Als Familie Schäfer dieser Tage den Einkauf bei einem Drogerie-Markt mit Karte bezahlen will, wird die überraschend nicht akzeptiert. Die Erklärung liefert ein Blick auf den Kontostand: Die Schäfers sind im Minus, weil die Stadt weit über 1.000 Euro eingezogen hat. Es ist der Kita-Beitrag für die beiden Kinder sowie die Nachzahlung für eineinhalb Monate Notbetreuung.
Bei Lars Schäfer sorgt die Vorgehensweise für Unverständnis. Zusätzlich ärgert sich der Familienvater gewaltig, dass er für Mai und Juni den vollen Beitrag bezahlen muss, obwohl seine Kinder nur 18 Stunden pro Woche betreut wurden. Mit seinem Frust ist Schäfer nicht allein. Bei der Stadt nehmen die Beschwerden aufgebrachter Eltern zu, bestätigt ein Sprecher.
Eltern haben noch keine Abrechnung erhalten
Auch wenn sich die Notbetreuungsgebühren erst jetzt auf dem Konto bemerkbar machen – abgesegnet hatte der Gemeinderat die Regelung schon am 21. Juli. Zwei Tage später informierte die Sozial- und Jugendbehörde in einem Elternbrief darüber, unter anderem mit dem Hinweis, man solle „für eine entsprechende Kontodeckung Sorge tragen“.
Seitdem sind gut sechs Wochen vergangen, eine weitere Vorwarnung für die anstehende Abbuchung gab es nicht. „Ich hätte mir gewünscht, dass hier nochmal informiert wird“, erzählt Katja Neuhaus im Gespräch mit den BNN. Auch bei ihr hat die Stadt für die Betreuung ihrer Tochter nun knapp das Doppelte des üblichen Betrags eingezogen.
Wofür genau das Geld geflossen ist, würde Neuhaus gerne wissen. Eine Abrechnung hat sie allerdings noch nicht erhalten. Das werde noch etwas Zeit in Anspruch nehmen, heißt es von Seiten der Sozial- und Jugendbehörde.
Die Abbuchung lässt auch Kritik an der Gebührensystematik wieder aufflammen. Eltern müssen in städtischen Kitas ab dem ersten Tag der Notbetreuung den vollen Beitrag bezahlen – unabhängig davon, wie viele Tage ein Kind tatsächlich dort war. Ursprünglich stand sogar eine Bezahlung für jeden angebrochenen Monat im Raum.
Ende Juli einigte sich der Gemeinderat auf den nun gültigen, von der Stadtverwaltung vorgeschlagenen Kompromiss. Ein Änderungsantrag der Linken mit dem Wunsch, doch noch einen Weg zur taggenauen Abrechnung zu finden, fand keine Mehrheit.
Kita wollte so wenige Betreuungstage wie möglich
Für Lars Schäfer ist das nicht nachvollziehbar. Besonders groß ist sein Ärger, weil die Familie im Mai und Juni vieles umgeworfen hat, um die Kinder für möglichst wenige Tage in die Notbetreuung zu schicken. Dreimal pro Woche waren sie schließlich dort, jeweils für sechs Stunden.
Abrechnungsregeln standen zur Planungszeit noch nicht fest. Das macht es jetzt so ungerecht für manche Eltern.Peter Koch, Vorsitzender GKK
„Die Kita hat schon Druck gemacht und mehrfach gefragt, ob Tage wirklich nötig sind“, erzählt er. „Und jetzt sollen wir trotzdem für alle Tage bezahlen. Das würde ich so nie wieder tun.“ Fälle wie den von Lars Schäfer und seiner Familie kennt der Vorsitzende des Gesamtelternbeirats Karlsruher Kindertageseinrichtungen (GKK) Peter Koch einige.
„Die Bitte, nur einzelne Tage zu nutzen, gab es trägerübergreifend bei verschiedenen Kitas. Oft weil sie nicht genügend Plätze für alle Anfragen hatten“, berichtet er.
Für die Notbetreuung und die Gebühren dafür haben die verschiedenen Träger ganz unterschiedliche Wege gewählt. So hatte die Katholische Gesamtkirchengemeinde Karlsruhe in ihren 46 Einrichtungen auch im Mai und Juni keine tageweise Betreuung angeboten
„Das ist alles im üblichen Umfang gelaufen. Die meisten waren ja auf die gleichen Zeiten angewiesen“, sagt die stellvertretende Fachbereichsleiterin Ulrike Tiedtke. Eine taggenaue Abrechnung war entsprechend nicht nötig.
Wer bezahlt für künftige Corona-Schließtage?
Wer in der Notbetreuung war, hat bezahlt wie gewohnt. Bei Pro-Liberis gab es hingegen viele Kinder, die nur für einzelne Tage in der Kita waren. Dort müssen Eltern nun auch nur für diese Tage bezahlen, bestätigt Geschäftsführer Peer Giemsch. „Das Delta zur Erstattung der Stadt müssen wir selbst tragen“, sagt er. „Da schicken wir den Eltern eine Abrechnung, die das aufschlüsselt.“
Die Kita hat schon Druck gemacht und mehrfach gefragt, ob Tage wirklich nötig sind.Lars Schäfer, Vater von zwei Kindern
Aus Elternsicht könne er den Ärger absolut verstehen, sagt der GKK-Vorsitzende Koch. Aber es sei schwierig, hier einen Schuldigen auszumachen. „Das war im Mai eine komplexe Lage, in der vieles mit heißer Nadel gestrickt wurde. Abrechnungsregeln standen zur Planungszeit noch nicht fest. Das macht es jetzt so ungerecht für manche Eltern“, führt Koch aus.
Bei allem Verständnis für das Chaos der ersten Corona-Tage, fordert er aber nun klare Regeln für die kommenden Wochen. „Wenn eine Gruppe oder eine ganze Kita zu machen muss, darf das nicht auf Kosten der Eltern gehen. Es muss klar sein, wer dann bezahlt. Diese Frage ist leider noch nicht beantwortet.“