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Zahlreiche ehrenamtliche Projekte

Karlsruherin Monika Seelmann ist Helferin durch und durch

Monika Seelmann ist 70 Jahre alt, alleinstehend und von der Corona-Krise persönlich betroffen. Doch statt sich Einsamkeit und Verzweiflung hinzugeben, stößt sie immer wieder Projekte an, die Menschen verbinden und durch schwere Zeiten tragen sollen. Im November streamt sie sogar live aus ihrem Wohnzimmer.

Kunst als Therapie: Zu Beginn der Corona-Pandemie hat Monika Seelmann dieses farbenfrohe, collagenhaft anmutende Bild gemalt.
Kunst als Therapie: Zu Beginn der Corona-Pandemie hat Monika Seelmann dieses farbenfrohe, collagenhaft anmutende Bild gemalt. Foto: Jörg Donecker

Monika Seelmann hat in ihrem Leben schon viele Berufe ausgeübt: Sie war als Versicherungskauffrau, Ergotherapeutin, Kunsttherapeutin, Geistliche Begleiterin und spiritueller Coach tätig. Untätig war sie aber auch in ihrer Freizeit nie. Die 70-Jährige engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich in unterschiedlichen Projekten, stößt auch eigene an. Anderen zu helfen, liegt ihr ganz besonders am Herzen.

„Die Versicherungskauffrau hat mit meinem Leben kaum noch etwas zu tun. Ich hatte als junges Mädchen keinen Plan, da habe ich halt mal diese Ausbildung gemacht“, erklärt Seelmann, die in ihrem bunt gefüllten Wohnzimmer in der Waldstadt zwischen Büchern, Kunstprojekten, Computer, Papierstapeln und allerlei Krimskrams sitzt.

Auf dem Sofa liegt friedlich Hündin Paloma. „Es ist ein Wohn-, Arbeits- und Atelierzimmer. Ich bräuchte eigentlich mehr Platz, aber es geht schon“, sagt sie. Sie sei schon immer eine Künstlernatur gewesen, ihre Mutter habe das schon lange gewusst – nur Monika Seelmann selbst fand ihren Weg ins kreativ-spirituelle Leben erst durch einen Schicksalsschlag.

Mit Kunst eine persönliche Krise bewältigt

Als sie 35 Jahre alt ist, trennt sich ihr Ehemann plötzlich – und Seelmann stürzt in eine tiefe persönliche Krise. Durch Kunsttherapie lernt sie, die Krise zu verarbeiten – und entdeckt einen ganz neuen Lebensweg für sich. Sie wird selbst Kunsttherapeutin, außerdem lässt sie sich zur Ergotherapeutin ausbilden. 15 Jahre lang arbeitet sie so mit Patienten der Karlsruher Klinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin. „Der kreative Selbstausdruck hat eine große Heilkraft“, sagt sie. Und: „Das Kreative ist ja nicht nur Künstlern vorbehalten. Es ist Schöpfungskraft. Dem Leben Sinn zu verleihen, das ist das allerwichtigste.“

Viele Jahre engagiert Seelmann sich auch in der katholischen Kirche, absolviert eine Ausbildung zur Geistlichen Begleiterin. „Das hat mich lange begleitet, aber heute habe ich kein besonderes Verhältnis mehr zur Kirche“, sagt Seelmann.

Ihre Einstellung zum Leben sei heute eher philosophisch. Auch als ausgebildete ehrenamtliche Klinikseelsorgerin ist sie in Karlsruhe viele Jahre für Menschen da, die durch Schicksalsschläge am Rande der Verzweiflung stehen. „Ich weiß nicht, ob das verständlich ist“, sagt Seelmann. „Aber mir geht es so, dass ich gerade an einem persönlichen Tiefpunkt besonders viel Mitgefühl für andere Menschen habe.“ Durch die eigenen Krisenerfahrungen könne sie wohl die Verzweiflung anderer Menschen besser verstehen.

Sie engagiert sich auch für die Natur, zum Beispiel im Naturschutzzentrum Rappenwört, mit der Teilnahme an der bundesweiten Baumpflanz-Aktion „Einheitsbuddeln“ anlässlich des Tags der Deutschen Einheit 2019 oder dem vom Bundesumweltministerium geförderten KIT-Projekt „Klimaschutz gemeinsam wagen“.

Digitale Hilfe für alle, die Beistand suchen

Sie ist Vorstandsmitglied im Bürgerverein Waldstadt und hat seit Ausbruch der Corona-Pandemie besonders auf Facebook eine digitale Hand für diejenigen ausgestreckt, die Beistand und Informationen suchen. „Corona Karlsruhe – Ein Herz für Nachbarn“ heißt etwa eine Gruppe. Ein eigentlich als Vor-Ort-Angebot konzipiertes Quartiersprojekt, „Artelier Waldstadt“, hat sie ebenfalls ins Digitale verlegt: Während des Corona-Lockdowns diesen November bietet sie über die Facebook-Seite unter dem Titel „Innehalten am Mittag“ einen täglichen Livestream von 12 bis 12.15 Uhr an.

Das Handy, Facebook, das ist meine Nabelschnur zur Welt.
Monika Seelmann

Im Dezember plant sie ein weiteres Projekt, das Menschen zusammenbringen soll: „Stille Nacht Karlsruhe – Ein Herz für Bürger“ nennt sie es. Dort sollen Menschen, die wie sie Weihnachten alleine verbringen, in Kontakt kommen, um diese einsame Zeit gemeinsam zu überstehen.

„Das wichtigste ist, sich zu vernetzen. Das Handy, Facebook, das ist meine Nabelschnur zur Welt.“ Seelmann leugnet nicht, dass sie selbst auch von ihrem Engagement profitiert. Sie gehört zur Corona-Risikogruppe, ihr Ex-Mann, mit dem sie noch heute eng verbunden ist, ist schwer krank. Seelmann hat ihn im Corona-Jahr mehrmals in Belgien, wo er lebt, besucht und sich selbst der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus ausgesetzt. Jetzt, wo sich die Lage privat und in Bezug auf die Pandemie erneut zuspitzt, weiß sie nicht, ob sie noch einmal eine solche Reise machen kann.

Doch statt einsam zu verzweifeln, wird Seelmann immer wieder aktiv. Woher sie die Kraft dafür nimmt? „Ich bin eigentlich hochsensibel. Aber ich habe in meinem Leben spirituelle Erfahrungen gemacht, die mir eine gewisse Unverbrüchlichkeit eingebracht haben.“ Der französische Philosoph Albert Camus spiele dabei eine wichtige Rolle, erklärt sie. Nach seiner Ethik führe die Absurdität des Lebens nicht in die Resignation, sondern durch die innere Revolte zu einer bewussten Entscheidung für Nächstenliebe. Das macht auch für Seelmann Sinn: „Wenn mich etwas auszeichnet, dann ist es Mitgefühl.“

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