
Sich schon 1947 für ein vereintes Europa einzusetzen, war sowohl mutig als auch vorausschauend. Aber auch konsequent. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg ging es vor allem und erst einmal darum, sich mit Frankreich auszusöhnen – ein erklärtes Ziel auch der deutschen Regierung.
22 Karlsruher Bürger gründeten im Herbst 1947 eine Ortsgruppe der Europa-Union, der erste Vorsitzende war Bürgermeister Fridolin Heurich, aber auch Landrat Josef Gross oder der spätere Oberbürgermeister Günther Klotz gehörten zu den Gründungsmitgliedern. Am 22. Juni feiert der Kreisverband Karlsruhe mit einem Festakt im Gartensaal des Schlosses sein 75-jähriges Bestehen.
Erst Corona hat uns wieder am eigenen Leib erfahren lassen, dass Grenzen auch geschlossen sein könnten.Michael Kromer, Kreisverband Europa-Union Karlsruhe
Der Gedanke an ein vereintes Europa liegt vielen eher fern, und viele machen sich nicht recht bewusst, was das heute schon bedeutet. „Gerade in Karlsruhe haben sich ja viele daran gewöhnt, einfach so nach Frankreich fahren zu können“, sagt der Vize-Vorsitzende des Kreisverbands, Michael Kromer. „Erst Corona hat uns wieder am eigenen Leib erfahren lassen, dass Grenzen auch geschlossen sein könnten, wie sie es viele Jahre auch waren.“
Sogar der Brexit hatte viele Vorteile: „Viele Länder wie Ungarn, Italien oder Polen haben in der Folge gemerkt, welche Auswirkungen ein Austritt aus der EU haben kann“, argumentiert Kromer: „Wenn die Europäische Zentralbank zum Beispiel die italienischen Banken nicht gestützt hätte, wäre Italien längst zusammengebrochen. Deswegen tönen die Populisten von einem Austritt, aber den Schritt selber vollziehen sie nicht.“
Europabewusstsein soll geweckt werden
Dennoch liegt die Wahlbeteiligung für die Europa-Wahlen nur zwischen 42 und 50 Prozent. Hier setzt die Europa-Union an. Ihr Ziel ist es, „das Europabewusstsein zu wecken und zu fördern“, wie es in ihrem Programm zu lesen ist. Drei Standbeine nennt Kromer: „Für unsere Mitglieder organisieren wir Lesungen oder andere Veranstaltungen, zum Beispiel letzten Herbst mit Aleida Assmann, die 2018 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels bekommen hat.“ Sie hat Bücher über den „Europäischen Traum“ und die „Wiedererfindung der Nation“ geschrieben.
Viele Angebote für Schulen
Für sehr viele Schulklassen und Schulen organisiert der Kreisverband Fahrten nach Berlin zu Europaabgeordneten, nach Straßburg zum Europaparlament oder nach Stuttgart, wo sie mit dem Landtagsabgeordneten Alexander Salomon (Grüne) diskutiert und eine Parlamentsdebatte miterlebt haben.

Und dann gibt es noch frei ausgeschriebene Reisen zum Beispiel zum Europarat, die immer sehr gut angenommen werden. Auch hier lernen die Teilnehmer, dass beispielsweise der Europäische Gerichtshof großen Einfluss hat, denn die Mitgliedsländer unterwerfen sich ja den Gerichtsbeschlüssen. „Sie könnten ja auch austreten“, sagt Kromer, „aber spätestens beim Brexit haben sie gemerkt, was dann passiert.“
Wir hatten ja fast keine jungen Mitglieder mehr, das ändert sich jetzt.Michael Kromer, Kreisverband Europa-Union Karlsruhe
Mitglied in der Europa-Union können alle werden, eine Parteizugehörigkeit wird nicht abgefragt. Seit kurzem ist sie auch bei den sozialen Netzwerken Instagram und Facebook aktiv: „Wir hatten ja fast keine jungen Mitglieder mehr, das ändert sich jetzt, wo wir auch in den sozialen Medien mitmischen.“ Bei den letzten Fahrten seien so viele Anmeldungen über diese Kanäle oder dann über die Internetseite gekommen: „Das wollen wir verstärkt ausbauen, denn wir merken, dass das Interesse auch bei jungen Menschen da ist.“
Eine intensive Zusammenarbeit gibt es vor allem mit der Stadt Karlsruhe, besonders bei der gemeinsamen Organisation der alljährlichen Europa-Woche Anfang Mai, ebenso eng mit dem Regierungspräsidium. Unterstützt und gefördert wird sie durch die demokratischen Parteien, die Gewerkschaften, die deutsch-ausländischen Gesellschaften und die Kommunalverwaltungen Karlsruhes.