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Krieg in der Ukraine

Kritik an Pro-Russland-Positionen von Drewermann bei Attac-Kongress in Karlsruhe

Um den russischen Angriff auf die Ukraine ging es in Karlsruhe beim Attac-Kongress. An dort gehaltenen Reden gibt es im Nachgang scharfe Kritik.

Theologe, Psychoanalytiker, Schriftsteller und suspendierter Priester Eugen Drewermann
Über die Nato und den Krieg in Russland sprach am Samstag im Tollhaus der Theologe und suspendierte Priester Eugen Drewermann. Foto: Jens Kalaene/dpa

Irgendwann hat es Lüppo Cramer beim Attac-Kongress im Tollhaus nicht mehr auf seinem Platz gehalten: „Russland muss raus aus der Ukraine, dann ist Frieden“, rief der Stadtrat der Karlsruher Liste im Zuschauerraum – und erntete Buhrufe. Noch am Montag treiben ihn die Reden um, die er wie folgt zusammenfasst: „Schuld sind die Nato, USA und Deutschland. Und die Ukraine ist selbst verantwortlich für den russischen Einmarsch.“ Cramer bilanziert: „Ich fand die Veranstaltung unerträglich.“

Bürgermeister Martin Lenz spricht von Linkspopulismus

Sozialbürgermeister Martin Lenz (SPD) sagt rückblickend: „Die dort vertretenen russlandfreundlichen Positionen sind für mich nicht zu akzeptieren.“ Der Dezernent spricht von Linkspopulismus und „viel zu flachen Argumentationen“. Unglücklich über den Verlauf des Tages sind auch die Verantwortlichen im Tollhaus, das sich als Mitveranstalter versteht. Geschäftsführerin Britta Velhagen kündigt Konsequenzen an.

Unter der Überschrift „Friedenserklärung – Beiträge zu einer friedlichen Welt“ sprachen unter anderem der Armutsforscher Christoph Butterwegge, der Psychologe Georg Rammer sowie der Schriftsteller und aus der katholischen Kirche ausgetretene Theologe Eugen Drewermann. „Prominent“ und „kompetent“ wurden die Referenten in der Ankündigung von Attac genannt, als Kooperationspartner des Kongresses unter anderem die Gewerkschaft Verdi und der Stadtjugendausschuss aufgeführt.

Der 82 Jahre alte Drewermann ist indessen sehr umstritten. Kritik erntete er beispielsweise für Äußerungen wie: „Ich lehne die Nato ab, weil sie die schlimmste Angriffsmaschinerie der Weltgeschichte ist.“ Im Streit um Drewermanns umstrittene Ansicht über die römische Amtskirche war ihm 1991 die Lehrerlaubnis entzogen worden. 1992 wurde er vom Priesteramt suspendiert und mit einem Predigtverbot belegt.

Applaus für Drewermann

Sein Vortrag beim Kongress lautete „Vom Krieg zum Frieden“. Schon im Vorfeld der Veranstaltung von Attac erklärten Rammer und Siegfried Mutschler-Flirl: „An diesem Thema liegt Drewermann sehr viel.“ Den Zweiten Weltkrieg noch als Kind erlebt, beschwor Drewermann am Samstag in Karlsruhe zum Ukraine-Krieg einen Frieden, der „kein Siegfrieden durch Waffen“ sein dürfe. Statt den Konflikt auf Putin zu personalisieren, müssten die Ursachen gesehen werden, denn „die östliche Ausdehnung der Nato“ sei das Problem. Das Publikum applaudierte.

Einige verließen während der Rede aber den Saal – darunter Tollhaus-Chefin Velhagen. „Ich dachte, ich muss mir das nicht anhören“, erklärte sie am Montag. Ihre Position ist klar: „Die Russen sind in die Ukraine einmarschiert und haben das Unrecht auf ihrer Seite. Darüber muss es Konsens geben.“ Missfallen habe ihr nicht nur die Rede Drewermanns, sondern ebenso die Tatsache, dass es über diese danach keinen Austausch gab.

Tollhaus-Chefin Velhagen kündigt Konsequenzen an

Da das Tollhaus Attac die Räume sehr günstig überlasse, verstehe man sich als Mitveranstalter. „Wir unterstützen den Austausch zum Jahresbeginn.“ Bei der Auswahl der Themen und Referenten sei Attac bisher sehr eigenständig gewesen. Als Konsequenz vom Samstag werde man sich künftig mehr einbringen und Programme prüfen.

Lauten Applaus spendete Lenz Stadtrat Cramer für dessen Zwischenruf, wie der Bürgermeister selbst sagt. Der Stadtrat erzählt: „Einige Sitznachbarn wurden dagegen aggressiv. Damit habe ich kein Problem.“ In der Pause hätten andere ihm Anerkennung ausgesprochen. „Sie sagten, dass sie nicht den Mut hatten, aufzustehen.“ Cramer tat dies zum Ende der Rede von Rammer. „Der sprach aber immerhin noch von einem Angriffskrieg, den er nicht toleriere“, berichtet Cramer.

Thema Kinderarmut

Lenz wiederum war eigentlich wegen Butterwegge vor Ort, wie er sagt. Dieser Redner habe vor 15 Jahren beim Attac-Kongress Hartz-IV und die Armut bei Kindern unter 15 Jahren thematisiert. Inzwischen habe sich die Zahl der Betroffenen in Karlsruhe aber halbiert. „Beim Kongress damals habe ich ein Grußwort gesprochen“, erinnert sich Lenz. Am Samstag sei ein solches nicht erbeten gewesen. Lenz sagt: „Von den Reden am Samstag war ich überrascht.“ Es gebe aber eine Attac-Vergangenheit vor dem Krieg. Oft habe er die Erweiterung der Sichtweisen als bereichernd empfunden, auch im Themenfeld Kinderarmut. Damit ergebe sich auch eine Verbindung zum städtischen Stadtjugendausschuss.

Dessen Vorsitzender Daniel Melchien war am Samstag nicht vor Ort. Er erklärt am Montag auf Nachfrage der BNN: „Wir lehnen alles ab, was den schrecklichen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine relativiert oder das menschliche Leid in Abrede stellt.“ Butterwegge sprach am Samstag auch zur Situation in der Ukraine. Er sagte: „Ich bin kein Putinversteher.“ Aber es sei nicht nur einer allein für den Krieg verantwortlich.

Attac wurde 2001 in Karlsruhe gegründet und hat eigenen Angaben zufolge über 300 Mitglieder. Die Gruppierung bezeichnet sich als „soziale Bewegung, ein breites gesellschaftliches Bündnis, das sich für soziale und ökologische Gerechtigkeit im Globalisierungsprozess einsetzt“.

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