterinnen jubeln und klatschen. Sie wollen die Forderungen sichtbar machen, die sie teilweise schon seit Jahrzehnten stellen, allerdings mit mäßigem Erfolg.

Um Strategien zu entwickeln, wie sie dem entgegenwirken können, sind die Gleichstellungsbeauftragten aus ganz Deutschland in die Fächerstadt gereist. Drei Tage lang diskutieren sie in der Messe Karlsruhe und stärken sich gegenseitig.

Dass das notwendig ist, bekräftigt Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), als sie die 25. Bundeskonferenz der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten eröffnet.

„Wenn man als ,Nervbacke‘ der Kommune verstanden wird, dann ist es gut, wenn es Konferenzen gibt, bei denen sich Gleichgesinnte gegenseitig stark machen“, so Giffey. Denn auch wenn die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten nicht von allen Bürgern gern gesehen werde, ist sie der Ministerin zufolge immer noch notwendig.

„Der Satz ,Männer und Frauen sind gleichberechtigt‘ steht zwar in unserer Verfassung, aber er ist noch lange nicht überall selbstverständlich“, stellt Giffey fest.

Demonstration vor dem Bundesverfassungsgericht

Aus diesem Grund war für die Teilnehmerinnen klar, dass sie nach dem Konferenztag am Montag gemeinsam mit der Straßenbahn in die Innenstadt fahren. „Das Verfassungsgericht ist der beste Ort, um für die von der Verfassung garantierte Gleichstellung zu demonstrieren“, erläutert Pressereferentin Anke Spiess.

Währenddessen bleiben Passanten stehen und beobachten gespannt die vielen Frauen, die sich ihren Weg über den Platz der Grundrechte hin zum höchsten deutschen Gericht bahnen. Eine Zuschauerin liest interessiert den Flyer, den ihr eine Gleichstellungsbeauftragte in die Hände gedrückt hat. „Nur jede vierte Führungskraft der obersten Ebene in der privaten Wirtschaft ist eine Frau“ steht da.

Frauen trennt von den Chefetagen der Wirtschaft weiterhin die gläserne Decke.
Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Das ist auch eines der Themen, die Ministerin Giffey in ihrer Eröffnungsrede aufgreift. „Frauen trennt von den Chefetagen der Wirtschaft weiterhin die gläserne Decke“, erklärt Giffey. Die Top-Manager an der Spitze der großen deutschen Unternehmen seien nur zu sechs Prozent weiblich.

Das Argument, geeignete Frauen gebe es nicht, lässt die Ministerin nicht gelten. Seit es die Frauenquote für Aufsichtsräte gebe, sei dort die 30-Prozentmarke geknackt worden, passende Frauen seien also vorhanden.

Nun brauche es gesetzliche Vorgaben für Vorstände. Daran arbeite sie gemeinsam mit Justizministerin Katarina Barley (SPD). „Es wird nicht von allein funktionieren. Man muss dafür streiten, genau wie bei allen anderen Frauenrechten“, sagt Giffey.

Verabschiedung der Karlsruher Erklärung

Auf dem Weg zur Gleichstellung gibt es noch so einiges zu erstreiten, das jedenfalls suggeriert der Entwurf der Karlsruher Erklärung, die die Gleichstellungsbeauftragten an diesem Dienstag, 18. September 2018, verabschieden wollen. Neben dem Schutz vor Gewalt fordern sie darin auch die Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche.

Ein weiteres wichtiges Thema auf der Konferenz ist Bundessprecherin Niesyto zufolge die Aufwertung der schlecht bezahlten Sorgearbeit, die vor allem von Frauen geleistet wird, etwa als Erzieherinnen und Ergotherapeutinnen. „Wir haben 5,7 Millionen Menschen in Deutschland, die in den sozialen Berufen arbeiten und 80 Prozent davon sind Frauen“, ergänzt Bundesfamilienministerin Giffey.

Niesyto weist darauf hin, dass Männer bei der Bewältigung derartiger Probleme nicht außen vor bleiben können. Man müsse sie für Sorgearbeit begeistern, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Das sei bei besserer Bezahlung möglich. Und so strecken die Frauen bei ihrer Demonstration auch Plakate mit dem Schriftzug „Sorgearbeit aufwerten“ in die Höhe.

Wer gibt denn schon freiwillig Macht her?
Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Ihre Versammlung mag so mancher Beobachter für unnötig gehalten haben. Elke Voigt, eine der Bundessprecherinnen, sagt, dass vor allem Rechtspopulisten Frauen gerne wieder am Herd sähen. Doch Giffey ermuntert die Frauen, trotz Widerstand weiterzumachen: „Es lohnt sich allemal, lassen Sie uns gemeinsam Agentinnen des Wandels sein.“

Bärbl Mielich, Staatssekretärin im Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg, ergänzt, dass es etwa bei dem Kampf gegen die „gläserne Decke“ immer auch um Macht gehe, die die Männer an Frauen abgeben müssten, damit sie gerecht aufgeteilt sei.

„Wer gibt denn schon freiwillig Macht her?“, fragt sie in die Runde. Der Weg zur Gleichstellung sei daher kein Spaziergang, mit starken Frauen könne man aber mehr bewegen. Dass es die gibt, wurde am Montag in Karlsruhe deutlich.

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