Skip to main content

Meinung

von Andreas Jüttner

Zweifel bleiben

Reformprozess am Staatstheater darf keine Worthülse werden

Seit der Führungskrise läuft ein Reformprozess am Staatstheater Karlsruhe. Im Programmbuch für die nächste Saison finden sich allerdings Anzeichen, dass Macht immer noch nicht wirklich geteilt wird.

Badisches Staatstheater
Nicht nur außen, sondern auch innen wird vieles umgebaut am Staatstheater Karlsruhe. Nach der nächsten Saison soll mit dem Intendanzwechsel ein neues Kapitel aufgeschlagen werden. Foto: Rake Hora

Die Signale stehen auf versöhnliche Stimmung zum Abschied. Noch gut 15 Monate wird die aktuelle Leitung die Geschicke des Staatstheaters Karlsruhe prägen. Dann steht der Neustart unter dem designierten Intendanten Christian Firmbach an.

Es wird kein Intendanzwechsel wie sonst in der Branche üblich: Ohne die schwere Führungskrise, deren Auswirkungen das Haus bis heute beschäftigen, wäre der einstige Generalintendant Peter Spuhler wohl noch bis 2026 im Amt.

Und ohne die Corona-Pandemie hätte sich die weibliche Leitungsriege der drei Hauptsparten in Karlsruhe wohl deutlich prägender profilieren können als es ihr in der vergleichsweise kurzen Zeitspanne des regulären Theaterbetriebs möglich war.

Zwischen den Zeilen lässt sich einiges herauslesen

Wehmut darüber wurde bei der Vorstellung des kommenden Saison-Spielplans nur angedeutet. Doch was sich zwischen den Zeilen der Ankündigungen herauslesen lässt, legt nahe, dass intern nicht auf ungeteilte Zustimmung trifft, was für die Zukunft des Staatstheaters beschlossen wurde.

Zur Erinnerung: In den Nachwehen der Führungskrise wurde eine neue Führungsstruktur zwar von der Kulturpolitik mit viel Partizipations-Wortgeklingel angepriesen, letztlich aber ruckzuck festgezurrt.

Und auch das Vorgehen, den künftigen Intendanten nach Beginn der Theaterferien zu benennen, hatte schon fast handstreichartige Züge. Zumal Firmbach zwar wohl ein gut geeigneter, allerdings dem Vernehmen nach auch der einzige verfügbare Kandidat war.

Ins Auge fallen Fragen zu Macht und Verantwortung

Insofern ist es vielleicht kein Zufall, wenn im neuen Programmbuch einiges mehrdeutig wirkt. Die Neuproduktionen der Oper etwa drehen sich ausdrücklich um Fragen der Macht.

Das Schauspiel setzt augenzwinkernd eine Komödie mit dem Titel „Der ideale Mann“ an und zitiert daraus fettgedruckt: „Die Wahrheit ist eine so komplexe Angelegenheit wie die Politik ein komplexes Geschäft ist.“ In der Inhaltsangabe zu dem Singspiel „Unsere kleine Farm“ heißt es, „das Eintreffen eines neuen Pächters“ drohe „mit dem Ende des Bauernhofs, wie wir ihn kennen“.

Die partizipative Sparte Volkstheater stellt ihre Spielzeit unter das Motto „Wer entscheidet?“ Und selbst in der sachlichen Beschreibung von Friedrich Dürrenmatts Komödie „Die Physiker“ kann einem folgender Satz ins Auge fallen: „Wie verhalten sich Macht, Freiheit und Verantwortung zueinander?“

Dass solche Sätze in Theaterprogrammen stehen, ist völlig normal. Denn auf der Bühne werden solche Fragen seit jeher zur Diskussion gestellt. Erst wenn der Reformprozess am Staatstheater erreicht, dass man bei diesen Sätzen nicht mehr an den Theaterbetrieb selbst denkt, ist er nachweislich mehr als eine wohlklingende Worthülse.

nach oben Zurück zum Seitenanfang