Ein Paar stabile Schuhe, eine wetterfeste Jacke, vielleicht etwas Proviant: Mehr braucht es nicht, um in den ersten Frühlingstagen wilde Natur und faszinierende Beobachtungen direkt in Karlsruhe zu erleben.
Wer sich noch wenig auskennt, kann auf der Spur erfahrener Kenner jetzt genauso viel erleben wie die alten Hasen. Ein großes ehrenamtliches Projekt macht das möglich.
Der Karlsruher Naturkompass zeigt Interessierten im Internet, wohin sich ein Ausflug von Fall zu Fall besonders lohnt. Ob mit oder ohne Vorwissen: Wer sich auf einen der jeweils empfohlenen Wege macht, hat bei der Rückkehr Erzählenswertes im Gepäck und möglicherweise eine ganze Flut schöne Bilder auf dem Smartphone.
Wir haben hier im Stadtgebiet wirkliche Besonderheiten.Katherina Fies, Fachbereich Ökologie
Warum diese Erlebnisgarantie in der zwar grünen, aber doch urbanen Großstadt? Das kann Katherina Fies erklären. Sie leitet den Fachbereich Ökologie im städtischen Amt für Umwelt- und Arbeitschutz. „Wir haben hier im Stadtgebiet wirkliche Besonderheiten“, sagt die Geoökologin, „weil in Karlsruhe mehrere Naturräume aneinanderstoßen“.
Ganz und gar unterschiedlich sind die Tierwelt und die Pflanzengemeinschaft etwa in den Rheinauen am westlichen Stadtrand oder auf dem Alten Flugplatz auf der Hardtebene.
Auch im Osten ist die Vielgestaltigkeit der Natur enorm. Zum Beispiel auf den weniger als 3.000 Metern zwischen dem Knittelberg und dem Grötzinger Baggersee direkt an der Stadtgrenze mit dem Weingartener Moor, das sich unmittelbar anschließt.
Fies kommt richtig ins Schleudern, wenn sie nach ihrem persönlichen Lieblingsziel gefragt wird: „Da könnte ich mich gar nicht entscheiden.“
In die blühenden Hänge
Zu den kostbaren Grötzinger Magerwiesen und Berghängen oberhalb von Frosch- und Reithohle, die später im Jahr von Orchideen gesprenkelt sein werden, lohnt sich ein Ausflug schon dieser Tage speziell. Dort und am Alte-Hälden-Weg blühen die ersten Streuobstbäume.
Nach und nach springen alle Knospen an den alten, knorrigen Obstbäumen auf. Das sieht nicht nur zauberhaft aus, sondern lockt in den kommenden Wochen auch Wildbienen, Käfer und Schmetterlinge an. Sie lassen sich dort jetzt besonders leicht beobachten.
Karlsruhes Stadtwildnis macht den Menschen das Entdecken leicht. An den auffallend hellblau leuchtenden, an dicken Stängeln im Wind schwankenden Hasenglöckchen oder blauen Waldhyazinthen bleibt der Blick fast automatisch hängen.

Sogar per Fahrrad lassen sich versprengte Exemplare finden. Am Rußwegle zum Beispiel, dem asphaltierten Band zwischen der Wasserwerkbrücke und Durlach, ziemlich genau an der Stelle, wo der Radfernweg Stromberg-Murrtal Richtung Maulbronn abzweigt.
In die lichten Wälder
Mit etwas Glück springt bei einer Picknick-Pause in den noch frühlingshaft lichten Wäldern vielleicht sogar ein Grasfrosch vor den Füßen auf. Er ist in der stark schrumpfenden und massiv gefährdeten Gruppe der Amphibien noch eine der häufigeren Arten.
Im Bergwald über Durlach ducken sich ihre Vertreter bei Gefahr ins Laub und setzen auf ihre beeindruckende Tarnung.
Ungewöhnlich zahlreich sprießt in diesem Frühjahr der Aronstab. Schon bevor er auf freiem Waldboden seine korallenroten Beeren ausbildet, ist der namengebende, zentrale Stab im umhüllenden Einzelblatt markant. Die in allen Teilen giftige und nicht mit dem jetzt ebenfalls sprießenden Bärlauch zu verwechselnde Pflanze steht unter strengem Schutz.
Auch die Ohren genießen mit. Wer hinhört, erahnt die Vögel, die sonst eher unsichtbar in den feuchten Niederungen an Pfinz, Alb und Rhein turteln.

Am Erlachsee im Oberwald balzen die Haubentaucher. Das Schauspiel kann man vom Beobachtungsstand am Ufer vielleicht sehen. Die Chance steht 50:50, weit geringer als für Karlsruhes Natursensationen typisch.
In Karlsruhes „kleine Wüste“
Volker Hahn hat den Karlsruher Naturkompass im Jahr 2015 initiiert und war einer der ersten Ehrenamtlichen, die ihn regelmäßig mit Inhalt füttern. Jetzt, im Ruhestand, geht der Amtsvorgänger von Katherina Fies vorwiegend rund um Karlsruhes Höhenstadtteile auf die akustische Pirsch.
Auch der Vorsitzende des Naturschutzbundes (Nbu) in Karlsruhe, Artur Bossert, beobachtet die heimische Vogelwelt. Ihr Wissen teilen beide mit Interessierten, über den Naturkompass oder auch persönlich bei Führungen.
Dann geht es zum Beispiel wie am kommenden Sonntag, 16. April, in aller Frühe zu Vogelgesang über den Karlsruher Hauptfriedhof, in Karlsruhes „kleine Wüste“ oder zur Exkursion in die Urform der Rheinlandschaft.