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Kretschmann in Karlsruhe

KIT-Professor Fleischer bei Forschungsfabrik-Eröffnung: „Wir sind gut – aber wir brauchen zu lange“

Der Erfindergeist der deutschen Forscher und Tüftler ist bekannt – doch bis die Erfindungen in Fabriken und Läden landen, ist es oft ein langwieriger Weg. Die Wissenschaftler der neuen Karlsruher Forschungsfabrik sollen das ändern.

28.03.2022 Eröffnung der Karlsruher Forschungsfabrik am Campus Ost des KIT, Rintheimer Querallee 2, 76131 Karlsruhe. Rundgang mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann durch die Forschungsfabrik
Einblick in die Industrie der Zukunft: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Mitte) lässt sich von KIT-Professor Jürgen Fleischer die neue Karlsruher Forschungsfabrik zeigen. Umrahmt von den Ministerinnen Nicole Hoffmeister-Kraut (rechts) und Theresia Bauer. Foto: Rake Hora

Ein Satz fällt auffällig oft beim Festakt in der neuen Forschungsfabrik Karlsruhe: „Wir müssen schneller und besser werden.“

Wir – das sind in diesem Fall die Wissenschaft und die Industrie. Damit sie mit höherem Tempo durchstarten können, haben Bund und Land ihnen das außergewöhnliche Labor auf dem Ost-Campus des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gebaut. Kosten: 17 Millionen Euro. „Es soll die Fabrik der Zukunft sein“, erklärt KIT-Präsident Holger Hanselka. „Wir haben große Ziele.“

Mit Hilfe der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz wollen die Karlsruher Forscher dafür sorgen, dass neue Erfindungen deutlich schneller zur Marktreife gelangen. KIT und Fraunhofer-Gesellschaft arbeiten dabei zusammen. Zu ihren Schwerpunkten gehören die Künstliche Intelligenz und die Elektro-Mobilität.

Auto-Bauteile mit 30 Prozent weniger Gewicht

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist am Montag gleich mit zwei seiner Ministerinnen zur offiziellen Eröffnung der Forschungsfabrik angereist.

Bei einem Rundgang durch die Werkstätten legt KIT-Professor Jürgen Fleischer dem Regierungschef eine graue Röhre in die Hand: Es ist ein Antriebswellen-Rohling aus modernen Faserverbundstoffen. „Sie sparen so locker 30 Prozent Gewicht“, sagt der Institutsleiter für Maschinen, Anlagen und Prozessautomatisierung.

Roboter sollen sich selbst neue Werkzeuge holen

An der nächsten Station ist ein Elektro-Motor mit Kunststoff-Innereien zu sehen. Auf Aluminium-Guss könne man da verzichten, erklärt Frank Henning, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie.

Der Motor lasse sich so effizienter kühlen, das Material sei belastbarer und lasse sich flexibler verbauen. Auch der Vergleich mit Lego-Bausteinen fällt beim Rundgang: Zwei kleine Roboterarme fräsen und bohren.

Sie könnten aber auch schnell für andere Arbeiten eingesetzt werden, erklärt Fleischer – und entwirft Kretschmann die Vision einer Industrie, in der Roboter sich bei Bedarf neue Werkzeuge holen und wechselnde Produkte herstellen. „Es ist nicht alles festgeschraubt, sondern ganz flexibel“, erklärt Fleischer. Ähnlich wie bei Lego-Bausteinen eben.

Für diese Herausforderungen brauchen Unternehmen ein Laboratorium, in dem exzellente Forschung auf betriebliche Praxis trifft
Winfried Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württembergs

Wo früher schwere Maschinen standen und Fabrik-Umbauten langwierig waren, soll die Industrie nun dank digitaler Technik und Künstlicher Intelligenz rasch auf neue Anforderungen reagieren.

Von „Wertstrom-Kinematik“ sprechen Experten. Kretschmann unterstreicht in seiner Festansprache, wie wichtig solche Geschmeidigkeit für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg sei – zum Beispiel, wenn Kunden immer häufiger hochwertige Maßanfertigungen bestellen.

„Für diese Herausforderungen brauchen Unternehmen ein Laboratorium, in dem exzellente Forschung auf betriebliche Praxis trifft“, sagt Kretschmann – wie in Karlsruhe.

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) verweist darauf, dass gerade kleine Unternehmen nicht genug Geld und Kapazitäten haben, um sich für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz neu aufzustellen. „Genau diese Firmen unterstützen wir jetzt auch mit der Forschungsfabrik.“

Bauer: Menschen erwarten, dass Wissenschaftler die Klimakrise lösen

Auf die große Menschheitsfrage des Klimawandels lenkt Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) den Blick.

Erfindergeist sei gerade hier gefragt, betont sie an die Adresse junger Forscher: „Die Menschen vertrauen darauf, dass diese gewaltige Aufgabe von der Wissenschaft gelöst wird.“

In der Karlsruher Forschungsfabrik arbeiten die Frauen und Männer auch an effizienteren Batterien, an Brennstoffzellen und Leichtbau-Materialien. Und eben am Ausbau der Industrie 4.0, die Maschinen und Produktionsabläufe intelligent vernetzt. KIT-Präsident Hanselka erinnert dabei mahnend an den Vorsprung der USA und an Konkurrenten wie Japan und China.

„Wir sind gut mit den Ideen – aber wir brauchen zu lange“, meint KIT-Professor Fleischer über den Industriestandort Deutschland. Er stellt auch die grundlegende Frage: „Wie können wir essenzielle Dinge in unserem Land wieder selbst produzieren?“ Fleischer erinnert an die Anfänge der Pandemie, als Schutzmasken nicht zu bekommen waren.

Bis die ersten neuen Masken-Produktionsmaschinen in Deutschland standen, seien die Weltmarktpreise für Masken schon wieder unter den deutschen Herstellungspreis gerutscht. Das solle künftig anders werden: Qualitätsware müsse schnell auf den Markt. „Nicht Geiz ist geil, sondern Agilität.“

Mühsam und langwierig war die Planung der Forschungsfabrik

Agiler könnte offensichtlich auch die öffentliche Hand in der Bauplanung werden: Der Bau der Forschungsfabrik glückte zwar innerhalb von zwei Jahren, doch das Vorspiel dauerte neun Jahre. Hanselka spricht von einem „mühsamen“ Weg von der Idee bis zur Grundsteinlegung.

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