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Von Burschenschaften und Damenbünden

Wie eine Karlsruher Studentinnen-Verbindung gegen Vorurteile und Corona kämpft

In Karlsruhe gibt es rund 30 studentische Verbindungen, aber nur zwei aktive Damenbünde mit jeweils nur einer Handvoll Mitgliedern. Was die Frauen antreibt – und wie sie sich von Männer-Verbindungen abgrenzen.

Ein starkes Netzwerk aufbauen: Das ist das Ziel von Studentinnenverbindungen wie der Karlsruher „Badenia-Andina“.
Ein starkes Netzwerk aufbauen: Das ist das Ziel von Studentinnenverbindungen wie der Karlsruher „Badenia-Andina“. Foto: Cynthia Julca

Studentenverbindungen stehen in den Köpfen vieler Menschen für Besäufnisse, rechtes Gedankengut und Sexismus. Nicht so bei Cynthia Julca: Sie will beweisen, dass es auch anders geht. Und zwar mit der Badenia-Andina – der ersten aktiven Damenverbindung Karlsruhes, die Julca vor drei Jahren gegründet hat.

Auf Fotos sind die 24-jährige Julca und ihre Farbenschwestern häufig in Uniform zu sehen, also mit Band und Mütze, schicken Klamotten und hohen Schuhen. Vor der Corona-Pandemie hatte die Badenia-Andina ein umfangreiches Semesterprogramm mit Kneipen, Conventen, Partys, Bällen, Theaterbesuchen, Tanzkursen, Vorträgen, Ausflügen und Fuxenstunden. Bei den Kneipen, also feierlichen Abendessen, singen die Damen auch mal patriotische Volkslieder. An dieser Stelle enden aber schon die Gemeinsamkeiten mit klassischen Studentenverbindungen und den Traditionen der Männer.

Damenbund soll intellektuellen Austausch ermöglichen

„Wir wollen eine Art Stammtisch für intellektuelle Unterhaltungen bieten“, erklärt Julca, die im siebten Semester Wissenschaftskommunikation studiert. „Als ich zum Studium nach Karlsruhe kam, dachte ich, ich treffe hier Frauen, die Lust haben, sich zu organisieren und auf fachlicher Ebene auszutauschen.“ Stattdessen: Zahlreiche Unterhaltungen über Männer, Dates, Beziehungen, Familien.

Julcas Cousin hatte einige Jahre zuvor über die Wohnungssuche in eine Karlsruher Studentenverbindung gefunden. Julca und ihre Cousine durften bei manchen Veranstaltungen zu Gast sein. Die Cousinen, beide in Südamerika aufgewachsen, waren begeistert von ihren Eindrücken und wollten selbst Colourstudentinnen werden. Doch sie fanden keine Damenverbindungen in Karlsruhe, nur gemischtgeschlechtliche.

Wir sind politisch und weltanschaulich neutral.
Cynthia Julca, Damenbund-Gründerin

„Traditionelle Männerverbindungen haben typische Erkennungszeichen in Form von Veranstaltungen, Bändern und Dresscodes, sodass man einen Verbindungsstudenten von einem normalen Studenten unterscheiden kann“, erklärt Julca. Die gemischten Verbindungen hätten das weniger. Deswegen gründeten die Cousinen gemeinsam mit zwei anderen Damen im Juli 2017 ihren eigenen Bund.

Feierliche Anlässe kommen auch bei der Damenverbindung nicht zu kurz, doch im Kern geht es um akademischen und gesellschaftlichen Austausch.
Feierliche Anlässe kommen auch bei der Damenverbindung nicht zu kurz, doch im Kern geht es um akademischen und gesellschaftlichen Austausch. Foto: Cynthia Julca

Bei der Gründungsfeier, einem sogenannten Kommers, kamen 200 Gäste. Die Gründerinnen hatten mehr als 40 Einladungen an Studentenverbindungen im Karlsruher Raum geschickt, ohne die meisten Empfänger zu kennen. Vom großen Zuspruch waren sie selbst überrascht. „Ich glaube, die Leute waren neugierig auf uns“, sagt Julca.

Verbindungen würden allerdings oft als rechtsextrem abgestempelt. Deswegen seien auch sie gefragt worden, ob sie diesem politischen Milieu nahestünden, erinnert sich Julca. Ein Vorwurf, den die Studentin entschieden zurückweist: „Wir sind politisch und weltanschaulich neutral“, sagt Julca.

„Unsere Ziele sind Dinge wie Toleranz, Förderung des Tierschutzes und der Nachhaltigkeit, der Persönlichkeitsentwicklung und des bürgerschaftlichen Engagements.“ Ihre Cousine beispielsweise habe das Studium an der Hochschule Pforzheim als sehr anonym empfunden. Auch das war ein Grund, warum die Badenia-Andina-Mitglieder das jahrhundertealte Verbindungsnetzwerk für Frauen zugänglich machen wollten.

Wie man ohne Wohnraum Mitglieder gewinnt

Natürlich ist Julca bewusst, dass Badenia-Andina anders ist als andere Studentenverbindungen: Die Damen haben kein eigenes Haus, können also keinen Wohnraum anbieten. „Wir haben es in der Hinsicht schwieriger, Nachwuchs zu gewinnen. Unser Angebot ist eher gesellschaftlich.“ Bei Konflikten könnten Mitglieder jederzeit austreten. Männer, die in Verbindungshäusern wohnen, seien dagegen gezwungen, sich mit Streitpunkten auseinanderzusetzen und Lösungen zu finden.

Es ist viel Arbeit, die man nicht vergütet bekommt.
Cynthia Julca, Damenbund-Gründerin

Cynthia Julca hat hingegen schon erlebt, dass sich Mitglieder einfach nicht mehr meldeten, wenn sie das Interesse verloren haben. Die Corona-Krise setzt der Damenverbindung zusätzlich zu: Viele Veranstaltungen wurden abgesagt, es gibt fast keine neuen Interessentinnen. Aktuell gibt es nur drei aktive Damen bei Badenia-Andina, zu Jahresbeginn waren es noch zehn gewesen.

Farben, Symbole und Feste sind wichtiger Bestandteil des Verbindungslebens.
Farben, Symbole und Feste sind wichtiger Bestandteil des Verbindungslebens. Foto: Cynthia Julca

„Verbindungsarbeit kostet Zeit“, sagt Julca, „das kann man gleichstellen mit einem sozialen Engagement. Es ist viel Arbeit, die man nicht vergütet bekommt.“ Mit sehr geringen Mitgliedsbeiträgen wollen die Damen zumindest verhindern, dass die Mitgliedschaft in einer Verbindung besser situierten Studentinnen vorbehalten bleibt: Der Semesterbeitrag liegt bei 10 Euro, dazu kommen noch Kosten für die Uniform.

Mit Plätzchen- oder Hotdog-Verkäufen versuchen die Mitglieder, Geld für Veranstaltungen einzunehmen. Auch hier haben sie im Vergleich zu traditionellen Studentenverbindungen einen großen Nachteil: Normalerweise finanzieren die „Alten Herren“, die bereits im Berufsleben angekommen sind, das Verbindungsleben ihrer Nachfolger. Ohne Vorgänger fehlt dieses Geld. Immerhin unterstützen Herrenverbindungen aus Karlsruhe die Badenia-Andina mit Räumlichkeiten, Technik oder Logistik.

Unter anderem mit Plätzchenverkäufen haben sich die Badenia-Andina-Damen in der Vergangenheit finanziert.
Unter anderem mit Plätzchenverkäufen haben sich die Badenia-Andina-Damen in der Vergangenheit finanziert. Foto: Cynthia Julca

Ob andere Verbindungen ihren eigenen Auftrag aber immer ernst genug nehmen, daran zweifelt Julca bisweilen. Denn männliche Studentenverbindungen hätten Netzwerke, Häuser und Unterstützung. Sie könnten beispielsweise Seminare anbieten, um etwas aus ihrem akademischen Netzwerk zu machen. „Aber die Herren nutzen ihre Möglichkeiten oft gar nicht.“

Es schüchtert schon ein, wenn man mit wenigen Frauen und 100 Herren in einer Vorlesung sitzt und der Dozent auch ein Mann ist.
Cynthia Julca, Damenbund-Gründerin

Badenia-Andina hingegen solle ein Treffpunkt für Frauen sein, die akademischen und gesellschaftlichen Austausch suchen. Das sei umso wichtiger, weil Frauen in Karlsruhe in der Unterzahl sind: „Die Stadt und die Uni sind sehr männerdominiert, das ist Fakt.“ Das Angebot für Frauen sei zu knapp, findet Julca, die zwei Semester lang auch Chemie­ingenieur­wesen und Verfahrens­technik studiert hat. „Und es schüchtert schon ein, wenn man mit wenigen Frauen und 100 Herren in einer Vorlesung sitzt und der Dozent auch ein Mann ist.“

Manche Colourstudenten verschweigen ihre Verbindungen lieber

Man könne angesichts mangelnder Repräsentation und ungleicher Bezahlung jedoch nicht alle Schuld auf die Männer schieben, findet Cynthia Julca. „Viele Frauen legen sich selbst Steine in den Weg, weil sie an sich zweifeln.“

Julca wünscht sich, dass die Damenverbindung einen positiven Einfluss auf das Leben ihrer Mitglieder hat – und dass diese sie gerne in ihren Lebenslauf aufnehmen würden. Allzu oft würde ein couleurstudentisches Engagement in Deutschland verschwiegen, weil das Image so negativ sei. „Manche unserer Mitglieder vermeiden es, auf Fotos im Internet aufzutauchen“, erzählt Julca. „Das finde ich schade. In den USA ist das anders, da werden Verbindungen als wichtige Referenz wahrgenommen.“

Dass deutschlandweit immer mehr Frauenverbindungen gegründet werden, empfindet sie aber als positives Signal. Julca hofft, mit Badenia-Andina ein starkes Netzwerk aufbauen zu können. „Aber man muss trotzdem realistisch sein“, sagt sie mit Blick auf 30 Jahre alte Zeitungsartikel über Initiativen, die ähnliches versucht hatten und gescheitert sind. „Das Risiko, dass nach der Gründung nur eine nette Idee bleibt, ist sehr hoch.“

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