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Belastung durch Covid-Patienten sinkt nur langsam

Karlsruher Klinikchefs warnen vor schnellem Ende des Lockdowns

Das Abflachen der zweiten Pandemiewelle entlastet die Karlsruher Kliniken nicht so schnell und stark wie erhofft. Warum warnen ihre Chefs vor einem baldigen Komplett-Ausstieg aus dem Lockdown?

Krankenschwestern pflegen Patienten auf einer Intensivstation
Unterschiede auf den Intensivstationen: Während in den Vidia-Krankenhäusern nur zwei Covid-Patienten auf der Intensivstationen behandelt werden müssen, ist die Zahl der Intensivpatienten im Städtischen Klinikum weiter zweistellig. Foto: Jens Büttner

Die Belastung der Karlsruher Krankenhäuser lässt grundsätzlich nach. In den Kliniken schlägt der Trend in der Gesellschaft allerdings bislang nur begrenzt durch: Der Lockdown greift inzwischen stark, die Zahlen der Infektion mit dem Coronavirus sinken. In den Karlsruher Kliniken bildet sich dies allerdings nicht linear ab.

Es gibt auch Tage des Stillstands und gar des Rückschritts. Den Klinik-Chefs geht das Fallen der Infektionszahlen bei weitem nicht schnell genug. Michael Geißler, Medizinischer Geschäftsführer des Städtischen Klinikums, warnt deshalb ganz entschieden vor raschen Lockerungen.

Karl-Jürgen Lehmann, Vorstand der ViDia Kliniken, kann sich indes eher gewisse, bald greifende Abschwächungen des Lockdowns vorstellen, um das gesellschaftliche Klima nicht zu stark zu belasten. Dabei hält er aus medizinischer Sicht die große Öffnung auch erst bei Fallzahlen deutlich unter dem Inzidenzwert 50 für angebracht.

Mahnung zu Vorsicht

Geißler ist optimistisch, dass sich der positive Trend fortsetzt. Dann könne die eingesetzte Rückkehr zum Kliniknormalbetrieb konsequent fortgesetzt werden. Aber er mahnt gleichzeitig wegen der aggressiven Virus-Mutanten zu großer Vorsicht. Am Freitag lagen 28 Covid-Patienten im Städtischen auf Normalstation und zwölf auf der Intensivstation.

Gegenüber der Vorwoche bedeutet dies kaum Veränderung. Allerdings handelt es sich dabei nach Geißler wohl nur um ein neuerliches Zwischenhoch von drei Tagen in der schwankenden Belastung, die aber grundsätzlich nachlasse. Im Städtischen befindet sich bislang erst ein Patient mit der britischen Corona-Mutation. Um jedes Risiko einer Doppelinfektion auszuschließen, habe man ihn in einem separaten Zimmer untergebracht, erklärt Martin Bentz, Chef der Covid-Stationen am Städtischen Klinikum.

Ganz unterschiedliche Zahlen

Die Covid-Patienten-Zahlen in den ViDia Kliniken sind anders: Dort sind noch 47 schwerkranke Corona-Infizierte auf Normalstation, fast doppelt so viele wie am Städtischen. Dagegen hat ViDia nur noch zwei Covid-Patienten auf den Intensivstationen, das ist lediglich ein Sechstel der Zahl beim Klinikum. Diese Unterschiede schätzt ViDia-Chef Lehmann als Ausdruck anderer Aufgabenprofile der Krankenhäuser, aber nicht als generelle Abweichungen im Abwärtstrend der Pandemie ein.

Bentz berichtet von medizinischen Erfolgen bei der Behandlung der Covid-Patienten: Gegenüber der ersten Welle der Pandemie im Frühjahr 2020 sei die Sterblichkeitsrate dieser Patienten von 26 Prozent auf 16 Prozent gesunken. Daneben sind laut Pflegedirektor Josef Hug nur noch acht Mitarbeiter positiv getestet. Geißler führt dies darauf zurück, dass mittlerweile ein großer Teil des Personals in der Priorisierungsstufe eins gegen Corona geimpft sei.

Warnung vor Explosionsgefahr

„Der Lockdown muss fortgesetzt werden, der Inzidenzwert ist auf einem noch viel zu hohen Niveau“, meint Geißler. Auch abgesehen von der Gefahr durch Mutationen dürfe man jetzt nicht schnell bei den Einschränkungen für die Bevölkerung nachlassen, „sonst kann die Zahl der Infizierten wieder explodieren und ist dann nicht mehr so schnell einzufangen“, sagt er.

Die Beispiele Großbritannien und Portugal seien eine Warnung, bekräftigt er. Man müsse jetzt den langen Atem beweisen, um die Pandemie auf den Inzidenzwert zehn herunterzudrücken. Erst dann könne man vielleicht ab Mai in Schritten zum normalen Leben zurückkehren. Eine Öffnung der Kitas und Schulen hält Geißler bereits früher bei einem Inzidenzwert von 25 für möglich.

„Den erfreulichen Zahlen aus dem Bundesgebiet steht regional doch eher eine Stagnation gegenüber“, meint Lehmann. Im Moment profitierten die Kliniken in den Fallzahlen von dem Rückgang der Neuinfektionen in den letzten Wochen. „Die sich abzeichnende Bodenbildung auf nicht ganz niedrigem Niveau begründet die Sorge vor einem relevanten, zeitlich länger anhaltenden Pandemiegeschehen“, äußert der Vidia-Chef. Dies gelte besonders dann, wenn die Kontaktzahlen wieder zunehmen würden.

Contra strenge Quarantäneregeln für das Personal

„Bei allem Verständnis für die berechtigte Sorge über die Ausbreitung der Virusvarianten“ plädiert Lehmann „für eine behördliche Reaktion mit Augenmaß“. Die angekündigten, deutlich ausgeweiteten Quarantäneregeln für Kontaktpersonen, der Wunsch Covid-19-Erkrankte in Abhängigkeit von ihrem Virus-Subtyp voneinander zu isolieren oder Teilschließungen von Klinikbereichen aufgrund des Nachweises von Corona-Mutationen könnten nämlich die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Kliniken schnell an die Grenzen führen. „Wie während der gesamten bisherigen Pandemiezeit muss die Einsatzfähigkeit systemrelevanter Betriebe, insbesondere auch der Kliniken, gesichert werden“, betont Lehmann.

Schon in der ersten Welle seien diesbezüglich Kompromissentscheidungen erforderlich gewesen. „Sollte es wirklich zu einer weiteren Verbreitung der aggressiveren Mutanten im Infektionsgeschehen kommen, dürfte dies zur Absicherung von Behandlungskapazitäten erneut anstehen“, erläutert er seine Position. Verschärfte Quarantäneregeln dürften dann also nicht in gleicher Weise für das Klinikpersonal gelten.

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