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Wenn der Baum um Hilfe ruft

Karlsruhe will smarter werden und bewirbt sich um Fördermittel

Karlsruhe profiliert sich bereits als Smart City. Nun will man noch schneller vorankommen - und hofft dabei auf Hilfe aus Berlin. Das Bundesinnenministerium stellt 16 Millionen Euro Fördergeld in Aussicht. Ob das nach Karlsruhe fließt, entscheidet sich am 1. September.

Virtuelle Realität
Neue Einblicke: Eine Idee ist, dass Bürger am Marktplatz per Smartphone in virtuelle Welten eintauchen und dabei womöglich auf Biber stoßen können. Foto: Jörg Donecker

Es könnte ein Baum sein, der von moderner Technik profitiert: Ein Sensor am Stamm schlägt bei Trockenheit Alarm - und der Ruf nach Wasser ploppt im nächsten Schritt auf dem Mobiltelefon des Hofbesitzers oder am Computer des Gartenbauamts auf.

Es ist gut möglich, dass dies in Karlsruhe Realität wird: Die Stadtverwaltung will gemeinsam mit den Bürgern und in der Region ansässigen Experten in vielen Feldern digitale Lösungen entwickeln und ausprobieren.

Wettbewerb „Smart Cities made in Germany”

Um mit Schwung als Stadt noch smarter zu werden, bewirbt sich Karlsruhe jetzt beim Bundesinnenministerium um Fördermittel aus dem Wettbewerb „Smart Cities made in Germany”. Am 1. September entscheidet sich, welche Städte mit jeweils 16 Millionen Euro sieben Jahre lang an Zukunftskonzepten arbeiten können. Klar ist: Karlsruhe hat Lust, dies zu tun - und dafür schon jede Menge Ideen. Ein durstiger Baum, der um Hilfe ruft, ist dabei nur ein Gedanke von vielen.

Oberbürgermeister Frank Mentrup, der das Projekt zur Chefsache machte, ist eines wichtig: Das Digitale soll eine dienende Funktion haben, es soll Dinge vereinfachen, nicht verkomplizieren. Alle Bürger und eben nicht nur Technik-Freaks sollen von den neuen Angeboten profitieren. Und jeder soll mitreden dürfen: Wo braucht es künftig smartere Lösungen?

Mit diesem Ansatz der Bürgerbeteiligung hat Karlsruhe bereits gute Erfahrungen. Beispiel Passagehof. Dort störten sich viele am nächtlichen Auto-Posing. Ein Poller sollte her - der aber nicht im Weg sein darf, wenn zur späten Stunde Rettungskräfte durchfahren müssen. Die smarte Lösung: Der Poller fährt abends hoch, ertönt aber ein Martinshorn, versenkt er sich selbst im Boden.

Ob kostenloses WLAN auf öffentlichen Plätzen, Testfeld autonomes Fahren, Schlosslichtspiele oder Mülleimer, die Bescheid geben, wenn sie voll sind: In Karlsruhe wurde bereits viel erreicht, was unter die Überschrift Smart City fällt. Entsprechend schaffte es die Stadt in einem Ranking der Bitkom nach Hamburg auf Platz zwei der Smart Cities in Deutschland.

Die Stadtverwaltung ist für dieses Thema sehr offen.
Björn Appelmann, Stabstelle Verwaltungs- und Managemententwicklung der Stadt Karlsruhe

„Die Stadtverwaltung ist für dieses Thema sehr offen”, sagt Björn Appelmann, der in Karlsruhe die Stabstelle Verwaltungs- und Managemententwicklung leitet und nun auch die Federführung bei der Bewerbung um die Bundesmittel hat. Appelmann verweist auf die Kompetenz, die sich in Karlsruhe und der Region findet: Das fange an bei KIT und dem Forschungszentrum Informatik (FZI), gehe über das CyberForum und führe hin bis zu Unternehmen wie der EnBW, 1&1, PTV und Siemens. „Es gibt schon viele gute Ideen, die wir noch mehr zum Schwingen bringen möchten”, so Appelmann.

Wohin die Reise geht, sollen die Bürger mitbestimmen. Sie stehen mit ihren Bedürfnissen im Fokus. „Unser Ziel ist es, Karlsruhe zur Referenzstadt für partizipative Stadtentwicklung unter dem Einsatz der digitalen Möglichkeiten werden zu lassen“, sagt Mentrup. Bekommt Karlsruhe den Zuschlag aus Berlin, sind die ersten zwei Jahre - wie bei den Mitbewerbern auch - als Strategiephase konzipiert.

Austausch mit Start-ups ist wichtiger Bestandteil

Ein Baustein soll dabei der Austausch mit Start-ups sein: Der Bürger legt dar, wo er etwas anders und für ihn besser haben will. Die Start-ups überlegen, wie die Lösung aussehen kann - und haben im besten Fall ein Geschäftsfeld gefunden. Das wiederum ist besser als wenn Tüftler glauben, eine Lösung zu haben - aber keiner dieses Problem hat.

Ein zweiter Baustein ist eine sogenannte Zukunftsküche: Ein Raum, in dem das Morgen in Workshops gedacht und auch mal gesponnen werden kann. „Wir möchten nicht, dass einer kocht, einer serviert, einer isst”, erklärt Appelmann.

Er sieht den Bürger nicht nur als Kunden. Nein, er soll seine Stadt selbst mitgestalten können: Soll die City lebendig sein? Wo braucht es ruhige Orte? Und dann werden im nächsten Schritt neue Angebote ausprobiert. Den Verantwortlichen bei der Stadt, die von externen Experten unterstützt werden, schwebt ein Schauraum im ZKM vor, in dem Anfassen unbedingt erwünscht ist.

Baum
Ich habe Durst: In der Smart City Karlsruhe können sich Bäume vielleicht bald selbst melden, wenn sie Wasser brauchen. Foto: Jörg Donecker

Karlsruhe hat für die Bewerbung um die Fördermittel Themenfelder definiert, in denen man smarter werden möchte - und gerne auch Vorreiter: Was hier klappt, kann schließlich andernorts kopiert werden. Aktuell sind die Ideen beispielhaft mit Stadtteilen verknüpft. „Kreativität und Forschung” heißt es bei der Oststadt, wo unter anderem das FZI angesiedelt ist.

Dieses hat unter anderem in einem Labor Sensoren im Boden eingebaut: Fällt jemand hin, erkennt das System das und schlägt Alarm. Denkbar wäre, diese Technik testweise in echte Häuser einzubauen - und den vielleicht älteren Bewohnern einen Studenten zur Seite zu stellen, der bei Bedarf Technikfragen beantwortet.

Lange Liste an Ideen

„Gesellschaft im Wandel und Verbundenheit” ist Thema in der Innenstadt. Eine Idee ist, dass auf dem Marktplatz Besucher mit ihrem Smartphone in virtuelle Welten eintauchen. Korallenriffe könnten ins nahe Naturkundemuseum führen, digital geschaffene Biberkolonien in den Zoo.

Vielleicht ebnet die moderne Technik aber auch Wege in die Vergangenheit, wenn Szenen früherer Jahre am Handy aufflimmern.. Ein solches kostenfreies Angebot könnte um weitere Bausteine ergänzt werden: Wer mit der Tram zur Pyramide fährt, könnte mit dem Ticket einen Bonus für das Spiel in der virtuellen Welt erhalten. Solche Extras könnten auch vom Einzelhandel ausgeteilt werden.

In Mühlburg geht es um „Kooperation und Offenheit” und damit um Möglichkeiten der Begegnung. In den aktuell auf die Innenstadt-Ost gemünzten Komplex „Nachhaltigkeit, Klimaanpassung und Klimaneutralität” könnte der Baum fallen, der Wasser braucht.

„Intelligentes Wachstum” ist Thema in Grünwinkel sowie in der Waldstadt - wo die Idee einer Cargo-Tram diskutiert wird: Um (Anliefer-) Verkehr zu reduzieren, könnte eine mit Waren beladene Straßenbahn bis zur Endstation fahren. „Die letzte Meile könnte dann von Lastenrädern bestritten werden”, so Appelmann.

Die Liste der Ideen ist lang. Und wenn der Bund in den nächsten Jahren Karlsruhe auf dem Weg hin zur noch smarteren Stadt unterstützt gibt es bald vielleicht Hilferufe von Bäumen, virtuelle Biberkolonien auf dem Marktplatz - oder etwas, das derzeit noch gar nicht gedacht ist.

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