„Es war dringend Zeit“, sagt Beate und blickt in den Spiegel. Wie kleine Antennen stehen ihr die Haarsträhnen zu Berge, die Friseurin Melanie Schäfer bereits dick mit Blondierung eingepinselt und mit Folie umwickelt hat. Für Schäfer ist es der erste Arbeitstag seit Mitte Dezember, seit Montag darf sie ihren Friseursalon „Abschnitt“ in Karlsruhe-Daxlanden wieder öffnen. Beate ist an diesem Morgen ihre erste Kundin.
„Normalerweise gehe ich alle acht Wochen zum Friseur“, erzählt Beate. Während des Lockdowns musste sie erfinderisch werden. „Den Pony habe ich mir selber geschnitten“, sagt die Karlsruherin. Ansonsten arbeitete sie viel mit Pferdeschwanz und Hochsteckfrisur – und Mütze. „Zum Glück war es die vergangenen Wochen recht kalt.“
Das Telefon klingelt oft an diesem sonnigen Montagmorgen. Melanie Schäfer springt ständig zwischen ihrer Kundin mit der Folie auf dem Kopf und dem Empfangstresen hin und hier. Zwischendurch bimmelt auch immer wieder die Türglocke, Laufkundschaft kommt vorbei.
Ein Herrenschnitt passt immer mal wieder dazwischen
„Habt Ihr noch was frei?“, fragt ein Mann. Ein schneller Blick ins Terminbuch: „Geht 14.45 Uhr?“, fragt Melanie Schäfer. Der Kunde nickt und verlässt zufrieden den Salon. So ein Herrenschnitt passt immer mal wieder dazwischen, sagt die Friseurmeisterin. Für einen aufwendigeren Termin wie Beate ihn hat – Schneiden und Färben – muss man derzeit aber schon ein paar Wochen warten.
Volle Terminbücher, davon berichten auch andere Friseure in der Stadt. Sie sind allesamt froh, dass sie wieder öffnen dürfen. „Ich komme heute kaum zum Arbeiten, ich bin ständig nur am Telefon“, berichtet etwa Manuela Busi von „Die Friseure“ in der Herrenstraße.
Am Telefon saß sie auch in den vergangenen drei Wochen, nahm Anfragen entgegen, versuchte, wegen des Lockdowns ausgefallene Termine zu verschieben. Dass nicht sofort Termine frei sind, ärgere manche Kunden, sagt die Friseurin.
Friseursalon am Karlsruher Kolpingplatz ist bis Mitte Mai ausgebucht
Warten will auch ein Herr nicht, der am Montagmorgen bereits vor der Öffnung vor seinem Stammfriseur in der Südweststadt steht. Ohne Termin und ohne Maske. „Als ich zur Arbeit kam, meinte er, er sei jetzt an der Reihe, schließlich sei sein Termin wegen des Lockdowns ausgefallen“, berichtet die zuständige Friseurin und kann es beim Erzählen immer noch nicht recht glauben. Der Herr muss wieder gehen.
Lange auf einen Termin warten muss man derzeit auch bei den Friseuren von „10/zwei“ am Kolpingplatz. „Bis Mitte Mai sind wir dicht“, sagt Maria Hylla, die den Salon gemeinsam mit Lisa Gressel betreibt. „Die ersten Wochen werden jetzt heftig“, sagt die Friseurmeisterin, die zwölf Stunden pro Tag im Salon stehen wird.
Nicht arbeiten ist keine Option.Maria Hylla, Chefin des Friseursalons „10/zwei“
Sie freut sich sehr, wieder öffnen zu dürfen, hat auf der anderen Seite wegen Corona auch ein komisches Gefühl. „Wegen der Mutationen machen wir uns natürlich Sorgen“, sagt Hylla. Aber: „Nicht arbeiten ist keine Option.“
Auch wenn die Friseurmeisterinnen akribisch auf die Hygieneregeln achten, „es bleibt ein körpernaher Beruf“, mit dem ein gewisses Risiko verbunden sei. Dass sie als Friseure nun relativ früh wieder öffnen dürfen, überrascht Maria Hylla nicht: „Das dient der moralischen Aufrechterhaltung der Bevölkerung“, ist die Friseurin überzeugt. Schließlich leide man in einer Krise noch mehr, „wenn es dem Kopf nicht gut geht“.
Die Strähnchen auf Beates Kopf werden mehr. Sie freut sich nicht nur über die frische Farbe, sondern auch darüber, wieder mit ihrer Friseurin plaudern zu können. „Ich habe in den vergangenen Tagen so viele Nachrichten zur Wiedereröffnung bekommen“, erzählt Melanie Schäfer gerührt. Sie und ihre beiden Kollegen hätten in der vergangenen Nacht kaum geschlafen: „Wir sind einfach voller Adrenalin.“