Das Spielprinzip und seine grafische Darstellung sind simpel: Aus der Mitte entspringt der Gegner, den es mittels „Fire“-Button zu eliminieren gilt, sonst krabbelt der auf den Rand des durch farbige Striche definierten Spielfelds und eliminiert den Spieler.
Tempest heißt dieses Schmuckstück frühen Videospieldesigns vom Hersteller Atari. Zur Zeit steckt es noch in einem provisorischen Spanplattengehäuse, ist aber spielbar. „Wir hatten die Originalplatine“, erklärt Klaus-Peter Berg.
Er ist einer der besonders Technikversierten im Karlsruher Verein RetroGames, der sich der Erhaltung und Pflege der Videospielkultur verschrieben hat. Was aber fehlte, waren ein passender Bildschirm und das Originalgehäuse. So eines hat der Verein inzwischen aus den USA ergattern können, es wird noch gesäubert und restauriert, etwa kaputte Spanplatten im Boden ausgetauscht und Macken in der Bemalung ausgebessert.
Schaltpläne für alte Arcade Games (noch) frei im Netz verfügbar
Die größere Schwierigkeit war der Bildschirm, wie Berg erklärt: Die Original-Platine, auf der alle nötigen Informationen und Schaltkreise für das Spiel verbaut sind, war für einen so genannten Vektorbildschirm gemacht.
Bei dieser in den 1960ern entwickelten Technik werden Linien und Punkte direkt auf den Leuchtschirm gezeichnet – im Gegensatz zum klassischen Röhrenfernseher, der das Bild in einem Raster zeilen- und spaltenweise aufbaut. „Vektor-Monitore gibt es fast nicht mehr, auch auf Gebrauchtwarenmärkten sind sie nur noch schwer zu haben“, erklärt Berg. Was also tun?
Dem passionierten Technikbastler gelang das Kunststück, aus einem handelsüblichen Computerbildschirm einen Vektorbildschirm nachzubauen. Solche kreativen Lösungen wie auch die Instandhaltung und Reparatur der technischen Komponenten von Arcade Games seien nur möglich, weil die Original-Schaltpläne frei im Internet verfügbar seien, erklärt Berg. Das könnte sich aber mit der geplanten Urheberrechtsreform der EU ändern, befürchtet er.
Der Elektroingenieur für Digitaltechnik lernte schon als Schüler, mit Logik-Schaltkreisen umzugehen. Auch andere Vereinsmitglieder brächten das nötige Know-how mit, zum Beispiel seien ausgebildete Fernsehtechniker dabei. Und Arbeit gibt es mehr als genug, allein, es fehlt der Platz.
Das Lager ist voll mit Konsolen und Komponenten
Im Lager stapeln sich Arcade-Gehäuse, Computer und Kisten mit Controllern, Verbindungskabeln und Kult-Spielekonsolen vergangener Jahrzehnte – etwa ein Commodore 64 und Konsolen-Klassiker wie die Playstation. Und dazugehörige Controller-Systeme, Joysticks, Lenkräder und Drehknäufe.
„Jedes Spiel hat ja seine eigene Steuerung“, sagt Berg. Das habe man auf die Heimcomputer-Systeme zu übertragen versucht.
Nächstes Projekt: ein Computer Space von 1971
In der Ausstellung, die auch von Nicht-Vereinsmitgliedern besucht und bespielt werden kann (siehe Hintergrund), stehen rund 80 Spielautomaten, darunter auch Flipper. Im Lager ruhen noch einmal so viele Geräte, außerdem stellt das ZKM in der Ausstellung Gameplay ein paar Retro-Exemplare des Vereins aus. „Wir würden uns gerne vergrößern“, sagt Vereinschef Mario Berluti.
Selbst in dem kleinen Nebenzimmer, in dem sich die Vereinsmitglieder treffen, werden Schätze aus der Kulturgeschichte der Videospiele gelagert. Da steht zum Beispiel ein Automat aus sonnengelbem Fiberglas, der mit seinem kurvigen Design aussieht wie von Luigi Colani persönlich entworfen: Das Original-Gehäuse für Computer Space aus dem Jahr 1971, das erste kommerzielle, münzbetriebene Computerspiel.
An den weltweiten Publikumserfolg von Pong aus dem Jahr 1972 kam Computer Space zwar nicht heran. Doch für Sammler ist der Automat heute ein echter Schatz. „Alles davor war noch ohne Bildschirm“, erklärt Berluti. Frühere Spielautomaten waren rein (elektro-)mechanisch, mit real existierenden Spielfiguren, etwa Rennautos oder Flipperkugeln.
Computer Space ist heute eine Rarität. „Es gibt wohl nur noch 20 gelbe Exemplare weltweit“, sagt Berluti. Zwischen 20 000 und 25 000 US-Dollar würden dafür bezahlt – wenn man überhaupt einen finde, der zum Verkauf stehe.
Das Karlsruher Exemplar hat der Verein über Kontakte in der Retrogaming-Szene von einem Sammler aus Holland bekommen. „Der hatte den Automaten zu einem Pac-Man-Spiel umgebaut. Eigentlich ist das ja Frevel“, meint Berluti schmunzelnd. Auch diesem Sammlerstück will Klaus-Peter Berg wieder neues, ursprüngliches Leben einhauchen.
Der Mythos um Pac-Man
Doch die Fans der Punkte mampfenden gelben Scheibe kommen trotzdem auf ihre Kosten. In der Ausstellung stehen mehrere Originale des Kult-Spiels. Wie zu vielen anderen kennt Berluti dazu eine Anekdote, die viel über das Verhältnis zwischen Spiele-Industrie und der (amerikanischen) Gesellschaft aussagt: Pac-Man hieß eigentlich Puckman.
„Es wurde anfangs nur in Japan und dann in Europa verkauft“, erzählt Mario Berluti. Doch als das Spiel auch in die USA verkauft wurde, habe man offenbar verhindern wollen, dass allzu kreative Jugendliche das „P“ an der Automatenfront mit Filzstift in ein „F“ ummalen…
„Das wäre im prüden Amerika ja gar nicht gegangen“, schmunzelt Berluti. „Und nur deshalb trägt eines der ikonischsten Videospiele überhaupt diesen Namen.“ Ein Spiel – zwei Originale.
RetroGames e. V.
Der im Jahr 2002 gegründete Verein RetroGames will die Kultur der elektronischen Videospiele in Deutschland erhalten und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Die Ausstellung in der Gablonzer Straße 11 kann jeweils am ersten Dienstag des Monats ab 19 Uhr und immer samstags ab 20 Uhr besucht werden. Für ein Eintrittsgeld von 5 Euro kann dann an allen Automaten nach Lust und Laune gespielt werden. Zudem gibt es die Möglichkeit, die Räume für Veranstaltungen zu buchen. Bei Kindergeburtstagen etwa sind dann nur die für Kinder geeigneten Automaten eingeschaltet.
Weitere Informationen unter www.retrogames.info