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Digitalisierung an Schulen

Karlsruher Gymnasien waren beim Corona-Fernunterricht auf sich allein gestellt

Die Corona-Krise machte den Nachholbedarf bei der Digitalisierung an Schulen deutlich. Bei der Suche nach den passenden Lernplattformen waren die Schulen auf sich alleine gestellt. Und noch immer gibt es kein Konzept für die Zeit nach den Sommerferien.

Während der Corona-Krise müssen Schüler zuhause lernen und arbeiten
Während der Corona-Krise müssen Schüler zuhause lernen und arbeiten Foto: Jörg Donecker

In den Sommerferien ist bei Dario Seiraffi zunächst einmal Chillen angesagt. Bereits am Montag begannen für den Neuntklässler der Europäischen Schule Karlsruhe die großen Ferien. Das Nichtstun im Familienurlaub habe er sich auch verdient, sagt der Durlacher.

Denn Corona-frei hatten der 15-Jährige und seine Schulkameraden in diesem Jahr nicht. Bereits am ersten Tag der landesweiten Schulschließungen ging der Unterricht an der Europäischen Schule online über die Bühne.

Den ganzen Tag vor dem Rechner zu sitzen, war schon anstrengend.
Dario Seiraffi, Neuntklässler der Europäischen Schule Karlsruhe

Bis zur Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts standen dann täglich bis zu acht Stunden virtueller Unterricht auf dem Programm „Den ganzen Tag vor dem Rechner zu sitzen, war schon anstrengend, und die Lehrer haben uns auch gefordert“, sagt Dario Seiraffi. Aber er habe genügend Freiheiten gehabt und sich die Arbeit gut einteilen können.

„Auf die Krise waren wir dank unseres Digital-Konzeptes glücklicherweise gut vorbereitet“, sagt Direktor Daniel Gassner. Bereits seit zwei Jahren hatten Schüler und Lehrer der Europäischen Schule einen Zugang zur Microsoft-Plattform Teams.

Als die Schulschließung beschlossene Sache war, konnten die Schüler ab dem 17. März digital unterrichtet werden. Ohne diesen Vorlauf hätte es mit Sicherheit mehrere Tage bis zur Implementierung eines funktionierenden Systems gedauert, so Gassner. Und selbst wenn die Lehrkräfte bereits im technischen Umgang mit dem System geschult waren, habe es wegen der didaktischen Herausforderungen am Anfang an vielen Stellen noch geruckelt.

Staatliche Gymnasien in Karlsruhe waren auf sich alleine gestellt

Bei den staatlichen Gymnasien verlief die Umstellung vom Präsenzunterricht auf das Heimlernen weit weniger reibungslos. In den ersten drei Wochen des schulischen Lockdowns wurden an den meisten Schulen lediglich Arbeitsblätter und Hausaufgaben verschickt. Nach den Osterferien wurde auch an weiterführenden Schulen Präsenzunterricht abgehalten.

Ein einheitliches System gab es allerdings nicht, und deshalb waren die Schulen zunächst einmal auf sich alleine gestellt. Das Ergebnis war ein stadtweiter Flickenteppich, denn Zoom wurde für die Kommunikation ebenso eingesetzt wie Moodle oder Teams.

Nicht an allen Gymnasien funktionierte der Online-Unterricht reibungslos. Am Markgrafen-Gymnasium in Durlach beklagten gleich mehrere Eltern das fehlende Konzept. „In den meisten Fächern wurden die ganze Zeit über nur Arbeitsblätter verschickt, und die Kinder bekamen kaum Rückmeldungen für ihre Arbeit. Das hat mit Heimunterricht nur wenig zu tun“, berichtet die Mutter eines Neuntklässlers.

Im Goethe-Gymnasium wurde bei einer Elternbeiratssitzung ebenfalls Kritik an der fehlenden Digitalisierungs-Strategie geübt. Trotz ausgebildeter MINT-Lehrer sei die digitale Vorbereitung der Schule sehr schwach gewesen, und die Qualität des Fernunterrichts habe sukzessive nachgelassen, lautete nach Informationen der BNN der Tenor der Elternvertreter.

Das Kultusministerium hat in den vergangenen Jahren zu wenig für die Digitalisierung der Schulen getan.
Uwe Müller, Lehrer am Max-Planck-Gymnasium in Karlsruhe

„Natürlich wurden wir von der Dynamik der Corona-Pandemie überrascht. Aber während der Krise hat man ganz klar gemerkt, dass das Kultusministerium in den vergangenen Jahren zu wenig für die Digitalisierung der Schulen getan hat“, bringt Uwe Müller die Probleme bei der Umstellung von Präsenzunterricht auf virtuelle Lernplattformen auf den Punkt.

Weil jede Schule eine eigene Strategie entwickeln musste, könne er auch keine Aussagen zur Gesamtsituation der Digitalisierung an den Gymnasien im Stadtgebiet machen.

Am Kant-Gymnasium stellten die Lehrkräfte nach einer kurzen Selbstlernphase Erklär-Videos auf der Lernplattform Moodle ins Netz. „Wir hatten zum Glück gute Netzwerker und IT-Experten im Kollegium. Am Ende haben wir uns wegen des besten Datenschutzes und der geringen Kosten für Moodle entschieden“, sagt Kant-Rektorin Gabriele Rupp.

Weder Lehrerlaptops noch Schülerrechner

„Jede Schule musste ihre eigene Plattform suchen. Deshalb hing die Entscheidung oft von den Kenntnissen der Lehrer an den einzelnen Schulen ab“, nennt Müller den Grund für den Mix aus unterschiedlichen Angeboten. Doch selbst mit der Auswahl einer geeigneten Lernplattform waren noch nicht alle Probleme gelöst.

Dienstlaptops für Lehrkräfte und Schulrechner für Kinder und Jugendliche waren schließlich ebensowenig vorhanden wie ein didaktisches Konzept für den Fernunterricht. Außerdem verfügen noch nicht alle Karlsruher Schulen über ein funktionierendes WLAN. Deshalb konnten Kinder in der Notbetreuung teilweise nicht am Fernunterricht teilnehmen.

Noch kein Konzept für die Zeit nach den Sommerferien

An Müllers Schule, dem Max-Planck-Gymnasium in Rüppurr, setzte sich Microsoft Teams als Lernplattform durch. Dass die baden-württembergische Landesregierung die Office-Anwendung erst empfahl und nun ebenso wie bereits bei Zoom mögliche datenschutzrechtliche Bedenken anmeldet, ist für Müller ein falsches Zeichen. „Für die Lehrer, die damit arbeiten, sorgen solche Meldungen kurz vor den Sommerferien für Frustration“, sagt Müller.

Anstatt eine Lernplattform nach der anderen auszuschließen, sollte die Landesregierung lieber gemeinsam mit Microsoft für eine Beseitigung der Datenschutzlücken sorgen. Das habe in Bayern schließlich auch geklappt. Die Entwicklung einer eigenen Lernplattform sei in den vergangenen Jahren schlichtweg versäumt worden. Nun müsse das Ministerium für Klarheit sorgen. „Wie es nach den Sommerferien weitergehen soll, weiß heute noch niemand“, sagt Müller. „Aber ohne eine klare Regelung fangen wir beim Fernunterricht wieder bei Null an.“



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