Wenn der Herzschlag „stolpert“ oder zu rasen beginnt, dann ist es für die Betroffenen immer ein Schreckmoment. Das sogenannte Vorhofflimmern gilt als häufigste Ursache von Herzrhythmusstörungen, allein in Deutschland sind davon schätzungsweise 1,8 Millionen Menschen betroffen.
Obwohl diese Anomalie des Herzschlags nicht akut lebensbedrohend ist, ist sie nicht ungefährlich. Das Risiko eines Schlaganfalls steigt und Herzschwächen können sich ausbilden. Am Städtischen Klinikum Karlsruhe wurde jetzt eine neue Behandlungsmethode eingeführt, die laut Armin Luik, Sektionsleiter am Klinikum, ein „Gamechanger“ ist. Die operative Behandlung von Vorhofflimmern werde gerade revolutioniert.
Auf dem OP-Tisch liegt an diesem Morgen ein 41-jähriger Karlsruher und Kerstin Schmidt hat mit der Behandlung bereits begonnen. Luik beobachtet den Eingriff auf den Monitoren im Nebenzimmer. Das größere Problem sei gewesen, den Patienten „schlafen“ zu legen. „Nach der ersten Dosis des Medikaments hat er munter weiter geredet“, schmunzelt Luik. Es wurde kurz „nachgesteuert“ und die OP begann.
Ursachen der Krankheit sind noch unklar
Über eine Hohlvene im Leistenbereich wurde ein Herzkatheter in den Körper eingeführt und auf die Reise ins Herz geschickt. Das ist auch bei minimalinvasiven Eingriffen am Herzen die gängige Methode, für die Ärzte am Klinikum Alltagsgeschäft. Inzwischen ist die Sektion Elektrophysiologie am Klinikum, die Luik leitet, offiziell zertifiziertes „Vorhorfflimmerzentrum“ und darauf ist man stolz. Jetzt folgt der nächste Schritt.
Die Krankheit selbst ist noch immer ein rätselhaftes Phänomen, von dem man nur weiß, dass es mit zunehmendem Alter verstärkt auftritt und Männer häufiger betroffen sind als Frauen. Was das Vorhofflimmern auslöst, weiß man aber seit rund 24 Jahren. Aus den vier Lungenvenen werden plötzlich elektrische Impulse ausgesandt, die gegen den normalen Herzrhythmus „schießen“ und diesen aus dem Takt bringt.
Anfangs wurden einfach die störenden Areale mit dem Einsatz von Hitze verödet. Mit gutem Erfolg, doch wurde hierdurch die Vene verengt. Das Blut floss nicht mehr so gut. Seit 15 Jahren wird deshalb nicht mehr an der Vene, sondern am benachbarten Herzmuskelgewebe angesetzt. Hier wird eine Art Isolationsschicht aufgebaut, so dass die elektrischen Impulse aus den Venen nicht mehr im Herzen ankommen. Mit Hilfe von Radiofrequenzenergie werden dabei rund 50 bis 60 Punkte an jedem Übergang zur Lungenvene gesetzt. Ein Verfahren, das viel Geschick und vor allem Zeit erfordert.
Klinikum ist Vorreiter in Baden-Württemberg
Mindestens zweieinhalb Stunden dauert solch ein Eingriff und es gibt nicht selten Nebenwirkungen. Bei der „Elektroporation“ geht es jetzt deutlich schneller und gezielter. Als erstes, nicht-universitäres Krankenhaus in Baden-Württemberg und als eine von bisher nur rund 50 Kliniken weltweit, bietet das Städtische Klinikum dieses Verfahren seit Anfang September an.
Dabei wird gepulster Gleichstrom mit 2.000 Volt Spannung eingesetzt, um Zellmembran von Herzmuskelzellen – und nur von Herzmuskelzellen – zu zerstören. Die Isolationsschicht wird ohne die Gefahr, dass Nervenzellen, Speiseröhre oder andere organische Strukturen geschädigt werden könnten, aufgebaut.
Da das Instrument nicht mehr punktförmig ist, sondern aus fünf biegsamen Drähten besteht, die wie eine Blumenblüte aufgefaltet werden können, wird an mehreren Stellen gleichzeitig behandelt. Die Behandlungszeit verkürzt sich so auf rund eine Stunde, was gerade bei älteren Patienten ein wichtiger Aspekt ist.
Unsere ersten Erfahrungen mit dieser Technologie sind extrem positiv.Armin Luik, Arzt
„Unsere ersten Erfahrungen mit dieser Technologie sind extrem positiv“, berichtet Luik. „Besonders erfreulich ist, dass mit dieser Methode weniger Komplikationen auftreten und sie somit noch sicherer als die bisherigen Verfahren ist.“
Oft ist die Besserung schon direkt nach dem Eingriff spürbar, spätestens nach zwei Monaten sollte das „Chaos“ beim Herzrhythmus aber der Vergangenheit angehören. Schon wenige Stunden nach der Operation kann der Patient erste Schritte wagen, nach zwei Nächten im Klinikum wird er dann entlassen.