Wer ihr Vorbild ist? Die Frage ist Maryna Zanevska sichtlich unangenehm. Sie wolle nicht falsch verstanden werden, sagt die junge Frau und betont, dass sie bestimmt nicht eingebildet sei. „Ich habe keine. Aber ich versuche immer, das Beste von jeder Spielerin zu übernehmen“, erklärt Zanevska.
Und dann nennt die Tennisspielerin, die inzwischen für Belgien antritt, doch noch einen Namen. Einen, der nicht wirklich überrascht, wenn man sie auf dem Center Court der Liqui Moly Open so spielen sieht: den von Maria Sharapova. „Ich habe sie immer gemocht. Für mich war es eine Spielerin mit einer mentalen Stärke, nach der ich immer gestrebt habe“, sagt Zanevska.
Gute Nerven hatte die 28-Jährige auch in ihrem Viertelfinal-Match am Freitagvormittag benötigt. Gegen die Ungarin Anna Bondar lag sie bereits mit 1:6 und 2:4 hinten, ehe ihr die Wende gelang. 1:6, 6:4, 6:4 hieß es am Ende, am Samstag kämpft Zanevska nun gegen die Italienerin Martina Trevisan um den Final-Einzug.
Auftreten von Zanevska bei den Liqui Moly Open erinnert an Sharapova
Die Eleganz und Leichtfüßigkeit, mit der sich Zanevska über den Court bewegt, gepaart mit den kraftvollen Grundschlägen und der einen oder anderen raffinierten Variante, erinnern durchaus an das Spiel der ehemaligen Weltranglistenersten Sharapova.
Mit präzisen Aufschlägen, knallharten Winnern von hinten und gefühlvollen Stopps zog sie der kampfstarken Bondar letztlich den Zahn, nachdem sie in den ersten eineinhalb Sätzen keine Mittel gegen die frühere Bundesliga-Spielerin des TC Rüppurr gefunden hatte.
Wenn das normal für mich wäre, würde ich jetzt gerade bei den US Open spielen.Maryna Zanevska, Tennisspielerin aus Belgien
Und als es im dritten Satz nach einer zwischenzeitlichen 4:0-Führung noch einmal eng wurde, packte Zanevska nicht nur Stöhngeräusche à la Sharapova aus, sondern auch ihr bestes Tennis. Der Standard ist das nicht bei ihr, wie die Belgierin mit ukrainischen Wurzeln selbst zugibt. „Wenn das normal für mich wäre, würde ich jetzt gerade bei den US Open spielen“, sagt Zanevska und schmunzelt.
Geboren ist sie 1993 im ukrainischen Odessa. Mit 14 Jahren zieht sie wegen der besseren Trainingsbedingungen nach Belgien, treibt dort unter anderem an der Akademie von Justine Henin in Limelette ihre Karriere voran. Später nimmt sie die belgische Staatsbürgerschaft an. „Ich habe nicht geplant, Belgierin zu werden“, sagt Zanevska, doch über die Jahre sei die Möglichkeit entstanden. Inzwischen hat sie schon zweimal für das belgische Fed-Cup-Team aufgeschlagen.
Zanevska hat ersten WTA-Titel im Rücken
Sie sei „Belgierin mit ukrainischem Blut“, erklärt Zanevska, betont aber auch, dankbar zu sein, für das, was das Land und der Verband ihr gegeben haben. „Ich versuche es ihnen nun mit meinen Resultaten zu danken“, betont sie. Zuletzt klappte dies ziemlich gut. Ende Juli gewann Zanevska im polnischen Gdynia ihren ersten WTA-Titel, nachdem sie sich sieben Wochen zuvor im slowenischen Otocec einen weiteren auf der ITF Tour gesichert hatte.
„Ich denke, es ist ein Prozess“, sagt sie über ihre jüngsten Erfolge. „Ich bin jetzt mehr als zehn Jahre auf der Tour und ich bin glücklich, dass ich noch immer lerne. Gegen starke Spielerinnen gute Matches zu gewinnen, das gibt mir Selbstvertrauen. Genau wie die tägliche Arbeit. Das passiert nicht über Nacht.“
Gegen Bondar half auch ein Quäntchen Glück
Über Nacht hofft Zanevska nun aber genügend Kraft zu tanken für das Duell mit Trevisan. Vielleicht darf sie am Sonntag dann die nächste Trophäe in die Höhe recken. Ein Quäntchen Glück, das weiß Zanevska, wird sie dafür auch benötigen.
So wie beim Spielstand von 1:6, 3:4 und 30:40 gegen Bondar, als sie einen kniffligen Rückhand-Smash nicht sauber traf und ihre Gegnerin damit überraschte. „Natürlich brauchst du auch Glück auf deiner Seite“, sagt Zanevska, „aber ich glaube, dass du dir es verdienen musst“.