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Bleibt Karlsruhe Fahrradhauptstadt Deutschlands?

Mit den Fahrradklimatest-Fragen des ADFC in Karlsruhe auf Tour

Kerstin Schmidt fährt täglich mit dem Rad aus der Weststadt in die City. Sie kennt knifflige Passagen, freut sich aber auch über Fahrradstraßen. Seit zwei Jahren gilt Karlsruhe als bundesweit fahrradfreundlichste Großstadt. Jetzt läuft die Neubewertung.

9.11.2020 Die Karlsruher Vielradlerin Kerstin Schmidt erklärt an der Ecke Hildapromenade/Stabelstraße Risiken für Kinder und Jugendliche, die mit dem Fahrrad zu den Schulen an Bismarck-, Seminar- und Moltkestraße unterwegs sind. Im Hintergrund das Oberlandesgericht Karlsruhe.
Riskante Ecke: Die Karlsruherin Kerstin Schmidt findet es an der Ecke von Hoffstraße (hinten), Hildapromenade und Stabelstraße (rechts) ganz schön gefährlich. Dort radeln viele Kinder und Jugendliche in die Schule. Foto: Jörg Donecker

Seit in der Weststadt faires Parken verlangt wird, hat Kerstin Schmidt Platz, wenn sie ihr Fahrrad aus der Haustür schiebt. Der Gehweg ist nicht mehr zugeparkt. Sie wird gut gesehen und hat selbst freien Blick, wenn sie losradelt zur Kaiserallee am Ende der Körnerstraße.

Aber hoppla, was ist das? Schwungvoll kommt ein Radfahrer gesetzteren Alters aus der Anliegerstraße in der falschen Fahrtrichtung um die Ecke und schneidet noch voll die Kurve. „Das passiert hier ständig“, sagt Kerstin Schmidt.

Wachsam ist die Karlsruherin auch an der Einmündung der Schillerstraße. An der Ampel steigt sie ab und schiebt ihr Rad über die Kaiserallee. „Nicht alle Autofahrer beachten das Rotlicht“, weiß sie.

Seit rund 30 Jahren fährt die sportliche Frau in Karlsruhe Fahrrad. Jetzt hat sich die Systemadministratorin zum ersten Mal durch ebenso viele Fragen des ADFC-Fahrradklimatests geklickt. Der zuletzt bundesweit fahrradfreundlichsten Großstadt Karlsruhe stellt Kerstin Schmidt ein gutes Zeugnis aus. Nur viel mehr Information und Werbung rund ums Miteinander im Verkehr wünscht sie sich.

Höllische Vorsicht in der Enge am Gleis

Die tägliche Radfahrt zum Arbeitsplatz auf dem KIT-Campus Süd genießt Kerstin Schmidt, ängstlich ist sie nicht. Aber beim Weg über die Schienen in der Kaiserallee passt sie höllisch auf. Zwei Passanten halten eine hochbetagte Frau mit Gehstock davon ab, vor einer Stadtbahn aufs Gleis zu treten. Die Wartefläche ist eng, einer der Männer stützt den Arm der Dame. „Hier drängen sich jeden Tag die Fünftklässler, da wird mir oft ganz mulmig“, sagt die Radlerin. „Für Fahrräder mit Anhänger passt es auch überhaupt nicht.“

Weiter geht es in die Virchowstraße. Das Schild „Fahrradstraße“ interpretieren Autofahrer dort als „Einfahrt verboten“, beobachtet Kerstin Schmidt. Die Fahrbahn ist eng, vor den Wohnhäusern stehen Autos. „Dass derjenige warten muss, auf dessen Seite das Hindernis steht, wird hier oft nicht praktiziert“, sagt die Radfahrerin. Unsichere radeln da lieber auf dem Gehweg am Zaun des Klinikgeländes.

Schutzengel gefragt

Die nördliche Hildapromenade erreicht die Radfahrerin nahe dem Haydnplatz. Es gilt Tempo 30, Kerstin Schmidt fährt gut 400 Meter auf der Fahrbahn. Die meisten anderen radeln auf dem Gehweg. Dessen äußere Hälfte war früher Radweg. So sieht der Belag immer noch aus, nur die Schilder sind abgeschraubt. Als vom Generallandesarchiv her noch ein Radfahrer entgegenkommt, wird es für zwei Spaziergängerinnen zu eng für entspanntes Plaudern auf der Promenade.

Am Sandsteinportal des Verwaltungsgerichts, kurz vor dem mächtigen Oberlandesgericht Karlsruhe, erreicht Schmidt die Hoffstraße. Sie ist Fahrradstraße. Kinder und Jugendliche radeln dort täglich in Scharen mit dem Fahrrad zu den Schulen an Bismarck-, Seminar- und Moltkestraße. „Hier an der Stabelstraße sind viele Schutzengel unterwegs“, sagt Kerstin Schmidt. „Die Schüler sausen über die Straße und gucken nicht links und nicht rechts.“

Zebrastreifen stoppt Autokolonnen

Nun kommt die Reinhold-Frank-Straße in Sicht. „Ich nehme gern den Fahrbahnteiler“, sagt die IT-Expertin. „Eine Richtung überblicken und dann die andere, da fühle ich mich sicher.“ Drei Radfahrer kommen nach und nach dazu, aber Autokolonnen in beide Richtungen lassen keine Chance. Erst als jemand links den Zebrastreifen überquert und die Autos warten, kommt der Pulk um Kerstin Schmidt durch die Verkehrslücke.

Drüben in der Bismarckstraße fahren zwei Radlerinnen nebeneinander, wie es in Fahrradstraßen erlaubt ist. Eine Autofahrerin folgt langsam und hält Abstand. „Das ist selten“, erzählt Schmidt. Bei nächster Gelegenheit schwenkt eine der Radlerinnen kurz beiseite, da reicht der Platz zum Überholen.

Gutes Zeugnis für die Fahrradstadt

„Ich finde, in Karlsruhe ist inzwischen vieles gut eingerichtet für Radfahrer“, sagt die Karlsruherin, die seit 1992 mit dem Rad in der Stadt unterwegs ist. Auch ihr Mann und die 15 und 18 Jahre alten Töchter würden gern und viel Fahrrad in Karlsruhe fahren. Doch noch klappt das Miteinander zu schlecht, findet Kerstin Schmidt. „Dann frage ich mich: Sind die Menschen gedankenlos? Fehlt das Wissen? Oder sind sie doch rücksichtslos?“

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