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Lockdown wirkt noch

Karlsruher Kliniken haben relativ wenig Corona-Patienten - doch die Sorge vor dritter Welle wächst

Der Lockdown wirkt noch. Die zweite Welle der Corona-Pandemie stagniert jetzt auch in den Krankenhäusern. Das hat positive Folgen für die Patientenversorgung. Doch ist das nur die Ruhe vor der nächsten Flut?

Luftholen: Ein wenig durchatmen können Arzt und Schwester auf der Covid-Intensivstation. Momentan haben sie nur wenige Patienten. Aber es droht die nächste Welle der Pandemie.
Luftholen: Ein wenig durchatmen können Arzt und Schwester auf der Covid-Intensivstation. Momentan haben sie nur wenige Patienten. Aber es droht die nächste Welle der Pandemie. Foto: Armando Franca

Karlsruhes Kliniken sind jetzt relativ entlastet: Das zwischenzeitliche Abflauen der Infektionszahlen seit dem Höhepunkt der zweiten Corona-Welle um den Jahreswechsel ist in den Krankenhäusern angekommen.

Auch im Städtischen Klinikum hat sich dieser mittelfristige Trend momentan stabilisiert. „Wir können deshalb am Montag für die Allgemeinstation die Pandemiestufe von zwei auf eins herunterfahren“, erklärt Martin Bentz, Direktor der Medizinischen Klinik III am Städtischen. Dort liegen wie vor einer Woche 22 Covid-Patienten.

„Wir haben aktuell nur noch vier Covid-Intensivpatienten, da brauchen wir auch nur noch eine Station“, ergänzt der Chef der Covid-Stationen. Falls, wie erwartet, die Zahlen der Covid-Patienten wieder steigt, fahre man die Not-Kapazitäten schnell wieder hoch. Zunächst aber können laut Bentz Kliniken im Umfeld einspringen, die derzeitig noch weniger durch Covid belastet sind.

In den ViDia Kliniken sind die bereits vor zwei Wochen stark rückläufigen Zahlen der Covid-Patienten auf geringem Niveau wieder leicht erhöht. „Wir haben 18 Covid-Patienten auf Normalstation, zwölf bei Vincentius und sechs in Rüppurr“, berichtet Karl-Jürgen Lehmann, Vorstand der ViDia Kliniken Karlsruhe.

Auf der Covid-Intensivstation liegen bei ViDia drei Patienten. Die Vergleichszahlen eine Woche zuvor: neun auf Normalstation, ein Covid-Patient auf der Intensiv. „Das ist nicht der große Unterschied. Bei so geringen Zahlenwerten wäre es Spekulation, schon von einer neuen Belastungswelle zu sprechen“, meint Lehmann. „Die Lage ist immer noch verbesserungsfähig“, räumt er ein. In jede Beurteilung fließe auch die ab Mitte März erwartete dritte Welle als negatives Gefühl ein.

Sorge: Kommt dritte Welle noch im März?

Überhaupt herrscht in den Chefetagen der Krankenhäuser Sorge. Die leitenden Mediziner beim Städtischen und bei ViDia gehen davon aus, dass die von Mutationen angetriebene dritte Welle sicher noch im März kommt. Sie hoffen, dass sie flacher ausfällt, als die Epidemiologen vorhersagen.

In der schwierigen Entscheidungslage zeigen sie Verständnis für die schlingernde Kompromisslinie der Politik, die gerade zu enormer Verwirrung in großen Teilen der Gesellschaft führt. Aus medizinischer Sicht dürfe man eigentlich den Lockdown gerade jetzt nicht zurückfahren, weil sich damit die Schleusen für die dritte Welle weit öffnen. Andererseits sei der Druck im Kessel nach einem Jahr Leben mit Corona bei Bürgerschaft und Wirtschaft so groß, äußern die Verantwortlichen in den Kliniken auch Verständnis für die Lockerungen.

Furcht: Lockerungen als Beschleuniger

Lehmann spricht von einer der Not und dem gesellschaftlichen Zwang gehorchenden Kompromisslösung, die doch gar nicht stimmig sein könne. Dennoch herrsche unter Ärzten und Wissenschaftlern die Furcht, dass ausgerechnet in der Mutationsphase die Lockerungen als Beschleuniger einer Negativentwicklung wirken. Deshalb müssten auch die ViDia Kliniken „in den nächsten Wochen wieder mit deutlich mehr Covid-Patienten rechnen“.

Bentz sagt: „In der Pandemie ändern sich die Dinge so schnell. Auf dieses Tempo ist unser Gemeinwesen nicht eingestellt.“ Zudem habe die Politik in schwieriger Abwägung unterschiedlicher Interessen zu entscheiden, „da müssen wir Toleranz leben“, meint er. Bentz baut seinen Optimismus jetzt besonders auf zwei Dinge, welche die heranrollende Welle noch abflachen können: Bald warme Frühlingstage locken die Menschen nach draußen. Und die Impfwelle steigt rasch exponentiell an.

37 Mitarbeiter in Quarantäne

Auch beim Krankenstand des Personals meldet Elvira Schneider, die neue Pflegedirektorin am Städtischen, Entspannung. „Derzeit sind fünf Mitarbeitende positiv auf SARS-CoV-2 getestet“, berichtet Schneider. Insgesamt fielen insgesamt 123 Kräfte des Pflege- und Funktionsdiensts aus, davon befinden sich 37 Personen in Quarantäne. Schneider spricht von einem recht normalen Krankenstand. Zudem sei bereits über die Hälfte des Klinikpersonals gegen Corona geimpft. Ähnliches berichtet ViDia für seine Belegschaft.

Positives und Negatives zum Antigenschnelltest

Bentz und Eberhard Kniehl, der Mikrobiologe des Städtischen, halten die angekündigte Antigenschnelltest-Offensive durchaus für ein geeignetes Mittel unter mehreren im Kampf gegen die Pandemie. Sie warnen aber eindringlich vor „zu hohen Erwartungen“ und haben „Sorge, dass dadurch eine falsche Sicherheit entsteht“.

Kniehl unterstreicht: „Entscheidend bleibt das Verhalten der Menschen. Testen ist kein Allheilmittel. Auf möglichst wenig Kontakte kommt es weiter an.“ Vor allem der zeitlich sehr begrenzte Aussagewert der Schnelltests und ein Versagen bei geringer Viruslast sowie völlig offene Fragen der Überprüfbarkeit von Selbsttests schlügen negativ zu Buche.

Bentz hält Antigentests deshalb für taugliche Öffnungsmittel, um etwa Kino und Theater wieder möglich zu machen. Aber schon vier Stunden danach sei das Ergebnis wertlos, warnt er.

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