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Ausstellung „Matter. Non Matter. Anti Matter“

Noch einmal ins Centre Pompidou von 1985: ZKM Karlsruhe rekonstruiert alte Ausstellungen

Virtuelle Ausstellungen sollten analoge Ausstellungen ergänzen. Das Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) zeigt seit Freitag in „Matter. Non Matter. Anti Matter“ wie das geht.

Ein Mann mit VR-Brille im ZKM.
In einer anderen Ausstellung: Im ZKM kann man virtuelle Modelle vergangener Ausstellungen besuchen. Foto: Uli Deck/Artis

Es ist ein wenig wie Zauberei: Im Bürostuhl sitzen und durch eine monumentale Ausstellung navigieren, die vor 20 Jahren stattgefunden hat. Projektmitarbeiter Felix Koberstein demonstriert, wie es geht. Wenn er sich mit dem Stuhl nach rechts oder links wendet, bewegt sich der Cursor auf dem bis zum Boden reichenden Screen.

Mit einer Handtastatur ruft er das Menü auf, über Schlagworte gelangt er zu einzelnen Themen, Kunstwerken oder Installationen der ZKM-Ausstellung „Iconoclash“. Eine Fülle von Archiv-Dokumenten und Informationen zu der 400 Objekte umfassenden Schau können individuell aufgerufen werden.

Alte Ausstellungen können virtuell wieder besichtigt werden

Dieses Interface ist Teil der Ausstellung „Matter. Non Matter. Anti Matter“, die am Freitag im ZKM eröffnet wurde. Sie zeigt Ergebnisse des EU-Forschungsprojekts „Beyond Matter“, was so viel heißt wie „Jenseits der Materie“.

Es ging darum, neue Formate zu finden, um komplexe Ausstellungen wie „Iconoclash“ virtuell zu rekonstruieren. Die den postmodernen Bildbegriff intradisziplinär verhandelnde Ausstellung von Bruno Latour und Peter Weibel reichte vom politisch oder religiös motivierten Bildersturz bis zu Verfahren, um naturwissenschaftliche Erkenntnisse sichtbar zu machen.

Räumlichen Kontext besser dokumentieren

Die Idee zu dem vierjährigen Projekt, das neue Möglichkeiten virtueller Dokumentation erforscht, geht auf Livia Nolasco-Rozsas zurück. „Mir kam der Gedanke, dass eine digitale Methode erarbeitet werden sollte, um den räumlichen Kontext von Ausstellungen besser zu verstehen und besser dokumentieren zu können. Darauf habe ich den Projektplan von Beyond Matter aufgebaut“, sagte die Kuratorin.

Virtuelle Ausstellungen sollten zunehmend analoge Ausstellungen ergänzen. Die Pandemie habe gezeigt, wie wichtig das sei. Zentral für das Forschungsvorhaben ist aber der Aspekt eines interaktiven Archivs, das mit Hilfe von KI enorme Datenmassen zugänglich machen kann.

Neben „Iconoclash“ können Besucher im ZKM die legendäre Ausstellung „Les Immatériaux“ besuchen, die 1985 im Centre Pompidou in Paris stattfand. Das experimentelle Szenario ging auf den französischen Theoretiker Jean-François Lyotard zurück. Es verband Technik und Ästhetik, um den technologisch bedingten Wandel in unserem Verhältnis zum Material erlebbar zu machen.

Französische Kollegen vom Centre Pompidou erstellten eine virtuelle Version von „Les Immatériaux“, die zwar aufgrund ihres besonderen Charakters von „Iconoclash“ abweicht, aber auf einem gegenseitigen Gedankenaustausch mit dem Team in Karlsruhe und anderen Teilnehmern beruht.

Eine Installation per Kopierer

Wie sinnlich Fragen zum Objekt und seiner Repräsentation gestellt werden können, zeigt die Installation „Toutes les Copies“, all diese Kopien, von Liliane Terrier, die im ZKM in Aktion zu bewundern ist. In einem Plexiglas-Kubus erstellt die Künstlerin am Kopierer Bilder von einem Käse, von Efeuranken, einer Brezel, von Turnschuhen. Auf dem Papier hinterlassen die Objekte eine Struktur, eine Zeichnung, die jeweils einen eigenen Reiz haben.

Die Ausstellung präsentiert einige Werke aus beiden virtuell rekonstruierten Ausstellungen. Den gekreuzigten Frosch von Martin Kippenberger etwa, eine mittelalterliche Pièta, bei der Maria und Jesus der Kopf abgeschlagen wurde, eine der Farbstudien von Josef Albers. Im Rahmen von Beyond Matter wurden zudem bei zeitgenössischen Künstlern neue Werke in Auftrag gegeben.

Der kanadische Künstler Jeremy Bailey nutzt für „Das perfekte Museum“, eine Augmented Reality App. Besucher können es sich auf einer Liege bequem machen und mit Hilfe eines Tablets, die virtuellen Mega-Ausstellungen auf den eigenen Körper projizieren.

Die erste documenta ist auch dabei

Gezeigt werden auch andere Formen von Virtual Reality Projekten wie „Dislocation“, eine Version des virtuellen Kuratierens oder eine kunsthistorisch interessante VR, die Raumansichten der Inszenierung des größten Ausstellungsraums der ersten documenta in Kassel zeigt, in dem am Kopfende ein monumentales Wandbild von Fritz Winter hing.

Wer einen Blick in die Zukunft der Museumsarbeit werfen möchte, wird Freude an dieser avancierten Projektschau haben. Vielleicht lernt er auch eine neue Seite von „Iconoclash“ kennen, im ZKM oder am Rechner zuhause über den Link auf zkm.de.

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