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„La Vie“ in Karlsruhe

Queere Jugendliche in Karlsruhe treffen sich online

Der Karlsruher Treff „La Vie“ ist für Jugendliche aus der LSBTTIQ*-Gemeinschaft eine wichtige Anlaufstelle. Die Schließung wegen Corona trifft die Stammgäste hart.

© Jodo-Foto /  Joerg  Donecker//  15.01.2021  Elli Steiner im " La Vie",      -Copyright - Jodo-Foto /  Joerg  Donecker Sonnenbergstr.4  D-76228 KARLSRUHE TEL:  0049 (0) 721-9473285 FAX:  0049 (0) 721 4903368  Mobil: 0049 (0) 172 7238737 E-Mail:  joerg.donecker@t-online.de Sparkasse Karlsruhe  IBAN: DE12 6605 0101 0010 0395 50,
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Farbenfroh. Eli Steiner ist als Leiterin des Jugendtreffs „La Vie“ Ansprechpartnerin für junge Menschen aus der bunten LSBTTIQ*-Gemeinschaft. Foto: Jörg Donecker

Die Einsamkeit macht Anika während der Corona-Krise am meisten zu schaffen. Freunde, denen sie blind vertrauen kann, hat die 23-Jährige nur wenige. Seit dem Lockdown und der damit verbundenen Schließung des Jugendtreffs „La Vie“ fehlt ihr eine wichtige Anlaufstelle mit vertrauten Gesprächspartnern. Anika gehört zur sogenannten LSBTTIQ*-Gemeinschaft: einer Gemeinschaft von Menschen außerhalb der heterosexuellen und zweigeschlechtlichen Norm.

„Zum Glück gibt es da auch ein Online-Angebot. So kann man mit Gleichgesinnten besprechen, was einen im Alltag alles beschäftigt“, sagt Anika. Gleichgesinnte zu finden ist für sie nämlich kein einfaches Unterfangen.

Vor 23 Jahren wurde sie im Körper eines Jungen geboren und erst mit dem Beginn der Pubertät bemerkte Anika, dass sie eigentlich eine Frau ist. Bis zum Coming-out und der Entscheidung, zur eigenen Identität zu stehen, war es aber noch ein langer Weg.

In der Schule wurde Anika gemobbt, und auch die Eltern mussten zunächst Wege zum richtigen Umgang mit dem eigenen Kind suchen. „Heute steht meine Familie aber zu 100 Prozent hinter mir“, sagt Anika.

Beruflich läuft es ebenfalls gut, im Frühjahr beginnt sie eine Ausbildung bei den Verkehrsbetrieben Karlsruhe. Doch bei Fremden ist sie immer noch unsicher. Wegen ihrer tiefen Stimme redet Anika in ungewohntem Umfeld nur ungern.

Wenn der Traum vom Enkelkind platzt

Für Eli Steiner ist Anika kein Einzelfall. Die Leiterin des queeren Jugendtreffs „La Vie“ des Stadtjugendausschusses Karlsruhe kennt die Sorgen und Nöten von lesbischen, schwulen, transsexuellen, asexuellen oder queeren Jugendlichen aus dem Effeff. Viele junge Menschen entdecken erst während der Pubertät ihre sexuelle und geschlechtliche Identität, so Steiner.

Für Jugendliche mit Neigungen abseits der Heterosexualität beginne dann ein schwieriger Findungsprozess sowie die Suche nach dem richtigen Zeitpunkt für ein Coming-Out. „Auch Eltern sind nicht immer eine Hilfe. Für viele Mütter und Väter platzen mit dem Outing oft Träume von Enkelkindern oder der Hochzeit des eigenen Kindes.

Deshalb brauchen auch sie Unterstützung“, betont Steiner – zumal viele Träume, wie etwa eine Hochzeit oder Kinder, mittlerweile problemlos weiter verwirklicht werden können. Auch Klassenkameraden oder Freunde könnten mit der Situation oft nicht umgehen. Deshalb sei ein sonderpädagogisches Beratungsangebot für Jugendliche aus der LSBTTIQ*-Gemeinschaft besonders wichtig.

Jugendliche nutzen virtuelles Angebot

Weil sie oft auf sich alleine gestellt sind, haben die regelmäßigen Gäste des queeren Jugendtreffs während der Corona-Krise überdurchschnittlich oft mit Vereinsamung zu kämpfen. Um den jungen Menschen Gelegenheit zum Reden zu bieten, haben Treff-Leiterin Eli Steiner und ihre Mitstreiter deshalb auf der digitalen Plattform Discord ein virtuelles Jugendzentrum mit Treffpunkten für den spontanen Austausch und Räumen für persönliche Gespräche im geschützten Umfeld konzipiert.

Einlass ist nur für die Stammgäste und angemeldete Neuzugänge möglich. „Mittlerweile treffen sich online fast genauso viele Leute wie bei unseren normalen Öffnungszeichen. Das zeigt, wie groß der Beratungsbedarf in dieser Gruppe ist“, sagt Jugendtreff-Leiterin Eli Steiner.

Bei der Beratung sei vor allem wichtig, dass man den jungen Menschen vollkommen offen und vorurteilsfrei begegne. Die geschlechtliche Identität sowie die sexuelle Orientierung könne sich schließlich niemand aussuchen. Beides sei auch unabhängig von Herkunft oder Erziehung.

Populistische Parteien befeuern Vorurteile

Dass zu Stammgästen im Jugendtreff „La Vie“ überdurchschnittlich viele Abiturienten und Studierende gehören, liegt für Einrichtungsleiterin Eli Steiner im Umgang mit Homosexuellen oder Transsexuellen in gewissen sozialen Schichten begründet. Wo Beleidigungen wie „schwule Sau“ oder „dreckige Tunte“ zum normalen Umgangston gehörten, falle das Outing besonders schwer.

In gewissen Blasen werden Homosexualität und Transsexualität noch immer als Krankheit oder abnormal bezeichnet.
Eli Steiner, Leiterin Jugendtreff „La Vie“

Aus Angst vor Ablehnung oder Beleidigung werde die eigentliche Identität selbst vor der Familie verheimlicht. Auch sonst ist das Verständnis für Menschen abseits traditioneller heterosexueller Normvorstellungen nach Erfahrung von Jugendtreff-Leiterin Eli Steiner nicht weit genug verbreitet.

In manchen Sportarten, etwa im Männer-Fußball, sind Outings von homosexuellen Athleten noch immer die absolute Ausnahme. Sorgen bereiten Steiner vor allem die homophoben Äußerungen von populistischen AfD-Politikern und Verschwörungstheoretikern.

„In gewissen Blasen werden Homosexualität und Transsexualität noch immer als Krankheit oder abnormal bezeichnet. Solche Aussagen tragen zur Spaltung der Gesellschaft bei und machen den Betroffenen das Leben schwer“, sagt Eli Steiner, Leiterin des Karlsruher Jugendtreffs.

Deshalb müssten sich sämtliche demokratischen Parteien einig sein, dass Deutschland ein offenes Land sei: „Geburtsort und Herkunft dürfen bei der Bewertung eines Menschen ebenso wenig eine Rolle spielen wie die geschlechtliche Identität oder die sexuelle Orientierung.“

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