Ein letzter dumpfer Schlag, ein lautes Knacken. Dann neigt sich der gut 45 Meter hohe ehemalige Funkturm langsam, ehe er mit Wucht auf dem Boden aufschlägt. Gegen 13.20 Uhr am Dienstag fällt in der Karlsruher Nordstadt ein heimliches Wahrzeichen des sogenannten C-Areals.
Sprengung oder konventioneller Abriss wären schwieriger geworden
Am Vormittag haben Mitarbeiter einer eigens angereisten Spezialfirma mit der Vorbereitung begonnen. Sie schlugen mit einem Bagger eine große Kerbe in die Struktur. „Wir haben uns dafür entschieden, den Turm zu fällen wie einen Baum“, erläutert Projektmanager Marius Mauch vom Entwickler CG Elementum. Das sei in diesem Fall am effektivsten.
Vorab hatten die Planer überlegt, den Funkturm zu sprengen. Dafür hätte man aber die südlich angrenzenden Gebäude der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) räumen müssen, möglicherweise auch einige Wohnhäuser auf der anderen Seite der Erzbergerstraße.
Auch ein „konventioneller Abriss“, also die Abtragung von oben nach unten, wäre mit größeren Einschränkungen verbunden gewesen. Die wichtige Nord-Süd-Achse Erzbergerstraße wäre länger dicht gewesen.
Kleines Grillfest auf dem Balkon
Für die „Fällung“ müssen Autos, Radfahrer und Straßenbahnen nun eine halbe Stunde eine Umleitung fahren beziehungsweise warten. Um 13 Uhr beginnen die Spezialisten, die Kerbe mit einem ferngesteuerten Bagger zu vergrößern. Mit pinker Farbe haben sie zuvor markiert, wo sie den riesigen Meißel ansetzen wollen. Als die weg ist, hat sich der Turm allerdings noch nicht gerührt. Ein paar kräftige Meißelschläge neben der Markierung später ist es dann so weit. Der Funkturm geht genau im vorab berechneten Bereich nieder.
Ich habe auch die alte Bebauung geliebt. Aber es ist Zeit für etwas Neues.Martin Müller, Investor
Von einem Balkon aus beobachtet Martin Müller das Geschehen gemeinsam mit einigen Mitarbeitern und Freunden. Es gibt Würstchen und Bier. Vor acht Jahren hatte der Investor das Gelände gekauft, seit Herbst 2021 ist er Vorstandsmitglied bei CG Elementum.
Der Funkturm war eines der letzten alten Bauwerke, die bis Ende März abgerissen werden, um Platz für rund 1.000 Wohnungen und Büros zu machen. „Ich habe auch die alte Bebauung geliebt“, sagt Müller ein wenig nostalgisch. „Aber es ist Zeit für etwas Neues.“
Abriss liegt im Zeitplan
Der Fall des Funkturms hat für das Großprojekt Symbolcharakter. In den vergangenen Wochen hatte die mit dem Abriss beauftragte Baufirma Oettinger weite Teile des Areals dem Erdboden gleichgemacht. Wo bis vor Kurzem eine Waschbahn stand, stapelt sich Metallschrott. Vom Eingangsbereich des ehemaligen Café Noir ist noch ein golden angesprühter Hydrant geblieben. An manchen Stellen liegen mit kunstvollen Graffiti verzierte Mauerstücke.
Wir wollten keine Schaulustigen anlocken. Da ging es um die Sicherheit.Firmenkreise
„Wir liegen mit dem Abriss im Zeitplan“, berichtet Projektmanager Mauch. Zwei Gebäude am südwestlichen Rand werden der Abrissbirne noch begegnen. Auch ein zentral gelegenes Bauwerk, das Oettinger bislang als Baubüro nutzt, wird den April nicht mehr erleben. „Wie es die Artenschutzvorgaben verlangen, werden wir bis zum 31. März fertig sein“, kündigt Mauch an.
Beim Abriss des Funkturms hat sich CG Elementum bis zuletzt bedeckt gehalten. „Wir wollten keine Schaulustigen anlocken. Da ging es um die Sicherheit“, heißt es aus Firmenkreisen. Ein paar Familien mit ihren Kindern haben sich am Dienstag trotzdem hinter den Bauzäunen eingefunden, einige Anwohner machen Fotos und Videos vom spektakulären Fall. Auch auf einer Terrasse der DHBW stehen ein paar Menschen.
Bürgerverein ärgert sich über Informationsfluss
Beim Bürgerverein kam die zögerliche Informationspolitik des Projektentwicklers derweil nicht gut an. „Das einfach durchzuziehen, ohne nach links und rechts zu schauen, ist nicht okay“, sagt der Vorsitzende Marcus Dischinger. Schließlich falle das im Stadtteil auf, wenn Straßen und Bahnen gesperrt werden und schließlich ein großer Rumms zu hören sei.
Erst vor wenigen Tagen sei plötzlich der Zugang zum Alten Flugplatz und damit die wichtige Verbindung zur Nordweststadt einfach gesperrt worden. „Es ist ganz schwierig, dass keine Informationen fließen“, kritisiert Dischinger.
CG Elementum verliert nach dem Fall des Turms keine Zeit. Vier große Bagger machen sich kaum zehn Minuten später an der massiven Struktur zu schaffen. Das Projekt wird nach dem Abschluss der Abrissarbeiten in die nächste Phase übergehen.
Es geht unter anderem um Altlasten und Kampfmittel-Verdachtsfälle im Boden und die Planung für die zukünftige Bebauung. Martin Müller hatte das Areal 2014 gekauft. „Man muss schon viel Geduld mitbringen“, sagt er am Dienstag schmunzelnd.