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Missbrauch in der Katholischen Kirche

Katholische Kirche setzt vor St. Stephan in Karlsruhe ein Zeichen gegen Missbrauch

Der Missbrauchsbericht der Katholischen Kirche schlägt hohe Wellen. In Karlsruhe gab es nun ein Gebet zur Solidarität mit den Betroffenen.

Eine Klagemauer in Karlsruhe: Vor St. Stephan konnten Passantinnen und Passanten Zettel mit ihren Gedanken anbringen. Die Ziegelsteine sollen nun in verschiedene Gemeinden gebracht werden.
Eine Klagemauer in Karlsruhe: Vor St. Stephan konnten Passantinnen und Passanten Zettel mit ihren Gedanken anbringen. Foto: Rake Hora

Der Ort wurde bewusst gewählt: Das solidarische Gebet mit Missbrauchsbetroffenen sollte an der Kirche, aber nicht in der Kirche stattfinden. Der Tag, an dem in Freiburg die Arbeitsgemeinschaft „Aktenanalyse“ einen Bericht zum Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Erzdiözese vorlegte, sollte in Karlsruhe im Zeichen der Betroffenen stehen.

„Nicht alle von ihnen, finden die Kraft, eine Kirche zu betreten“, sagt Barbara Geist, die das solidarische Gebet vor St. Stephan initiierte. „Als Mitglied im Pfarrgemeinderat von St. Nikolaus und auch einfach nur als Christin“, versichert sie. „Wir bringen mit diesem Gebet unsere Solidarität mit Betroffenen und Mitbetroffenen zum Ausdruck“, so Geist..

Mitstreiter fand Geist schnell: Neben den Kirchengemeinden Allerheiligen, St. Nikolaus und Südwest beteiligten sich auch das Stadtkloster Karlsruhe und Erika Kerstner, die vor über 20 Jahren die Initiative „GottesSuche“ gründete, eine ökumenische Internetplattform für Menschen mit Missbrauchserfahrungen.

Das „Vater unser“ auf den Prüfstand stellen

Barbara Geist stellt in der Beschäftigung mit dem Thema fest, wie schwer es ist, ein gesellschaftliches und gemeindliches Miteinander zu schaffen. „Schon die Sprache ist ein Problem“, sagt sie und erklärt, dass die Menschen, die Missbrauch erleben mussten, nicht als Opfer, sondern als Betroffene bezeichnet werden sollten.

Für jene Betroffenen, die den Glauben als Heimat und Stütze empfinden, ist es schwer, bestimmte Gebete und Rituale in Gottesdiensten zu hören, zu beten, zu erleben: „Wie sollen familiär Betroffene zu Gott beten, ohne Vater und Mutter zu nennen“, meint Geist. „Wenn jemand vom Vater missbraucht wurde, ist es schwer, das Vaterunser zu beten“, erklärt Sabine Moßbrucker vom Stadtkloster.

Sie hadert auch mit der Forderung nach Vergebung, die das Gebet enthält, denn für viele Betroffene sei es unmöglich, zu vergeben. Sie wünscht sich daher kreative Ideen, um Alternativen für manche liturgischen Elemente zu finden. „Müssen wir wirklich immer das Vaterunser beten?“, fragt sie.

Ulrich Beer-Bercher, auch er ist im Stadtkloster engagiert, erinnert daran, dass es für das Thema Missbrauch nie einen Schlussstrich geben könne: „Für die Betroffenen wirken die Folgen bis zum Lebensende“, sagt er und nutzt das solidarische Gebet, um den Erfahrungsbericht eines Betroffenen vorzutragen. „Wer Missbrauch erlebt, der will dem einfach nur entkommen. Man versucht zu fliehen, indem man vor sich selbst flieht. Und so ist man irgendwann ganz allein“, heißt es darin.

Christen sehen es als ihre Pflicht an, Betroffene zu unterstützen. „Wir als Gemeinschaft müssen das mit begleiten“, sagt Beer-Bercher mit Blick auf den Bericht aus Freiburg. „Das ist kein schönes Thema, aber wir werden keinen Haken dahinter setzen“, versichert er.

Kirchenunabhängige Plattform will Betroffenen von Missbrauch unterstützen

„Betroffene erleben sich als nicht zugehörig, als rausgefallen aus der Welt“, sagt Kerstner, die über ihre Plattform mit über 800 Betroffenen, vor allem Frauen, in Kontakt gekommen ist. „Wir müssen ein Angebot von Zugehörigkeit entgegensetzen“, ist sie überzeugt.

Kerstner bekommt in den Gesprächen, die sie führt, vermittelt, welche gesundheitlichen, beruflichen und sozialen Folgen der Missbrauch für die Betroffenen hat. „Viele scheitern in der Schule und in der Ausbildung und haben das Gefühl, weder den Menschen noch Gott vertrauen zu können“, sagt sie.

Ihre Plattform, die kirchenunabhängig ist und im gesamten deutschsprachigen Raum genutzt wird, sieht sie als Chance, verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen.

Gefühle und Erfahrungen zum Ausdruck bringen, das ermöglicht beim solidarischen Gebet auch die Klagemauer. In Ziegelsteinen, die auf den Stufen von St. Stephan aufgebaut sind, können Teilnehmer und Passanten Zettel mit ihren Gedanken anbringen. Für Geist ist dies „eine Möglichkeit der Beteiligung für jene, die nicht zum Gebet kommen können oder möchten“.

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