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Kritik an Reformplänen der Ampel

„Kauderwelsch im System“: Kliniken im Land von akuten Geldsorgen geplagt

Die finanzielle Lage der Krankenhäuser im Südwesten ist so düster wie lange nicht mehr. Ein Reformanlauf der Ampel-Koalition bringt einige neue Probleme mit sich.

Die Notfallversorgung in Deutschland ist akut reformbedürftig. Aktuell sind die Krankenhäuser überlastet, die eine intelligente Verteilung der Belastung auf mehr Schultern samt einer besseren Finanzierung fordern.
Die Notfallversorgung in Deutschland ist akut reformbedürftig. Aktuell sind die Krankenhäuser überlastet, die eine intelligente Verteilung der Belastung auf mehr Schultern samt einer besseren Finanzierung fordern. Foto: Arne Dedert /dpa

„Keine guten Aussichten“: So beurteilen die Klinikchefs in Baden-Württemberg die Perspektiven ihrer Einrichtungen zu Beginn des von der Ampel-Koalition initiierten Reformprozesses in der Krankenhausversorgung. Das System ist seit dem Abklingen der Corona-Pandemie extrem stark belastet; andererseits gilt es jedoch als unstrukturiert und nicht bedarfsorientiert.

Die von der Politik vorgesehenen Maßnahmen kämen zu spät, griffen zu kurz, dauerten zu lange und würden angesichts der knappen Finanzen die Häuser vor einem „Berg von Problemen“ stehen lassen, kritisierte am Donnerstag der QuMiK-Klinikverbund (Qualität und Management im Krankenhaus) in Baden-Württemberg, der 42 Kliniken mit rund 43.000 Mitarbeitern repräsentiert.

Verbund beklagt Riesen-Fehlbetrag

Gemeinsam versorgen sie jährlich stationär etwa eine halbe Million Patienten, Tendenz steigend. Da gleichzeitig die Einnahmen der Krankenhäuser bröckeln und die Investitionen vom Land hinter dem Bedarf zurückbleiben, sprachen die QuMiK-Vertreter auf einem Pressetermin von einer „existenzbedrohenden Situation“ im Verbund: Gäbe es dieses Jahr nicht deutlich mehr Geld, würden die Kliniken nach eigenen Schätzungen in einen dreistelligen Millionen-Minusbetrag rutschen.

Das erwartete Defizit aller Krankenhäuser in Baden-Württemberg wird bis zum Jahresende voraussichtlich auf mindestens 620 Millionen Euro steigen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die jüngsten Empfehlungen einer Regierungskommission für eine Vergütungsreform im stationären Sektor und eine bessere Notfallversorgung dazu nutzen, um die deutschen Krankenhäuser fit für die Zukunft zu machen.

Eine Krankenhaus-Reform sei „absolut notwendig“

Das System soll zudem schlanker und effizienter werden durch die „Ambulantisierung“ von klinischen Behandlungen, also ihrer Teilverlagerung aus dem vollstationären Bereich in die vertragsärztlichen Praxen. Ob das klappt, bezweifelnd die Klinikchefs im QuMiK aber.

Eine Krankenhaus-Reform sei „absolut notwendig“, sagte Matthias Ziegler, Geschäftsführer des Klinikums Esslingen. Denn: „Eine Fortsetzung der bestehenden Mangelverwaltung wird zu einer erheblichen Verschlechterung in der Krankenversorgung führen.“

Ziegler hält jedoch die Vergütungsreform, die eine Verringerung der sogenannten Fallpauschalen vorsieht und ein leistungsunabhängiges Vorhalte-Budget für die Krankenhäuser einführt, für schlecht durchdacht.

Die Eingriffe in die Krankenhaus-Vergütung würden die Erlöse für die baden-württembergischen Krankenhäuser um 375 Millionen Euro absenken, warnt der Fachmann. Das müsse die Politik ausgleichen. Ein weiteres Problem sind demnach die im Verhältnis zu den Gesamtkosten der Kliniken sinkenden Investitionen der Länder in Gebäude und Medizintechnik.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft bezifferte zuletzt den bundesweiten Bedarf für 2021 mit rund 6,7 Milliarden Euro, nur die Hälfte davon sei jedoch gezahlt worden.

Das Problem wurde vor Jahren erkannt.
Michael Geißler, Medizinischer Geschäftsführer des Städtischen Klinikums Karlsruhe

Ein weiterer „Brocken“ ist die Notfallversorgung. Sie wird heute in den Notaufnahmen der Krankenhäuser, ambulant durch niedergelassene Ärzte und durch den Rettungsdienst geleistet. Allerdings landen die Patienten immer häufiger ohne Not in den Kliniken, weil sie nicht wissen, wo es Hilfe gibt oder weil sie keine zeitnahen ambulanten Termine bei Ärzten bekommen.

Mehr Personal und eine Ausweitung der Telemedizin

„Das Problem wurde vor Jahren erkannt, seitdem wurde viel Zeit vertan“, kritisierte Michael Geißler, Medizinischer Geschäftsführer des Städtischen Klinikums Karlsruhe, der ein „Kauderwelsch“ von unklaren Zuständigkeiten im reformbedürftigen System beklagt.

Laut Geißler hat sein Klinikum vor Corona jährlich etwa 51.000 Notfälle behandelt. In der Pandemie habe es eine „Delle“ gegeben, dieses Jahr würden es aber wohl etwa 60.000 Notfälle sein.

Der Geschäftsführer sieht die Zukunft der Notfallversorgung in einer besseren Vernetzung der Akteure und einer intelligenteren Steuerung der Patienten durch Leitstellen, die lediglich die akuten Notfälle in die Notaufnahmen der Krankenhäuser lotsen.

Dazu bräuchte das System jedoch mehr Personal und eine Ausweitung der Telemedizin. Bei der Notfallversorgung von Kindern würden besonders die Videosprechstunden mit Online-Beratung der Eltern in vielen Fällen die Probleme lösen und die Ärzte entlasten, erwartet der Karlsruher. „Wir könnten ein System haben, das in anderen europäischen Ländern bereits ein Standard ist.“

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