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Kinderhilfswerk Uneson hat „Glücksräder“

Karlsruher Lernfreunde verschenken aufpolierte Fahrräder

Die Karlsruher Lernfreunde bringen ausrangierte Drahtesel wieder in Schuss und stellen sie Menschen zur Verfügung, die ein Rad brauchen.

Konzentriert bei der Arbeit: Amour Moayad repariert bei den Lernfreunden ausrangierte Räder. Hier schauen ihm Suela und Syart aus dem Kosovo über die Schultern.
Konzentriert bei der Arbeit: Amour Moayad repariert bei den Lernfreunden ausrangierte Räder. Hier schauen ihm Suela und Syart aus dem Kosovo über die Schultern. Foto: Jörg Donecker

Die ersten Glücksräder rollen schon durch Karlsruhe. Und Jasmin Sahin will noch vielen weiteren Menschen einen Drahtesel schenken – gebraucht, aber verkehrstauglich hergerichtet.

Für die Gründerin des Kinderhilfswerks Uneson ist das Projekt ein weiterer Ansatz, um nachhaltig Gutes zu tun. Vor vier Jahren rief Jasmin Sahin zunächst die Lernfreunde ins Leben: An der Grenze zwischen Ost- und Waldstadt werden seither in einem alten KIT-Verwaltungsgebäude Flüchtlingskinder unterrichtet. Ergänzt wurde die Schule um eine Kleiderkammer, in der sich nicht nur Asylsuchende, sondern alle Bedürftigen bedienen können.

Wenn jemand mit seinem neuen Gefährt von unserem Hof rollt, wird kräftig geklingelt und applaudiert. Das ist unsere kleine Zeremonie.
Jasmin Sahin

„Wir haben auch immer wieder alte, ausrangierte Räder gespendet bekommen“, sagt Jasmin Sahin. Diese gab sie regelmäßig an Menschen weiter, die dringend ein Rad brauchen. Zum Beispiel an Studenten, denen ihres geklaut wurde. Oder an weniger gut betuchte Eltern, deren Kinder ein erstes Laufrad oder ein kleines Kinderrad brauchten.

Jetzt ist die Sache offiziell mit Glücksrad überschrieben. „Es ist ja ein Glück, wenn ein gebrauchtes Rad einen neuen Besitzer findet“, so Jasmin Sahin. Sie erzählt: „Wenn jemand mit seinem neuen Gefährt von unserem Hof rollt, wird kräftig geklingelt und applaudiert. Das ist unsere kleine Zeremonie.“

Lehramts-Student aus Syrien bot sich als Fahrrad-Reparateur an

Bevor geklatscht werden kann, ist erst einmal Moayad Amour gefragt. Der gebürtige Syrer studiert Lehramt an der Pädagogischen Hochschule und bot sich den Lernfreunden als ehrenamtlicher Lehrer an. Bei einem ersten Kennenlerngespräch erwähnte er, dass er seit zwei Jahren in der Radabteilung eines Sportgeschäfts jobbt.

Jasmin Sahin war begeistert: „Wir brauchen jemanden für unsere Räder!“ Knapp 40 stehen aktuell im Lager. Einmal die Woche kommt Moayad Amour nun ins Lernfreundehaus, um die gebrauchten und zum Teil reparaturbedürftigen Räder wieder in Schuss zu bringen. „Wir sind hier aber keine Werkstatt, wir bringen nur die gespendeten Räder auf Vordermann “, stellt Jasmin Sahin klar. Sie freut sich auch über Werkzeugspenden.

Wenn Moayad Amour schraubt, schauen ihm die Lernfreunde-Schüler gerne über die Schulter. Der 30-Jährige erklärt ihnen, was er tut. In drei, vier Jahren ist der 30-Jährige Realschullehrer, er studiert Englisch und islamische Theologie. „Ich will noch einen Master im Sport draufsatteln“, sagt der Mann, der fließend Deutsch spricht – und vor wenigen Jahren noch nicht viel über Deutschland wusste.

Übersetzer wollte er in Syrien werden. „Ich habe in Damaskus Englisch-Arabisch studiert.“ In seiner Heimatstadt Daraa hatte er gegen das System demonstriert. „In Damaskus traute ich mich das nicht. Ich kannte die Stadt und die Leute nicht.“ Staatsbedienstete wollte schließlich Namen von ihm: Wer seiner Kommilitonen geht auf die Straße? „Ich habe nichts gesagt. Deshalb durfte ich nicht weiter studieren.“ Sein Bruder saß zu dem Zeit schon im Gefängnis. Er hatte protestiert.

Flucht aus Syrien über Jordanien nach Deutschland

Während der Vater auf die Freilassung seines Jungen wartete, ging die Mutter mit den übrigen sechs Kindern nach Jordanien. Einige Zeit später kamen die beiden Männer nach, „mein Bruder war gefoltert worden und nicht mehr der Gleiche“, wie Moayad Amour sagt.

In Jordanien durfte er als Flüchtling nicht arbeiten. „Ich habe zwei Jahre nichts gemacht, wurde depressiv.“ Sein Vater entschied: Moayad und dessen Schwager sollten das Land verlassen. Zunächst ging es in die Türkei. „Dort standen Schlepper auf die Straße, die Angebote machten.“ Für eine am Ende neunköpfige Gruppe führte der Weg nach Griechenland und dann zu Fuß und per Bus von Staat zu Staat. „Mein Ziel war kein bestimmtes Land. Ich wollte nur mein Leben fortsetzen“, sagt der 30-Jährige.

Im November 2015 kontrollierten ihn Polizisten in Passau. Seither lebt er in Deutschland. Anfangs in einer Flüchtlingsunterkunft, heute in einem Studentenwohnheim. „Ich bin hier angekommen“, sagt Moayad Amour.

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