
Einmal die Fresken von Moritz von Schwind ganz aus der Nähe betrachten, aus der Vogelperspektive den Feuerbach-Saal erleben, durch die Decke in den Mohl-Flügel gelangen – eine virtuelle 360-Grad-Besichtigung der Kunsthalle Karlsruhe ermöglicht geradezu magische Momente.
Wobei das Betrachten dieser Räume ohnehin etwas Besonderes ist, denn das Haus ist seit Anfang November 2021 für mehrere Jahre wegen Sanierung geschlossen. Doch online kann es nach wie vor erkundet werden – auf eigene Faust oder jetzt auch in Führungen.
Den Auftakt des Führungsangebotes riefen rund 150 Teilnehmer aus verschiedenen Teilen der Republik ab, darunter aus Dresden, Mainz und vom Bodensee, aber auch aus der Schweiz. Einige von ihnen hatten noch nie die Kunsthalle besucht. Unterschiedlich waren entsprechend auch die Reaktionen auf das Eingangsfoyer, das einerseits als überwältigend und opulent, aber auch als kitschig wahrgenommen wurde.
Doch konnten die beiden Mitarbeiterinnen Tamara Engert und Astrid Reuter rasch den Eindruck einer angestaubten Institution zerstreuen.
Geschichten aus 176 Jahren Museumsgeschichte
Engert und Reuter wurden virtuell „platziert“ im Foyer und im Grünem Saal, im Kupferstichkabinett und im Oberlichtsaal im Mohl-Anbau der 1980er Jahre. Mit viel Bildmaterial vermittelten sie dialogisch Einblicke hinter die Kulissen und erzählten kenntnisreich Geschichten aus der mittlerweile 176-jährigen Historie des Hauses, das zu den traditionsreichsten Kunstmuseen in Deutschland zählt.
Deutlich wurde dabei, dass sich seit der Einweihung 1846 die Anforderungen an den Museumsbau, aber auch der Anspruch daran, was ein Museum leisten können sollte, signifikant geändert haben. Nahezu zwei Jahrhunderte Museumsgeschichte werden hier lebendig.
Dies beginnt bereits bei der Architektur. Für den Hauptbau zeichnete Heinrich Hübsch verantwortlich. Da in Richtung der heutigen Innenstadt nur kleine Gebäude das Stadtbild prägten, wirkte das Gebäude damals noch imposanter als heute und war bei der Eröffnung die Hauptattraktion.
Anfangs war der Eintritt kostenfrei
Mit der Kunsthalle wollte man schon damals ein neues Publikum, nämlich die Stadtbevölkerung erreichen. Deshalb war sie für alle ohne Eintritt geöffnet, man konnte sich vom Museumsdiener – nachdem die Schuhe abgeputzt waren – herumführen lassen.
Der Anbau von Heinz Mohl mit seiner nüchternen Architektur hingegen reagierte auf die Forderungen, die Kunst in den Mittelpunkt zu stellen, während im Altbau Ausstellung und Gestaltung miteinander harmonieren sollten. Doch veränderte sich gerade im Grünen Saal die Nutzung: Früher standen hier Abgüsse antiker Skulpturen, worauf mit dem Malerei-Programm an den Wänden reagiert wurde.
Künstliches Licht erst seit 1970
Hier lässt sich auch der Wandel bezüglich Beleuchtung und Präsentation gut nachvollziehen. Denn die Spot-Beleuchtung, die heute üblich ist, war früher ebenso wenig eine Selbstverständlichkeit wie die Heizung. Geöffnet war das Museum einst nur, solange es hell war; erst 1970 wurde elektrisches Licht in den historischen Galerieräumen installiert. Die erste Zentralheizung kam dagegen bereits im Jahr 1900, weil Temperaturschwankungen den Kunstwerken schadeten.
In den Jahren der Schließung soll das virtuelle Führungsangebot dazu beitragen, das Haus nach außen hin lebendig zu halten. Zudem wurde der Grüne Saal virtuell komplett leergeräumt, so dass Besucher sich selbst als Kuratoren versuchen und die Werke der Sammlung im Raum platzieren können.
Eine tatsächliche Begegnung mit Glanzlichtern der Kunsthalle soll ab dem kommenden Herbst wieder möglich sein, und zwar im Zentrum für Kunst und Medien (ZKM): Dort sind dann ausgewählte Werke „zu Gast“, die einen Querschnitt durch die Sammlung vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart bieten.
Service
Einen virtuellen Rundgang bietet https://tour.kunsthalle-karlsruhe.de/. Weitere online-Angebote unter www.kunsthalle-karlsruhe.de/kalender/.