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Wer war Gertrud Heid?

Schweizer Amtsrichter sucht Erben einer gebürtigen Karlsruherin

Welche Lebensgeschichte mag Gertrud Heid gehabt haben? In der Schweiz ist die gebürtige Karlsruherin hochbetagt gestorben. Von möglichen Erben gibt es bisher weit und breit keine Spur.

Erben gesucht: Das Amtsgericht in Locarno fahndet derzeit nach möglichen Verwandten einer älteren Dame, die in der Stadt am Lago Maggiore verstorben ist.
Erben gesucht: Das Amtsgericht in Locarno fahndet derzeit nach möglichen Verwandten einer älteren Dame, die in der Stadt am Lago Maggiore verstorben ist. Foto: Urs Flueeler/dpa

In Locarno lässt es sich ganz gut leben. Dort im Tessin, an den Gestaden des Lago Maggiore, ist das Klima bekömmlich und die Aussicht meistens rosig. Man blickt auf das Castello Visconteo, man kann per Standseilbahn hinauffahren zur Wallfahrtskirche der Madonna del Sasso oder es sich auch einfach auf einer Parkbank gemütlich machen und lesen. Zum Beispiel die Novelle „Das Bettelweib von Locarno“ von Heinrich von Kleist.

Womit wir eigentlich schon fast mitten im Thema wären. Nicht um ein Bettelweib soll es freilich gehen, sondern gewissermaßen um das Gegenteil. Um eine Dame also, die nach Lage der Dinge nicht ganz unvermögend war. Und die – das verbindet sie wieder mit der Titelheldin der romantischen Gespenstergeschichte – in Locarno gestorben ist.

Die Frau, um die es gehen soll, stammte ursprünglich nicht aus dem schweizerischen Locarno. Sondern aus Karlsruhe. Ihr Name war Gertrud Heid, am 28. Oktober 1924 hat ihre Mutter Franziska sie in der badischen Kapitale entbunden.

Es war die Zeit, da auf dem ehemaligen Exerzierplatz im Nordwesten der Stadt ein Flugplatz entstand, und die Einführung der Rentenmark die krisenhaften Zustände des vorangegangenen Jahres 1923 überwinden half. Karlsruhe hatte damals rund 140.000 Einwohner, also noch nicht einmal die Hälfte der heutigen Zahl. Und bei der Reichstagswahl im Dezember 1924 traten die Nationalsozialisten zwar bereits an, sie blieben jedoch noch unbedeutende Splitterpartei.

Gertrud Heid wurde 1924 in Karlsruhe geboren

Im Jahr 1924 also kam in Karlsruhe Gertrud Heid auf die Welt, und nun, ein knappes Jahrhundert später, ist sie in Locarno gestorben. Die gebürtige Karlsruherin hat keine Nachkommen hinterlassen. Alles, was die Wahl-Schweizerin stattdessen hinterlassen hat, fällt deshalb nun möglicherweise an den Kanton Tessin. Es sei denn, es finden sich noch entfernte Verwandte von Gertrud Heid.

Richter Marco Agustoni vom zuständigen Amtsgericht Locarno-Città, Piazza Grande 16B, in 6601 Locarno, hat deshalb unlängst in den BNN unter der Anzeige-Rubrik „Bekanntmachungen“ einen Erbenaufruf platziert.

Ihm zufolge sollen sich alle Personen innerhalb eines Jahres beim Amtsgericht in Locarno melden, die sich für Erben der Verblichenen halten. Dass sie ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu der Verstorbenen dann haarklein nachweisen müssen, versteht sich von selbst. Wenn sich niemand findet, dann wäre das aus Sicht der Eidgenossen nicht wirklich schlimm. „Der Nachlass bliebe dann in der Region“, unterstreicht Marco Agustoni in einem charmanten Sprach-Amalgam aus Schwyzerdütsch und Italienisch.

An dieser Stelle stellt sich naturgemäß die Frage nach der Größenordnung des Vermächtnisses der gebürtigen Karlsruherin. Da wird der Amtsrichter aus dem Tessin etwas einsilbig, er bleibt aber charmant. Eine Aufschlüsselung der Vermögensverhältnisse sei vielleicht nicht so opportun, gibt er zu verstehen. Und meint damit, dass allzu detaillierte Informationen in dieser Sache möglicherweise Begehrlichkeiten wecken könnten.

Gebürtige Karlsruherin lebte seit Jahrzehnten in der Schweiz

Was für ein Mensch mag die kinderlos verstorbene gebürtige Karlsruherin wohl gewesen sein? Hatte sie noch Kontakt in ihre Geburtsstadt? Weiß man überhaupt, seit wann sie schon in Locarno ansässig war?

Zumindest geht aus den dortigen Unterlagen hervor, dass sie bereits in den 1970er Jahren in die für ihr Filmfestival bekannte Stadt am nördlichen Ende des Lago Maggiore gezogen ist. Und bereits zuvor war sie in der Region ansässig: In Minusio, einem Vorort von Locarno, sei Gertrud Heid damals gemeldet gewesen, berichtet Giudice Agustoni – was im italienischsprachigen Tessin soviel wie Richter heißt.

Seit der Giudice vor wenigen Wochen den Erbenaufruf im Anzeigenteil der BNN veröffentlicht hat, hat sich noch niemand aus der Verwandtschaft der in der Ferne verstorbenen Seniorin bei ihm gemeldet.

Vielleicht gibt es in Karlsruhe aber dennoch Menschen, die etwas sagen können über die gebürtige Karlsruherin, deren Wahlheimat Locarno geworden ist. Solche Menschen sollten sich bei den BNN melden – auch wenn ihnen die materielle Erbschaft möglicherweise nicht zuteilwird. Vielleicht springt aber doch so etwas wie eine ideelle Erbschaft dabei heraus: Dadurch, dass dann alle etwas mehr vom Leben der Gertrud Heid erfahren.

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