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Gemeinderat Karlsruhe

Kuriose Gemeinderatsdebatte: Keiner hat die Beschlussvorlage zur Quartiersentwicklung verstanden

Ratlose Volksvertreter und ein 19-seitiges Förderprogramm: Der Karlsruher Gemeinderat versteht ein Konzept zur Quartiersentwicklung nicht. Was ist da los?

Abstimmung im Gemeinderat
Ja, aber nur wenn nachgebessert wird: Eine Beschlussvorlage zur Quartiersentwicklung lässt den Karlsruher Gemeinderat ratlos zurück. Foto: Jörg Donecker

Zweimal wurde das Projekt mit dem Titel „Weiterentwicklung Soziale Quartiersentwicklung mit aufeinander abgestimmten Fördermodulen“ im Sozialausschuss beraten, einmal im Hauptausschuss und nun auch im Gemeinderat.

Trotzdem sind noch längst nicht alle Fragen geklärt. Und deshalb soll die sieben Seiten starke Beschlussvorlage trotz der mehrheitlichen Zustimmung noch einmal überarbeitet werden.

Das Ziel des Projekts ist dabei noch klar formuliert: Die soziale Arbeit in den Quartieren sowie die Stadtteilhäuser, wie Bürgerzentren künftig heißen werden, sollen gezielter finanziell gefördert werden.

Viele Anfragen sind leider immer noch nicht beantwortet worden
Thomas Müller, CDU-Stadtrat

Außerdem will die Sozial- und Jugendbehörde die ehrenamtliche Arbeit in den einzelnen Stadtteilen stärken. Doch wie das passieren soll, und wie die an die Beschlussvorgabe angehängten auf 19 Seiten ausgeführten Vorgaben zur Förderung eines Stadtteilhauses umgesetzt werden sollen, das ist nach etlichen Informationsveranstaltungen und mehreren Ausschusssitzungen eigentlich noch keinem Mitglied des Gemeinderats klar.

Unbeantwortete Anfragen

„Viele Anfragen sind leider immer noch nicht beantwortet worden“, sagte CDU-Stadtrat Thomas Müller in der Gemeinderatsdebatte.

Deshalb sehe der die Beschlussvorlage lediglich als Startschuss für ein neues Konzept der sozialen Quartiersentwicklung. „Änderungen müssen wir noch einmal beraten“, so Müller weiter.

Denn ein solches Konzept sollte „offen, transparent, verständlich und nachvollziehbar“ sein.

Andere Mitglieder des Gremiums äußerten deutliche Kritik an den bürokratischen Vorgaben. „Ehrenamtliche werden durch die geforderten Module abgeschreckt“, sagte SPD-Stadträtin Irene Moser.

„Bislang sind die Unterlagen noch zu abstrakt“, ergänzte FDP-Stadtrat Tom Høyem. „Wir wollen wissen: Was passiert mit richtigen Menschen in echten Häusern?“

Kritik an Bürokratie

Inhaltlich wurde das bisherige Konzept ebenfalls kritisiert. „Man sollte das Wort Quartiersentwicklung ernster nehmen, also mehr auf Quartiere schauen und nicht auf ganze Stadtteile“, sagte Linken-Stadträtin Karin Binder.

Die Südstadt etwa sei kein homogener Stadtteil und werde trotzdem als großes Ganzes gesehen. Dadurch werde der hohe soziale Förderbedarf im alten Teil der Südstadt nicht richtig abgebildet.

Bürgerverein ist überfordert

Zustimmung erhält Binder von Martina Hillesheimer. Die Vorsitzende der Bürger-Gesellschaft der Südstadt gehörte zu den aufmerksamen Besuchern der Gemeinderatssitzung.

„Wir haben in der Südstadt viele Migranten, viel Armut, viele Kinder“, sagt Hillesheimer. Deshalb könne sie nicht nachvollziehen, dass der Bedarf an sozialer Quartiersarbeit als verhältnismäßig gering eingestuft werde. „Die Kriterien für die Förderung eines Stadtteilhauses sind ebenfalls sehr hoch gehängt“, so Hillesheimer weiter.

„Das ist für einen Bürgerverein eher entmutigend.“ Das Südwerk an der Grenze zwischen alter Südstadt und dem Konversionsgebiet Südstadt-Ost soll aber weiterhin als Bürgerzentrum genutzt werden, das steht spätestens seit der Gemeinderatsdebatte fest.

Theoretisches Werk

Ernüchternd empfand die Chefin der Bürger-Gesellschaft auch die Genese des Entwicklungskonzepts Sie sei bei mehreren Arbeitsgruppen dabei gewesen, erzählt die promovierte Medizinerin, aber immer wieder habe sie sich gefragt, was dort eigentlich gemacht werde.

Mit ihrer Einschätzung ist sie nicht alleine. „Es ist ein sehr theoretisches Werk. Man muss sich fragen, warum während des Prozesses so viele Leute ausgestiegen sind“, betonte Friedemann Kalmbach. Für den Stadtrat von Für Karlsruhe ist das bisherige Beteiligungsverfahren ein „typisches Beispiel für einen Top-Down-Prozess“, bei dem die Verwaltung etwas vorgibt und die Bürger nicht mitgenommen werden.

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