Im Restaurant Nagels Kranz gehen die meisten Gäste normalerweise nur wenige Minuten nach dem Abendessen nach Hause. „Eigentlich ist bei uns um halb elf immer schon Feierabend“, sagt Serviceleiterin Sandra Klipfel. Dass ab Sonntag in sämtlichen Gastronomiebetrieben im Stadtgebiet um 23 Uhr Sperrstunde ist, werde sich auf den Umsatz im Neureuter Traditionslokal deshalb kaum auswirken.
Verbesserung des Situation ist nicht in Sicht
„In Karlsruhe gehen die Leute normalerweise recht früh essen. Speiserestaurants werden die neue Regelung deshalb überleben“, sagt auch der Karlsruher Dehoga-Vorsitzende Waldemar Fretz. Anders sehe es allerdings bei Bars, Kneipen und Nachtlokalen aus. „Für diese Betriebe ist die Sperrstunde ein weiterer schwerer Schlag“, stellt Fretz klar. Schließlich sei gerade die Event-Gastronomie von der Krise besonders schwer getroffen, und eine Verbesserung der dramatischen Situation sei in den kommenden Wochen nicht in Sicht.
Der Grund für die Einführung der Sperrstunde ist der erwartete Anstieg der Sieben-Tages-Inzidenz auf über 50 neue Corona-Infektionen pro 100.000 Bewohnern in den vergangenen sieben Tagen in Karlsruhe. „Wir setzen dabei lediglich die Vorgabe der Landesregierung um“, betont Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD). Außerdem dürfen sich in Gaststätten künftig maximal zehn Personen, die aus mehr als zwei Haushalten stammen, gemeinsam an einen Tisch setzen.
Die Einhaltung der Sperrstunden wird künftig vom Kommunalen Ordnungsdienst und der Polizei kontrolliert. Bei Verstößen drohen Wirten und Gästen empfindliche Bußgelder. Einen besonders hohen Kontrolldruck werde es in Karlsruhe aber nicht geben, betont Björn Weiße. „Wenn eine Regel aufgestellt wird, halten sich die Leute normalerweise auch daran“, sagt der Leiter des Ordnungsamts. Und bei schwerwiegenden Verstößen erhielten die Ordnungsdienste oft Hinweise aus der Bevölkerung.
„Sippenhaft“ für „Sündenböcke“?
Überhaupt nicht zufrieden mit der neuen Regelung ist Imanuel Cortez. „Eine Sperrstunde um 23 Uhr ist Unfug und nur schwer nachvollziehbar“, sagt der Mitarbeiter von Judys Pflug in Durlach. Aus wirtschaftlicher Sicht sei die behördlich verordnete frühe Schließung von Kneipen und Lokalen der nächste Rückschlag für die schwer gebeutelte Branche. „
Wenn sich die Leute mal festsitzen, bestellen sie was zu trinken. Und mit Getränken macht man bekanntlich den meisten Umsatz“, sagt Cortez. Mit der Sperrstunde würden Kneipengänger und junge Leute einmal mehr als Sündenböcke für die Ausbreitung des Coronavirus in Sippenhaft genommen.
Ähnlich kritisch sieht auch Christian Müller die Einführung der stadtweiten Sperrstunde. „Am Wochenende ist das fatal. Da brechen wichtige Einnahmen weg“, sagt der Inhaber des Kultlokals Kap in der Kapellenstraße. Außerdem ist der Ladenschluss um 23 Uhr seiner Meinung nach kein probates Mittel zur Eindämmung der Corona-Pandemie. „Wenn die Leute um diese Uhrzeit gehen müssen, feiern sie halt woanders weiter. Und dann wird es noch kuscheliger“, sagt Müller. Deshalb wäre eine Sperrstunde ab 1 Uhr seiner Einschätzung nach sinnvoller gewesen.
Den Rechtsweg einschreiten und klagen, wie es Kollegen in anderen Landkreisen bereits getan haben, will Müller aber auf keinen Fall. Prinzipiell unterstütze er die Hygiene-Vorgaben. Nur manchmal seien diese eben nicht zielführend.
Lokale bei der Umsetzung alleine gelassen
Was Müller fast noch mehr ärgert als die Sperrstunde ist der Umstand, dass die Lokale bei der Umsetzung der Hygienekonzepte bislang weitgehend alleine gelassen wurden. „Anfangs hieß es noch, dass regelmäßig kontrolliert wird und man etwas Unterstützung erhält. Vorbeigekommen ist aber niemand“, sagt der Kap-Chef.
Mit etwas Mühe und dem politischen Willen hätte man den Schutz der Gäste in vielen Lokalen durch professionelles Platzmanagement oder Sicherheitskontrollen am Eingangsbereich sicherlich optimieren können, so Müller. „Die Leute halten ohnehin schon Abstand. Und die Enthemmung durch Alkohol beginnt meistens erst sehr spät in der Nacht.“